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ROTENBERG SCHERBEN SIND ENDLICHER HORT Lyrik und Prosa IN] | Stella Rotenberg: Scherben sind endlicher Hort. Lyrik und Prosa. Herausgegeben von Primus-Heinz Kucher und Armin A. Wallas. Wien: Verlag für Gesellschaftskritik 1991. 189 S., 6S 198,-. (Umschlag von Astrid Gmeiner). Das Buch erscheint Ende Oktober 1991. Jura Soyfer-Symposium in Saarbriicken Vom 3.-5. Dezember 1991 findet ein von der Arbeitsstelle fiir Robert-Musil-Forschung der Universitat des Saarlandes, dem Institut fiir Theaterwissenschaft der Universität Wien und der Jura Soyfer. Gesellschaft veranstaltetes Soyfer-Symposium statt. Im Zusammenhang mit dem Symposium ist eine Podiumsdiskussion zum benachbarten Thema "Europa und mulitkulturelle Existenz" geplant. Teilnehmer u.a.: Herbert Arlt, Wolfgang Greisenegger, Hilde HaiderPregler, Konstantin Kaiser, Gerhard Scheit (Wien); Gilbert Badia, Jürgen Doll (Paris); Joachim Bernhard (Rostock); Manfred Diersch (Leipzig); Johann Holzner (Innsbruck); Horst Jarka (Missoula, USA); Felix Kreissler (Montreuil); Tamas Lichtman (Debrezen); Marie-Louise Roth (Saarbriicken). Fluglatt der "Revolutionären Sozialisten" eingewickelt war; Soyfer kam ins Konzentrationslager Buchenwald, wo er Anfang 1939, 26 Jahre alt, starb. Als ich 17 Jahre alt war, gingen mein Bruder und ich auf Ferien in ein Dorf nahe dem Semmering. Wir logierten in einem Wirtshaus, wo wir den besten Leberkäs und die besten Würste unseres Lebens aßen, und von wo aus wir Ausflüge in die Umgebung machten. | Nach meiner Matura unternahmen mein Bruder und ich eine große Tour: Mit wenig Gepäck und wenig Geld und viel Unverstand bereisten wir, teils per Eisenbahn, teils per Anhalter, Italien, Frankreich, Belgien, Holland... In Venedig schliefen wir eine Nacht lang in einer Gondel, am Morgen darnach war ich wie gerädert; in Pisa ließ mich ein Padre nicht in die Kirche, weil ich, Kopf und Arme mit einem Schal bedeckt, Söckchen statt Strümpfe anhatte, indes mein Bruder, in kurzer Lederhose, seine nackten Schenkel auch in der Kirche zeigen durfte. In Mailand trafen wir zum ersten Mal Flüchtlinge aus Deutschland. In Genua sah ich zum ersten Mal das Meer. Auf dem Weg nach Paris, in Südfrankreich, schliefen wir eine Nacht im Freien. Bequem war das nicht - wir hatten nicht die richtige Ausrüstung - aber der Sonnenaufgang, der Vor-Sonnenaufgang, bleibt mir unvergeBlich. Von Paris sahen wir wenig. Wir wohnten in einer Jugendherberge und mußten vor 10 Uhr abends im Haus sein. Tags aber (Paris im August!) war es zu heiß, um auszugehen. Aber ich erinnere mich gut an den Jardin du Luxembourg und an NotreDame. Nach dem Jahr 1934 wurde das Leben für uns in Österreich prekär, und dann war’s ja bald überhaupt aus. Als ich nächstens wieder auf Urlaub ging, schrieben wir die Fünfzigerjahre, und ich schaufelte Sandhäufchen für meinen Sohn an einem englischen Strand. Konstantin Kaiser Nachtrag zu zwei Mißerfolgen Hans Raimund, 1945 in Petzelsdorf (Niederösterreich) geboren, besuchte das Theresianum in Wien, studierte Musik, Philosophie, Germanistik, Anglistik an der Universität Wien und arbeitete dann als Lehrer unter anderem an der Rudolf-Steiner-Schule. Er stand dem Kreis um Hermann Hakel und die Zeitschrift "Lynkeus" nahe. Im "Lynkeus" veröffentlichte er ein Porträt seines Vaters, eines Nationalsozialisten und Polizisten, der 1945 aufgehört hatte, die Welt als Geschichte wahrzunehmen. Raimund erzählt in diesem Porträt nicht, welche Untaten sein Vater etwa auf dem Gewissen habe. Er erzählt nur, was für ein Dasein sich aus dem Aufhören geschichtlicher Wahrnehmung - für den Vater selbst, seine Frau und den Sohn - ergibt. Für Raimund ist die Auseinandersetzung mit dem zur Stummbheit gesteigerten Verschweigen des Geschehenen eine Frage seiner eigenen intellektuellen und poetischen Existenz. Auch in seinen Gedichten kommt er immer wieder auf ratlose Begegnungen mit seinen Eltern zurück, auf die Zerstörung des lebendigen Bandes, nach der im Guten nur rituelle Handlungen der gegenseitigen Versorgung und emotionelle Zuwendungen flackernder Besorgtheit möglich bleiben. Seit 1984 lebt Raimund als freischaffender Schriftsteller in Duino bei Triest. 1983, 1985 und 1989 erschienen seine Gedichtbände "Schonzonen", "Auf Distanz gegangen" und "Der lange geduldige Blick". Besonders der letzte Gedichtband fand eine gute Aufnahme und bestätigte, daß Raimund einer der bemerkenswertesten österreichischen Lyriker der Gegenwart ist. In einem in "Literatur und Kritik" vom März 1991 abgedruckten Interview vermißte er in der österreichischen Lyrik die Auseinandersetzung mit mit den Jahren 1938 bis 1945. Es ist anzunehmen, daß seine Übersetzungen aus dem Italienischen (vor allem Triestiner Literatur) und dem Englischen seinen Gesichtskreis erweitert und manches relativiert haben, was in der österreichischen Gegenwartsliteratur