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zwischen ihren Fingern. Man mußte sie nicht daran erinnern... Seit 20 Jahren dachte sie ab September an Weihnachts- und Neujahrsgeschichten, nachher an Ostererzählungen und dann kamen die Ferien-Sondernummern. Seit 20 Jahren... Und jetzt schien es ihr, als ob sie bereits alle Weihnachts- und Neujahrsgeschichten geschrieben hätte, die es überhaupt geben konnte. Ja, alle... Die vom einsamen alten Mütterchen ebenso, wie die von dem glücklichen Kinde, Die von den Liebenden, von den Verlobungen unter dem Weihnachtsbaum oder Mistelzweig... Sie hatte mitteleuropäische Weihnachtsgeschichten geschrieben und spanische und afrikanische und einmal vor acht Jahren sogar eine chinesische mit Missionaren. Die hatte besonders gut gefallen. ...“ Im Juni 1946 hatte Alice Penkala in einem Brief an ihre Schwester, die sich in England neben ihrer Arbeit als Köchin bis zu ihrem Tod 1955 ebenfalls wieder literarisch betätigte, noch festgestellt: „Du kannst keine Kurzgeschichten, sondern nur Romane und Reportagen schreiben und ich kann nur Kurzgeschichten und weder Romane noch Reportagen.“ In den 60er Jahren bezog sie ihre Einnahmen tatsächlich zu 70 % aus Kurzgeschichten und zu 30 % aus Romanen. Das Verhältnis änderte sich jedoch: 1972 brachten letztere bereits 85% ein und die Stories gerade noch 15%. Parallel zu den in den 50er und 60er Jahren noch beliebten, dann immer mehr aus den Zeitungen verschwindenden Short Stories, erschienen rund 45 Romane Alice Penkalas, davon 18 in Buchform. Ein Teil war von vornherein nur zur Veröffentlichung in Fortsetzungen konzipiert. Für diese Form waren die drehbuchartig geschriebenen Handlungen, die knapp und kräftig gezeichneten Milieus, Personen und Orte besonders geeignet. Die Autorin beherrschte diese Technik perfekt, geschult durch die Präzision des Kurzgeschichtenschreibens. Häufig werden darin Zivilisations- oder Gesellschaftsprobleme geschickt in Verbindung zu zwischenmenschlichen Beziehungen - Partnerschaft, Eltern/ Kind - gebracht. Sie lagen damit noch in der Tradition des ersten Jahrhunderthälfte, als insbesondere linke Tageszeitungen leicht zu lesende, spannende Romane mit fortschrittlicher Tendenz anboten. Quasi automatisch sollten die Leser mit der Zerstreuung auch ihr bildendes und erziehendes Pensum aufnehmen. Der Hintergrund der Provence verlieh auch diesen unterhaltsamen Geschichten zusätzlichen Charme. Bei einigen Romanen ist nach der anfänglich kräftigen Portion prallen Lebens der Schluß manchmal eine etwas zu dünne Nachspeise. Kalmer kritisierte bisweilen ihren Hang zum „Schwarzweiß-Malen, Moralisieren und Predigen“. Ihrer seit der Jugend entwickelten Leidenschaft für traumhafte Sujets, Reisen durch Zeiten und Welten, zu imaginären Planeten, Verwandlungen, konnte sie viel zu wenig frönen. Eine ihrer besten Geschichten ist „Die Zeitspalte“, mit reizvoller Verquickung aller dieser Zutaten. Ihre Science Fictions wurden im deutschsprachigen Raum allerdings nur als Forsetzungsromane ("Vor dem ersten Tag" und „Venus ruft die Erde“) angenommen. Den Vertrieb von Kurzgeschichten dieser Sparte lehnte Kalmer rundweg ab. Interessierter zeigten sich einschlägige französische Zeitschriften. Mit „Avant le Premier Jour“ gelang Alice Penkala ein einmaliger Durchbruch beim renommierten Verlag Hachette. Der sozialkritische Einschlag springt auch hier ins Auge, z.B. revoltieren „Minus-Varianten“, Halbmenschen-Roboter, die für eine Oberschicht aufeinem entferntliegenden Planeten in sklavenartigem Dasein schuften. Meist unterschied Alice Penkala sehr genau zwischen Werken, an denen sie mit Lust und Leidenschaft schrieb und anderen, die sie selbst kritisch beurteilte. Ein ausgeklügeltes geheimes System von Pseudonymen ermöglichte übrigens der Autorin die Ausschaltung von Konkurrenzproblemen. Vor allem charakterisierte sie allein durch die Wahl des Namens genau das Niveau und die Zielgruppe ihrer Arbeit. So schätzte sie alle mit Robert Anton und Sebastian, ihren Vorkriegspseudonymen, gezeichneten Werke als besonders wichtig; die mehr oder weniger veränderten „echten“ Namen wie Alice Krausz, Charas und Penkala deuteten ebenfalls auf gute Arbeit. Romane zeichnete sie meist mit Anneliese Meinert. Einige Namenskreationen wurden gezielt für gewisse Medien geschaffen, etwa „Alois Piringer“ für den „Simplicissimus“ und die 15 FÜR VIKTOR MATEJKA zum 90. Geburtstag mit einem Weltall-Bildband Wer immer da mitredet wenn wir mit Worten der Liebe, des Tadels, des Widerstands, aufbauenden Rates das Leben berühren, geheime Verstärkung begleitet uns stets. Nicht nur die Lasten des Werdens, stets neuer und fordernder Zeiten, verwirren und drängen uns vorwärts, auch Schwingungen, Flammen und Strahlen, das Fluten des Weltalls, die Wunder des Logos durchdringen uns tief, und einem, der brennen kann, schenken sie wirkendes Feuer. Eine Faser im Furor, wissend unwissend, verführte verführende Helfer, so kreisen wir, heimlich mitwirkend an Zielen, die niemand noch kennt. Wer wie Du mit der Heiterkeit kühnen Vertrauens der Welt in die Speichen greift, sie vorwärts zu drängen, der wirkt auch belebend ins Unendliche fort. Herta Staub Die Schriftstellerin Herta Staub, geboren 1908 in Wien, war 1945-49, also zur Zeit des Wiener Stadtrates Matejka, im „Amt für Kultur und Volksbildung“ tätig. Sie berichtet darüber in dem Aufsatz „Als Schnee auf den Schreibtischen lag“. (In: Gesicht des Menschen. Eine Festgabe zu Rudolf Felmayers siebzigstem Geburtstag. Hg. von Franz Richter. Wien: Bergland 1968, S.73-78). Herta Staub ist die literarische Nachlaßverwalterin des Schriftstellers und Philosophen Rudolf Kassner und war bis 1974 Geschäftsführerin der Rudolf-Kassner-Gesellschaft. Biicher von Herta Staub: Schaukelpferd (Gedichte), Wien 1933; Flori und die Weltflieger. Roman fiir Kinder, Wien 1934; Blaue Donau ade (Roman), Berlin 1937; Der Feen-Rufer. Neue Gedichte, Wien 1958; Welt als Versuch. Neue Gedichte, Wien 1978.