Das Jahrbuch SAMMLUNG, hieß es im
Editorial zum ersten Band 1978, solle ein
Forum werden zur Analyse und Diskus¬
sion antifaschistischer Literatur und
Kunst. "Antifaschistische Werke aus Lite¬
ratur, Film und Bildender Kunst sollen
hier untersucht und diskutiert werden.
Wir wollen vergessene Beispiele wieder
bekannt machen, bekannte Beispiele
unter neuen Gesichtspunkten analysie¬
ren, aktuelle Entwicklungen der antifa¬
schistischen Literatur und Kunst kom¬
mentierend begleiten, gefährliche Ten¬
denzen profaschistischer oder *hilflos an¬
tifaschistischer’ Werke kritisieren."
Der Name des Jahrbuchs war die
bewußte Anknüpfung an eine bedeuten¬
de historische Traditionslinie. "Die
Sammlung", 1933 bis 1935 von Klaus
Mann im Amsterdamer Querido-Verlag
herausgegeben, gehörte zu den wichtig¬
sten Zeitschriften des Exils und bot eine
publizistische Plattform für die gesamte
antifaschistische Literatur. Das Jahrbuch
SAMMLUNG war ein dezidierter
Versuch, an solche Vorbilder und Erfah¬
rungen zu erinnern, sich auf sie zu besin¬
nen - und zugleich radikal nach den aktu¬
ellen Dimensionen des Themas Antifa¬
schismus zu forschen.
Der Name SAMMLUNG war Pro¬
gramm auch in einem direkten inhaltli¬
chen Sinne: das Jahrbuch hatte sich den
Meinungsstreit zum Ziel gesetzt, ge¬
nauer: eine produktive Auseinanderset¬
zung von Wissenschaftlern, Publizisten
und Künstlern verschiedener Meinung
und Weltanschauung. Antifaschismus
war der erklärte Grundkonsens aller Mit¬
arbeiter; aber welche Künstler, welche
Werke einen wirksamen Beitrag zum An¬
tifaschismus leisteten, welche künstleri¬
schen Formen und Mittel dabei adäquat
waren oder sind - darüber versuchten wir,
einen möglichst offenen Dialog zu füh¬
ren.
Das war kein Lippenbekenntnis. Die
erste Kontroverse gab es bereits um einen
. Beitrag, der als Geleitwort im ersten
Band erscheinen sollte. Martin Walser
schrieb einen kleinen Essay, "Unsere hi¬
storische Schuldigkeit", in dem er provo¬
zierende Positionen vertrat. Den NS-Fa¬
schismus halte er für historisch erledigt
und ungefährlich, erklärte Walser; aber es
gebe faschistische, reaktionäre Potentiale
in vielleicht ganz anderer Kostümierung
als den Braunhemden der Nazis. Dem
Verlag schienen Walsers Ausführungen
nicht geeignet als Geleitwort für SAMM¬
LUNG. Aber:.wir druckten den Beitrag
in Band 1, wenn auch nicht am Anfang des
Buches; wir stellten ihn zur Diskussion,
veröffentlichten dann im zweiten Band
des Jahrbuchs Essays von anderen
Schriftstellern über Walsers Aufsatz.
Nach diesem Prinzip, Kontroversen
auszutragen und zu veröffentlichen,
wurde in SAMMLUNG grundsätzlich
verfahren. Blickt man heute zurück auf
die fünf Bände des Jahrbuchs, so sind die
oft heftig geführten Diskussionen und
Debatten wohl das Spannendste darin.
Bisweilen gelang es, Autoren an einen
Tisch zu bekommen oder zumindest in
einem Buchprojekt zu versammeln, die
anderswo gar nicht in einen Meinungs¬
austausch eingetreten wären.
SAMMLUNG war ein interdisziplinä¬
res Jahrbuch, behandelte Literatur, Film,
Theater, Bildende Kunst. Und es war de¬
zidiert darauf ausgerichtet, historische
und aktuelle Werke antifaschistischer Li¬
teratur und Kunst zu untersuchen, auch
im internationalen Maßstab. Eine Selbst¬
beschränkung etwa auf die Beschäftigung
mit Exilliteratur und -kunst, wie sie in
weiten Teilen der akademischen For¬
schung verbreitet war und ist, verbot sich
daher von selbst. In SAMMLUNG wurde
über Anna Seghers und Lion Feuchtwan¬
ger ebenso geschrieben wie über Wolf¬
gang Koeppen und Peter Weiss, über
George Grosz und Johannes Wüsten
ebenso wie über HAP Grieshaber. Wer
Exilliteratur und -kunst aus dem lebendi¬
gen historischen Zusammenhang reißt, so
lautete eine der Prämissen von SAMM¬
LUNG, schiebt sie ungewollt ab in ein
neues Ghetto. Nicht zuletzt wurden auch
internationale Aspekte, etwa Literatur
und Filme über den aktuellen Faschismus
in Chile, in den Banden des Jahrbuchs
behandelt.
Das Jahrbuch war keine akademische
Zeitschrift. Es bot Platz fiir wissenschaft¬
liche Aufsätze ebenso wie für Glossen
und Rezensionen, für Interviews, Diskus¬
sionsrunden, nicht zuletzt für Unterricht¬
seinheiten. Beginnend mit Band 4 veröf¬
fentlichten wir eine Reihe von Beiträgen,
in denen bekannte Schriftsteller ganz sub¬
jektiv Bücher vorstellten, die ihnen per- ¬
sönlich wichtig geworden waren beim
Herausbilden eines antifaschistischen
Bewußtseins. In dieser Rubrik, "Antifa¬
schistische Lektüren" überschrieben,
lassen sich einige besonders reizvolle au¬
tobiographische Essays entdecken.
Die Resonanz, die SAMMLUNG, bei
Lesern und Mitarbeitern fand, war be¬
achtlich. Der Verlag hat sich dennoch ¬
gegen meinen entschiedenen Widerstand
- 1982 entschlossen, das Jahrbuch nach
fünf Bänden einzustellen. Die Offenheit,
mit der in SAMMLUNG Diskussionen
geführt wurden, auch über Tabu-Themen
der politischen Linken, wurde wohl von
manchen Verantwortlichen als anstößig
empfunden.
Das Forum, das dieses Jahrbuch der
Auseinandersetzung über alle Formen
der künstlerischen Faschismusanalyse
und -bekämpfung bot, wäre heute nicht
weniger aktuell und wünschenswert als
am Beginn der achtziger Jahre.
Jahrbuch tig
antifaschistische
Literatur und Kunst
Herausgegeben von Uwe Naumann
GISELA ELSNER/
UWE M. SCHNEEDE
Kontroverse zur
Grosz-Briefausgabe
BRUNO FREI
Auf dem Rücken
von Heinrich Mann
GEORG LUKACS Ge
Hans Fallada sh VAN RG
(Deutsche Erst- | INGEBOR Jar:
veröffentlichung) a
—
JOACHIM
MINNEMANN
Umfrage unter
chilenischen
Autoren im Exil:
Salvatore Coppola,
Poli Delano, Ariel
Dorfman, Juan E.
Epple, Carlos Lira,
Antonio Skarmeta,
Oscar Waiss
= SKAR
NEUMANN
Wie über den
Faschismus schrei¬
|
THEA Ck re en
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Streitgesprach: | literarischer
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heute Filme gegen | —
den Faschismus? | GERRIT MARSEN
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„Die Ermittlung”
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SUNG Wester au deviation Umeha