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phie operierenden vermeintlichen Antipoden von Stubengelehrsamkeit und Bürgerlichkeit, gelang Bruckner die Gestaltung eines Typus des studentischen Milieus der 20er Jahre. Dennoch wird kaum auf soziale Zusammenhänge rekurriert, sondern auf eine den Personen immanente'verworrene Triebhaftigkeit, die denn - bei aller Anhäufung von Unterdrückung und bis zum Selbstmord gehender Selbstzerstörung - auch keine wirkliche Tragik im Sinne eines kollidierenden Handelns zuläßt. Die Haltung des Dramatikers, so sehr dieser subjektiv über real vorgefundene Situatonen betroffen sein mag, bleibt dem kalten Blick verhaftet, der die vermeintlich statische Naturhaftigkeit des Menschen registriert und dabei den Horizont der von ihm selbst kreierten Figuren kaum überschreitet. So sehr Bruckners folgende Dramen jeweils als provokante thematische und technische Sensation konzipiert sind, und so sehr der versierte Dramatiker damit den hektischen Theaterbetrieb dieser Jahre bedienen kann, sie bleiben doch bei allen unleugbaren Neuerungen im wesentlichen dem Muster von "Krankheit der Jugend" verhaftet. Am weitesten entfernt sich Bruckner davon wohl mit der Stoffwahl zu seinem Stück "Die Verbrecher" (1928), die die "realistisch-zeitkritischen" Elemente hervortreten läßt. Darin stellt er die zwischenmenschliche Entfremdung durch das Nebeneinander der Personen auf der Simultanbühne aus, thematisch wird diese Fremdheit in der bürgerlichen Justiz, die vom Alltagsleben der Menschen entfernt ist und dieses zugleich zerstört: Die Protagonisten geraten zu Opfern einer Justiz, die die Menschen durch diskriminierende Bestimmungen zu "Verbrechern" stempelt. "Die negative Form ... des stumpfen, egozentrischen Nebeneinanderlebens" (Bruckner:Dramen, 167) - wie Bruckner einen jüngeren Richter formulieren läßt - erscheint gleichermaßen als Schuld wie als unentrinnbares Schicksal. Von diesem versuchen sich die Personen durch Akte des "Verbrechens", als Ausdruck eines manchmal konkreten, manchmal mystifizierten Lebenswillens, freizumachen. Die Koppelung von "Nebeneinanderleben" und Justiz ermöglicht das Festhalten an der dramatischen Form, die Gerichtsverhandlungen des zweiten. Aktes binden die auseinanderstrebenden Handlungselemente. Fehlt solch - zwar kolportagehafter, aber durchaus energischer - Vorstoß zu thematischer und sozialer Konkretion, so gleitet das Drama vollends in die verworrene Ausstellung menschlicher Pathologien ab. Dies ist bei einem Stück wie "Die Kreatur" (1929) der Fall, in dessen Handlungsverlauf eine Ehefrau von ihrem Mann, einem Techniker, der sich für einen Bauauftrag bestechen ließ, und dessen Schwester dazu gebracht wird, mit jenem Mann ein Verhältnis einzugehen, der die Familie vor dem finanziellen Ruin retten könnte. Die Haltungen der Personen schlagen, trotz ihrer vordergründigen sozialen Bestimmung durch den Autor, in einer schockartigen Weise um, die durch die Handlung kaum begründet wird und dem Begriff der Entwicklung geradezu entgegensteht. Von Beginn an lastet eine Art unbegreiflicher Tragik tiber der Familie sowie eine uniiberwindbare Fremdheit zwischen den Personen, die auch hier jeden Ansatz von echter Kollision und damit der Möglichkeit zur Tragik verbietet. Feierte Fritz Engel im Berliner Tagblatt Bruckners Historiendrama "Elisabeth von England" (1930) auch als Befriedigung der „ sehnsucht derer, denen es in der Enge des Zeitstücks zu dumpf geworden ist"°, so wurde hier doch eher dem erfolgsgewohnten Muster ein historisches Gewand angelegt. Dabei zerfällt die Handlung in eine Privatheit der erotischen und sexuellen Obsession und in einen geschichtlichen Verlauf, der als unvermittelte Allgemeinheit über dem Geschehen liegt. Die Verbindung zwischen dem privaten Leben der Figuren und der großen Historie wird an manchen Punkten erzwungen, indem die privaten Kämpfe direkt zu Triebkräften der Geschichte geraten. Erneut findet hier die Simultanbühne Verwendung, die Welt König Philipps und die Welt Königin Elisabeths werden als zwei Prinzipien einander gegenübergestellt. Ihre Verknüpfung entsteht durch den Krieg, dessen Ausgang dann auch den formalen Schlußpunkt einer statischen Situation abgibt. Das Gemenge aus Krieg, Machtstreben und sexueller Attraktion enthält manch kritische Anspielung auf zeitgenössische Geschehnisse: So konnten sich die unterschiedlichsten Lesarten - gleichsam von ‘rechts’ bis ‘links’- auf das Stück beziehen, generell aber bewirkt der Aufbau eher eine Steigerung des Sensationellen, denn eine Erhellung von realen Zusammen "Die Rassen". Uraufführung am 30. November 1933 am Zürcher Schauspielhaus. Emil Stöhr als Karlanner und Sybille Binder als Helene. Die schon damals am Theater in der Josefstadt (Wien) durch Otto Preminger erwogene Aufführung kam 55 Jahre später doch noch zustande (Inszenierung durch Axel Corti, Premiere 29. April 1988). Ferdinand Bruckner (geb. als Theodor Tagger am 26.8.1891 in Sofia, gest. am 5.12.1958 in Berlin/West). Sohn eines aus Wien stammenden jüdischen Bankkaufmanns und dessen französischer Ehefrau. Volksschule in Wien, Gymnasium in Graz und Berlin, 1909-1912 Musikstudium in Paris und Berlin sowie Studien an der Universität Wien. Tätigkeit als Journalist und.Lektor in Berlin. 1917 Gründung und Herausgabe der Zeitschrift MARSYAS (Beiträge u.a. von Hugo v.Hofmannsthal, Alfred Döblin, Franz Werfel, Carl Sternheim, Kasimir Edschmid, Franz Kafka, . Gustav Landauer, Albert Ehrenstein). Lyrische und erzählerische Versuche. 1919-21 dramaturgische Tätigkeit in Wien und Berlin. 1922 gemeinsam mit seiner Frau Bettina Eröffnung des Renaissance-Theaters in Berlin, dessen Leiter, Regisseur und Übersetzer er wird. Veröffentlicht 1925 das Drama Krankheit der Jugend (U: 1926) unter dem Pseudonym Ferdinand Bruckner und publiziert künftig unter diesem Namen (das Inkognito wird erst 1930