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10 DIE ALTEN MÄNNER Wenn man so könnte wie man es will Man stünde auf wie eine Feder im Pfauenkleid die „JA“ sagt - aber ertrinkt im Farbenrund des kreisenden Rades Man kann aber nicht wie man will Es gibt Dämme und Deiche mit mächtigen Fischen die alles beherrschen und leise hinabziehen Auch alte Männer immer mehr auf Krücken und Schiebestühle. KORCZAK: SEIN BILD 1927 Da stellt man ein Bild vor mich hin: Korczak Dünn eisenumfaßt die Brillengläser Etwas verschieden - zwei Augen — aussichtslos gerade blicken sie scharf vor sich hin Diese zwei Augen - etwas verschieden. Wie können solche Pupillen die Welt umfassen so aussichtslos traurig, über Wolfsschluchten hinweg ins Grüne sich richten, felsabwärts schauen während ein Heuschreck zum Sprung ansetzt. Die Gedichte Alfred Frischs sind dem nachgelassenen unveröffentlichen Manuskript „Gedichte der letzten Jahre“ entnommen. Abdruck mit freundlicher Genehmigung von Dr. Vera Frisch. oder doch nicht zum Reißen bereit ist. Dieser dünne Faden reißt dann nicht, wenn man bereit ist, sich nach vorne zu verteidigen — und nicht davonläuft nach hinten. Nur so kann man unter Umständen am Leben Im Herbst 1945 kehrte er nach Wien zurück, wurde Mitarbeiter von Otto Basils Zeitschrift „Plan“, ließ sich als Rechtsanwalt nieder. Er schrieb unentwegt weiter; erst 1977 und 1983 erschienen seine Gedichte, viele von ihnen im Exil geschrieben oder begonnen. Sein Werk „Indizienprozeß“ (über den Tod des Thronfolgers Rudolf) erscheint heuer postum in der Bibliothek der Zeitschrift LOG (Wien). „.. einem guten Ohr“, heißt es in einer Rezension von A.Es zweitem Gedichtband, „müßte der Tonfall seiner Sprache... längst aufgefallen sein. Auf originelle Weise wird in seiner Lyrik die Technik des Expressionismus .. auf höchst komprimierte Inhalte angewandt. (...) Reich ist die Motivik. Mit Unendlichkeitsschleifen wird das Endliche und das Unvergeßliche Brandgeruch, Napalm, Massenfolter, Giftgasgeschäft abseits von Wohlstandsbäuchen, die verbrannten jüdischen Städtl in Galizien...“ trat für die Rechte der Kurden ein und unterstützte die Gefangenenhilfsorganisation Amnesty International. In seiner Rocktasche trug er stets eine vergriffene kleine Ausgabe der Charta der Vereinten Nationen und das Statut des Internationalen Gerichtshofs - Dokumente eines neuen Anfangs nach der Niederschlagung des Faschismus, einer historischen Errungenschaft, die nicht mehr preisgegeben werden darf. „... es gibt immer solche“, notierte A.F., „die glauben, Brutalität und Sklaverei machen die Utopie der Zukunft aus. Aber es kommt die Zeit, in der sie endgültig vergangen sein werden.“ KK. AN DEN UFERN DER LOIRE 10. JUNI 1940 Schlösser gibt es von mir nicht mehr erreichte. Brücken, sie folgen einander mit Weg über die Loire schützen die noch immer kämpfende Franzosen? Frankreich du Ausgedörrtes dein Heer flieht davon. Araber, sie waren bereit zum Mitkampf für die Freiheit der Rosen in Frankreich. Dort auf der nächsten Brücke reißt ein Schuß ein Bein ab, dem Monsieur Katz, Herrn Katz aus Wien. Besser töten kann man ihn nachher, den halb Gelähmten.