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Beteiligt euch, esgeht um eure Erde Erika Mann © ° undihr politisches Kabarett Pfeffer mühle” 1933-1937 RIES edition spangenberg nn "... es geht um eure Erde" "Beteiligt euch, es geht um eure Erde" - ein Zitat aus dem Lied "Kälte" von Erika Mann bildet den Titel einer Dokumentation über die Geschichte des literarisch-politischen Kabaretts "Pfeffermühle". Diese "Pfeffermühle", die sich von Anfang an gegen den aufkommenden Faschismus richtete, wurde am 1.1. 1933 gegründet. Was immer wieder als Erika Manns Kabarett bezeichnet wurde und wird, war ursprünglich die Idee des Pianisten und Komponisten Magnus Henning’, der 1932 in der Miinchner "Bonbonniere" das seiner Meinung nach schlechte Kabarett "Ping Pong" begleitete und tiberzeugt war, daB er mit geeigneten Leuten "etwas Besseres" zustande bringen könne. Was lag näher, als Erika und Klaus Mann, die er in den späten 20er Jahren in Berlin kennengelernt hatte, zu besuchen, und ihnen diesen Vorschlag zu unterbreiten? Als Erika auch noch ihre Freundin Therese Giehse - damals schon "die große Giehse" - für das Vorhaben gewinnen konnte, stand dessen Ausführung nichts mehr im Wege. Ein Vertrag mit dem Besitzer der"Bonbonniere" für Jänner wurde abgeschlossen; als MitstreiterInnen engagiert wurden Sibylle Schloß, Albert Fischel, Peter Eysoldt, sowie das Tänzerpaar Claire Eckstein und Edwin Demby. Das 1. Programm war auf Anhieb überzeugend, die damalige Presse berichtet durchwegs lobend, nur dem Renzensenten des "Völkischen Beobachter" fiel es schwer, das Ensemble um Erika Mann als Bereicherung für das Münchner Kulturleben zu sehen. War doch dieselbe Erika Mann noch 1932 bei einer pazifistischen Frauenversammlung für Abrüstung und Frieden eingetreten und somit bereits in die Liste der Feinde aufgenommen worden. Erschwerend kam hinzu, daß aber keineswegs Therese Giehse angegriffen werden durfte, denn der "Führer" wollte sie als ganz und gar völkische Schauspielerin sehen. Helga Keiser-Hayne stellt neben diesem 1. Münchner Programm anhand von Therese Giehses handschriftlichen Aufführungsverzeichnissen noch vier weitere zusammen. WieTexte, sowie viele zum Teil bisher unveröffentlichte Photos und Dokumente. Fortsetzung auf Seite 7 Viktoria Hertling Theater für 49 In einem Kellerlokal in der Maria-Theresien-Straße Nr. 4 in Wien hatte sich seit dem Februar 1934 ein Avantgarde-Theater eingemietet, dessem Ensemble bereits innerhalb weniger Wochen von der Kritik "Glaube an sein Können" bescheinigt wurde. Am 30. März bezeichnete die Neue Freie Presse die Schauspieler sogar als "talentstrotzend" und lobte die jüngste Inszenierung des künstlerischen Leiters, E. Jubal, als "stark und sicher wie immer". Daß es sich bei diesem Namen um ein Pseudonym handelte, wußten außer seiner damaligen Lebensgefährtin, Nina Körber, wohl nur wenige. "Er hieß Benno, auf jüdisch Benjamin. Aber er meinte, es genügte ein Buchstabe. Jubal kam aus einem ukrainischen Dorf und hat dort Matura gemacht. In Wien ist er am Reinhardt-Seminar wegen seiner Begabung aufgefallen. Dort hat er behauptet, daß er schon in Rußland Theater gemacht hat, denn wenn jemand direkt aus dem Seminar kommt, dann kann er nicht viel. Wenn er aber schon in Rußland ... nun ja, die Leute glauben gern, was man ihnen erzählt." Demnach gilt es als ausgeschlossen, daß E. Jubal - entgegen den später in der Presse öfters wiederholten Verlautbarungen - bereits in der Ukraine als Theaterdirektor gewirkt hat. Von 1934 bis 1938 war er jedoch der von der Kritik geschätzte künstlerische Leiter des 49. Doch dessen eigentliche Domina, die als Dramaturgin, Geschäftsführerin und Liasion zu den Schauspielern fungierte, war Nina Körber, die jüngste Schwester Lili Körbers. Der Klugheit, Initiative, Beliebtheit und Feinfühligkeit dieser ehemaligen Alfred Adler-Schülerin im Umgang mit Kritikern, Schauspielkollegen, Bühnenbildnern, Architekten, Handwerkern, Theaterbehörden und nicht zuletzt ihrer Arbeit als Dramaturgin verdankte das Theater seinen weitverbreiteten Ruf als künstlerisch anspruchsvolle Bühne. Auf den Programmen erschien allerdings ihr Name selten. Selbst im damaligen Wiener Adreßbuch heißt es unter Nina Körber, Taborstraße 1, lediglich "Private". Diese Bescheidenheit erscheint der heute in Bern lebenden Journalistin und bekannten Theaterkritikerin im nachhinein höchst unverständlich. "Ich habe alles für Jubal gemacht. Ich bin zurückgetreten und habe nie insistiert... immer alles ihm zugeschoben. Als ich später in die Schweiz gekommen bin, war ich eine Unperson." Denn als die gebürtige Russin nach dem Krieg aus dem Exil nach Europa zurückkehrte, um wiederum fürs Theater zu arbeiten, verlangte man nach entsprechenden Referenzen. Daß Nina Körber von 1939 bis 1951 ihren Lebensunterhalt als Köchin und Serviererin in großen Hotels und britischen Offiziersklubs in Australien verdiente, zählte selbstverständlich nicht. E. Jubal fand zu Beginn seines Exils für kurze Zeit eine Anstellung an einem Theater, wo er allerdings seine vormaligen Erfolge nicht fortsetzen konnte. Dazu wiederum Nina Körber: Er hatte eine Schwester in Australien... die hat Jubal kommen lassen für das jüdische Theater in Melbourne. Aber das war uninteressant... Der Jubal hatte in Wien gute Einfälle. Aber nachher hatte er gar keine mehr. Er hat’s nicht verkraftet und hat mir gesagt: ’Aber hier darfst du nicht herumkommandieren wie in Wien. Hier mach’ ich es.’ Er hat’s nicht verstanden, daß ihm mein Kommandieren gerade nützlich war, ja? Und dann eines schönen Tages ist er weg. Da kann man nix machen. Ich war ein bißchen gekränkt und habe weitergelebt. E, Jubal kehrte nicht nach Europa zurück und starb im Exil in Australien. Zu Beginn des Jahres 1934 nahmen in Wien die Pläne zur Gründung eines Theaters feste Gestalt an. Der von Jubal geprägte Name Theater für 49 bezog sich auf die Tatsache, daß während der ’Systemzeit’ nur noch sehr selten Theaterlizenzen vergeben wurden. Begnügte man sich jedoch, vor maximal 49 Zuschauern zu spielen, durfte man das auch ohne Lizenz. So entstand die Vielzahl der Kabaretts, Kleintheater und Kleinkunstbühnen im Wien der dreißiger Jahre wie das ABC, Der Liebe Augustin, Stachelbeere... Nur die Literatur am Naschmarkt verfügte über eine ordentliche Theaterlizenz. Das Sachwörterbuch der Literatur von Gero von Wilpert: subsumiert diese Bühnen aber pauschal dem Begriff des Kabaretts, und aus einem