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Meir Marcell Faerber Was ich sagen wollte. .. Blickt ein Publizist und Schriftsteller an der Schwelle seines 84. Lebenjahres auf seine Vergangenheit, seine Arbeitsleistung und seine Biicher zuriick und unterzieht er auch seine nächsten Zukunftspläne und -aussichten einer prüfenden Übersicht, so muß er sich die Frage stellen: Habe ich deutlich genug zum Ausdruck gebracht, was ich angesichts der Erlebnisse der Menschheit und meines Volkes in diesem 20. Jahrhundert so eigentlich sagen wollte, zu sagen hatte, zu sagen verpflichtet war? Dann folgt gleich darauf die andere Frage: Und habe ich mit dem, was ich schrieb, die Leser erreicht, an die ich mich wenden wollte? Ist meine Botschaft, soweit ich nicht nur im Sinne von ’ars gratia artis’, der Kunst rein um ihrer selbst willen, unterhalten, sondern auch erklären, informieren, beeinflussen wollte, angekommen und wurde sie rezipiert und absorbiert? Zufrieden mit dem Erreichten kann man nicht sein, selbst wenn man ein genügsamer Mensch ohne gar zu hochstrebende Erwartungen und Forderungen ist, denn der Begriff Zufriedenheit ist suspekt. Da taucht gleich der Verdacht übertriebener Selbsteinschätzung, mangelnder Selbstkritik und eines aus Sucht nach Bequemlichkeit stammenden Minimalismus auf. Findet man sich gar zu leicht mit den - stets mangelhaften - Gegebenheiten ab, so bleiben die menschlichen Unvollkommenheiten bestehen, verursachen Leid und Unglück, behindern den Fortschritt auf dem Wege der erforderlichen Korrektur der in der Welt herrschenden Zustände —- und man versäumt die Erfüllung seiner Aufgabe. Die dem Menschen zufallenden Aufgaben sind individuell, richten sich nach seiner persönlichen Neigung, Fähigkeit und Weltauffassung, aber auch nach der Erziehung, die er dank seiner Zugehörigkeit zu seiner Familie, seiner Gruppe und seinem Volk genoß, respektive nach dem Maße seines Zugehörigkeitsgefühls, inwieweit er das ihn mit seinem Volke oder seiner Glaubensgemeinschaft Verbindende als relevant und verpflichtend empfindet. Als Jude fühle ich die ständige, inhärente Verpflichtung, gegen Ungerechtigkeiten, welcher Art auch immer, aufzubegehren, für Verunrechtete einzutreten und der jüdischen Tradition entsprechend zu versuchen, Wege zur Verbesserung der zwischenmenschlichen Beziehungen zu weisen, und, wie Max Brod es ausdrückte, ’unedles Leid’, also behebbares Unglück, zu lindern. So empfand ich das Schreiben als humane Aufgabe. Keine holde, beschwingte Muse schwebte vom Olymp zu mir herab, um mir mit ihrem Kuß lyrisch-hymnische Kunstbegeisterung und der reinen Schönheit dienende hochfliegende geniale Meisterwerke einzuflößen. Leiden der Menschheit und vor allem des eigenen, bitter verunrechteten, gedemütigten und gequälten, in unvorstellbare Massenmordlager getriebenen Volkes drückten mir mit kategorischem Imperativ die Feder in die Hand und ließen mir keine Wahl. Als ich meinem ersten im Jahre 1928 erschienenen Gedichtband seinen Namen gab, nannte ich es „Gefühle und Gedanken“, in der Meinung, daß beide, Gefühl und Gedanke, einander in meinen Gedichten die Waage halten könnten und würden. Es kam jedoch anders: in meinen späteren Gedichtbänden überwogen Gedanken und Tendenzen die Gefühle und mein leichtfüßiger Pegasus mußte als Streitroß seine zarten Flügel oft unter gepanzerten Schabracken verbergen, wie dies in meinen folgenden Gedichtbänden zum Ausdruck kam: „Tel Aviv sendet Zionismus“, Satiren (Ostrava 1936), „Mein Tel Aviv“, Satiren (Tel Aviv 1940), „Worte“ (Berlin/Tel Aviv 1980), „Ernstes und Heiteres“ (Berlin 1986); dann brachte ich im Zyklus „Israel in Tanka-Versen“ (Göttingen 1987) in archaisch-japanischem Stil eine Charakterdarstellung von Volk und Land Israel - und als jonglierende Spielerei mit Einfällen und Begriffen „Menagerie“ (Gerlingen 1990), ein Bändchen Schmunzelgedichte. Mein (vorläufig) letzter Gedichtband war „Von Abraham bis Salomo“ (Berlin 1991), in dem ich biblische Realitätenbörse“ und Mitarbeiter zionistischer Blätter. April 1934 Übersiedlung nach Palästina. Gründete zur Hilfestellung für Immigranten aus Österreich Ende der 30er Jahre den „Verband der Einwanderer aus Österreich“. Neben seinen zahlreichen eigenen Buchpublikationen Übersetzer aus dem Hebräischen und Verfasser zweier Kinderbücher in hebräischer Sprache. Meir Faerber lebt in Tel Aviv. 1991 erschien als Band 1 der Mnemosyne-Schriften, Klagenfurt, sein Drama „Aus unbekannten Motiven“, 50 S., 68 50,-. (Beziehbar über Andrea M. Lauritsch, 9020 Klagenfurt, Mozartstr. 61/6/19). Ad Kurt Tucholsky Aus der Sammlung von Prof. Hugo Pepper zeigt das Österreichische Wirtschafts- und Gesellschaftsmuseum, 1050 Wien, Vogelsangg.36, die Kurt-Tucholsky-Ausstellung „Mit 5 PS der Zeit voraus!“ (10. März bis 30. April 1992, Montag bis Donnerstag 12 - 18 Uhr). Am 10. März, 24. März und 28. April sind Abendveranstaltungen mit Lesungen und Lichtbildvorträgen vorgesehen. Beginn jeweils 18 Uhr.