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20 tiert echt blond." Schriftproben von Kaspar Brandhofer sowie ein alter Brief von Leo Reuss wurden einem Grapho. logen vorgelegt. Sein Bescheid lautete: "Bestimmt nicht identisch." Man weckte ihn aus tiefem Schlaf mit dem Anruf "Leo", Er glotzte blöd vor sich hin und fragte verschlafen, wer denn das sei. Die Premiere von "Fräulein Else" fand am 2. Dezember 1936 statt. Am nächsten Tag waren die Wiener Zeitungen voll mit begeisterten Kritiken über den "überraschend starken neuen Darsteller". Es sei ein Gewinn für das Wiener Theater, daß Brandhofer seine Scholle verlassen habe. Nun endlich ging der neue Star zu Hugo Thimig, dem Rangältesten des Theaters, dem er reinen Wein einschenkte. Erschüttert über die Tragödie seines jüdischen Kollegen machte sich Thimig mit Reuss und dessen Rechtsanwalt auf den Weg zu Ernst Lothar, den Reuss nun formell um Entschuldigung für die Täuschung bat. Diese wurde nur sehr unwillig gegeben. Am 9. Dezember Richtigstellung In MDZ 4/1990, S. 12, wurde von den abgedruckten Gedichten Siglinde Bolbechers nicht gesagt, daß sie bei der von der Öffentlichen Bücherei Hungerburg im Rahmen der Tagung "Literatur in der Peripherie" (5. - 7. 10. 1990) organisierten Lesung vorgetragen wurden. Impressum "Mit der Ziehharmonika" erscheint vierteljährlich. Eigentümer, Herausgeber: Theodor Kramer Gesellschaft, A-1210 Wien, Obere Jungenberggasse 27, Tel. 022239 38 474, Konto: Zentralsparkasse und Kommerzialbank Wien Nr. 671 074 805. Druck: Hoffmann, 1020 Wien. Redaktion: Siglinde Bolbecher, Konstantin Kaiser, Gerhard Scheit, A-1020 Wien, Engerthstr. 204/14, Tel. 0222-24 40 935. Die Zeitschrift dient den in $ 2 des Status genannten Aufgaben der Theodor Kramer Gesellschaft: 1) Der Verein, dessen Tätigkeit nicht auf Gewinn gerichtet ist, bezweckt die Erforschung, Pflege und Verbreitung des Werkes Theodor Kramers sowie die Erweiterung der Kenntnisse über seine Persönlichkeit und über seine Stellung in Literatur und Gesellschaft. 2) Der Verein sucht in diesem Sinne das Zusammenwirken und den Kontakt mit allen Initiativen, die dem Studium und der Verbreitung antifaschistischer und demokratischer Literatur, bzw. der Arbeiter- und Exilliteratur dienen. Jahresabonnement öS 70,-. trafen seine Kollegen zu einer formellen Sitzung zusammen. Die Meinungen waren geteilt, einige griffen Reuss wütend wegen der schändlichen (und so gut gelungenen) Täuschung seiner Kollegen an, andere zeigten Verständnis für die Verzweiflungstat eines Kollegen, der drei Jahre vergeblich versucht hatte, seinen Beruf auszuüben. Die Majorität entschied sich für ihn; er durfte die Rolle des Herrn von Dorsday weiter spielen, und sein Name erschien nun im Programm als Reuss-Brandhofer. Der logische Schluß dieser Geschichte wäre gewesen, daß sich, von seinem Talent begeistert, alle Theaterdirektoren um den Schauspieler Leo Reuss gerissen hätten. "Doch die Verhältnisse, die sind nicht so." Lothar bot Reuss keine weiteren Rollen an. Auch die anderen stellten ihn gnadenhalber nur für einige Nebenrollen an. Reuss sah endlich ein, daß es unter den gegebenen politischen Verhältnissen für ihn keine Möglichkeit im deutschsprachigen Theater mehr gab. Jura Soyfer in Paris Zum ersten Mal seit dem erfolgreichen Gastspiel des Jura-Soyfer-Theaters im Mai 1986, das die Collage Es regnet rote Tränen sowohl im Österreichischen Kulturinstitut als auch im Heinrich-HeineHaus präsentiert hatte, waren wieder Stücke von Jura Soyfer an Pariser Theatern zu sehen. Am 23. und 24. November letzten Jahres gastierte das ReinhardtSeminar mit seiner Inszenierung Vineta im Theater der Pariser Theaterhochschule (Conservatoire National Superieur d’Art Dramatique). Das Publikum, das sich vor allem aus Schauspielschülern, Theaterpraktikern und Germanisten zusammensetzte, reagierte sehr interessiert und wohlwollend auf die packende Aufführung. Besondere Resonanz fand Schweren Herzens folgte er Piscator und Jessner nach New York. Agnes Straub schloß sich ihm nicht an, sie blieb in Berlin, wo sie bis zu ihrem Tod, im Jahre 1941, große Triumphe feierte. Leo Reuss gelang es auch in Amerika nicht, die Rollen, die ihm gebührt hätten, zu erlangen. Er starb am 2, April 1946 in Manila, auf einer Entertainment-Tournee für die US-Army. Die Autorin dankt Helene Glaser (Wien) für Hinweise und Recherchen. Verweigerung Die Kommission zur Förderung für wissenschaftliche Druckschriften beim Bundesministerium fiir Wissenschaft und Forschung in Wien hat 1990 eine Förderung von "Mit der Ziehharmonika" (MdZ) abgelehnt. Das Ansuchen wurde im März eingebracht und Ende Oktober abschlägig beschieden. MdZ sei keine vorwiegend wissenschaftliche Zeitschrift. 1989 noch wurde MdZ mit öS 25.000,- gefördert. das eindrucksvolle Bühnenbild von Josef Svoboda. Vom 7. bis zum 12. Jänner organisierte Heinz Schwarzinger unter dem Gesamttitel "Un peuple fou de theätre" ("Ein theaterbesessenes Volk") im Espace Pierre Cardin Lese- aufführungen von Stücken österreichischer Autoren von Nestroy bis Turrini. In diesem Rahmen kam am 9. Jänner Soyfers Weltuntergang in der Übersetzung Gilbert Badias zur Aufführung. Der Saal war gut besetzt, die Reaktion des Publikums auf den leicht aktualisierten Text ausgesprochen positiv, wozu natürlich die aktuellen Ereignisse am Golf ihren Teil beitrugen. Jürgen Doll (Paris) Erscheinungsort Wien, Verlagspostamt 1210 Wien. P.b.b. Imprimée & taxe réduite. Vom Verleger versendet. Drucksache 50 %.