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8 Rückkehr nach Österreich zugrundelagen. Thematisiert wird unter anderem von Sylvia Schlenstedt die enge Verzahnung zwischen literarischen Verfahrensweisen und der jeweiligen Literaturauffassung eines Landes am Beispiel von Brechts und Hermlins Rückkehr in die DDR, von Ursula Seeber-Weyrer die Ausgrenzung der Exilliteratur nach 1945 aus Österreichs Rezensionszeitschriften. Im zweiten Abschnitt werden die vielfältigen politischen und kulturellen Aktivitäten Österreichischer Antifaschisten, der diversen Exilorganisationen wie beispielsweise des Free Austrian Movement (Herbert Steiner), des American Guild for German Cultural Freedom (Klaus Amann) oder der Austro American Tribune (Helmut F. Pfanner) besprochen. Dabei werden die verschiedenen Entwürfe eines freien und unabhängigen Österreich vorgestellt. Der letzte Teil schließlich präsentiert eine Reihe von Autoren und Autorinnen, deren Flucht oftmals schon 1934 begann, zeigt die Stationen ihres Exils und dokumentiert auf welch unterschiedliche Weise die Exilerfahrung in den einzelnen gedruckten oder dem Vergessen anheimgefallenen Werken ihren Niederschlag gefunden haben (z.B. Heide Klapdor-Kops über Anna Gmeyner, Heinz Lunzer über Ludwig Ullmann, Herta Wolf über Lili Körber). Die Tatsache, daß die Rückkehr der Literatur und ihrer Autoren immer noch nicht abgeschlossen ist, verweist nicht nur auf die Problematik der Dauer des Exils, einer Frage, der Ernst Löwy in seinen Ausführungen nachgegangen ist, sondern auch noch auf ein anderes Problem, das gleichsam den Kern aller Aufsätze betrifft: Was war das für ein Land, in das nur ein Sechstel aller nach Amerika geflüchteten Österreicher zurückkehrten? Warum rief man sie nicht zurück? Wieso wurden hier namhafte Exilschriftsteller boykottiert, während Heinrich Waggerl zu den bevorzugten Autoren zählte? Welche politischen und kulturellen Verhältnisse fanden sie vor? In welcher Weise hingen diese Verhältnisse mit den Bedingungen des Kalten Kriegs zusammen? Davon ist in diesem Buch systematisch zu wenig die Rede: von dem Kontext, in dem die Rückkehr der einst Verstoßenen stattfand, kurz von jenem Österreich, das Berthold Viertel 1950 als “zur Lüge entschlossen” bezeichnete. Renate Göllner ihnen halt nimmer, von mir regiert zu werden! dachte der Alte. Da kann man nix machen! fügte er im stillen hinzu. Denn er war ein Österreicher. Jener Schriftsteller aber, dem nur ein einziger hoffnungs- und trostspendender Stern strahlte, nämlich der, nicht mehr Österreicher zu sein, Karl Kraus, hat aus der Figur des Kaisers eine ganz andere Allegorie geformt: dieses blutgemütliche Etwas, dem nichts erspart blieb und das eben darum der Welt nichts ersparen wollte, justament sollen s’sich giften - beschloß eines Tages den Tod der Welt. Ich meine jenen blutdürstigen Dämon seines verfluchten Hauses, dessen Walten sich Justament in diesem Kaiserbart manifestierte und in einer Gemütlichkeit, die eben das Blut, das sie nicht sehen konnte, gekostet hat. Robert Musil erscheint als Antagonist solcher österreichischer Allegorik, und eben dies wird von Friedrich Achberger unterstrichen - womit der kleine Exkurs wieder in dessen Studie mündet: Die Parallelaktion im Mann ohne Eigenschaften zielt in ihrer durch und durch ironischen Konstruktion auf den Endpunkt des alten Reichs: das siebzigjährige Thronjubiläum Franz Josephs I., das ’parallel’ zu Wilhelm II. dreißigjährigem stattfinden und dieses übertreffen soll, visiert mit 1918 ein Jahr an, in dem der Jubilar (...) tot und das Reich zerbrochen ist. Diese nicht tragische, sondern historische Ironie, die man vielleicht einen historischen Kalauer nennen sollte, ist wohl das einzige plumpe Element in Musils Roman, der das Erbe Österreichs am Beginn des 20.Jahrhunderts mit unerbittlicher Insistenz sondiert. Zwar läßt das Figurenpanorama der Leinsdorf, Tuzzi, Stumm, Feuermaul (Werfel!), Diotima, Sepp, Schmeißer usw. den ’österreichischen Menschen’ erstehen, jedoch im Zeichen des “Seinesgleichen geschieht”, d.h. des Selbstwiderrufs der Konstruktion, vor allem aber im Zustand der vollendeten Zersplitterung. Musils Werk unterscheidet sich von allen, aber auch allen anderen Österreich-Thematisierungen dadurch, daß es erbarmungslos den Untergang protokolliert und eine Revue der Toten (...) und des Überlebten präsentiert, selbst wenn das Überlebte fortexistiert. Zwar geht auch Musil von dem Modell Österreichs als Mikrokosmos aus, jedoch nicht aus Stolz, oder um etwas zu retten, sondern um am Modellfall den Gesellschafts- und Identitätszerfall im Zuge der Modernisierung zu studieren. Allerdings beleuchtet Achberger nicht die Rückseite der Musilschen Dekonstruktion Österreichs: auf ihr zeichnen sich neue, modernere Allegorien ab, die gar nicht dekonstruiert werden: etwa in der Figur Moosbruggers oder in manchen Beschreibungen von Menschenmassen. Doch diese Allegorien haben mit Österreich-Entwürfen in der Tat nichts zu tun. Mit ihnen emigriert die Literatur aus der österreichischen Tradition. Musil, Canetti und Broch entwarfen kein Österreich, weder eine Utopie der Vergangenheit noch eine der Gegenwart und Zukunft. Der Essay über Hofmannsthals Salzburger Welttheater sollte - wie die Disposition zeigt - ebenfalls in die große Studie über die österreichische Literatur der Zwischenkriegszeit integriert werden - als Einzelstudie. Wiederum betont Achberger eingangs sein Erkenntnisinteresse: Nicht nur was am Welttheater politisch ist, soll hier interessieren, sondern vor allem, wie es ist.® Keine vorschnelle Bewertung soll die Sicht auf den ästhetischen Zusammenhang verdecken - und in diesem Sinn schiebt Achberger das Urteil von Karl Kraus, es handle sich hier um einen “aberwitzigen Dreck”, zunächst zur Seite, um einen Zugang zu diesem Wie der ästhetischen Form zu gewinnen, ein Zugang, der freilich letztlich die Bewertung nicht ausschließen soll. Er führt durch die Krise der Epoche: In seiner endgültigen Fassung ist Das Salzburger Große Welttheater eine völlig authentische Schöpfung Hofmannsthals, die dem Großen Welttheater (ca.1645) des Calderon nicht mehr als die allegorische Struktur verdankt. Geplant seit 1919 und geschrieben 1921/22, formuliert dieses Drama die wesentliche Antwort des Dichters auf die Zeitenwende 1918/19 und die Krise der alten europäischen Gesellschaften. Auf andere Art als das Lustspiel Der Schwierige (Urauff.1921) (...)° Worin dieses Drama — wenn man es denn so nennen möchte - eine Antwort darstellt, arbeitet Achberger vor allem an der allegorischen Figur des Bettlers heraus. Alles, was Hofmannsthal als typischer Vertreter des gebildeten Bürgertums bedrohlich erscheint, fließt in die Figur des Bettlers ein: die russischen