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des Gesetzes streng geahndet worden, wiederum im Gegensatz zur BRD und zu Österreich. Natürlich wende ich mich nicht gegen die Volksbewegung für Überwindung einer Verknöcherung und für Demokratisierung der politischen Praxis, die in den letzten Monaten in Ihrem Lande stattgefunden hat. Wenn Sie aber "erst jetzt" sagen, dann müßten Sie gerade erklären, daß erst im Zuge derselben antisemitischen Äußerungen vorgekommen sind. Ich will jedenfalls hoffen, daß alle Bewunderer des Herrn Schönhuber in Ihrem Lande die ganze Strenge des Gesetzes treffen wird. Ich möchte jedoch hinzufügen, - wobei ich neuerlich Ihre gute Absicht hervorheben will -, daß mir die besondere Herausstellung der Judenverfolgung unter den vielen, maßlosen Verbrechen des Nazi-Regimes nicht zusagt. So wie diese ein integrierender Bestandteil jenes verbrecherischen Regimes war, so fühle auch ich mich als ein Teil nicht nur aller Opfer ‚desselben, sondern auch zugehörig zu allen Opfern jedes Rassismus und jeder rassischen, religiösen und nationalen Verfolgung überhaupt. Ich bin Humanist, bin selbst nicht gläubig, habe jedoch tiefen Respekt sowohl vor jüdischer Moral und Kulturtradition, als auch vor jeder Religiosität, Sittlichkeit und kultureller Besonderheit. Mich selbst aber soll man nicht von außen her als etwas Besonderes bezeichnen, während ich längst der jüdischen Religion abgesagt und die zivile, kulturelle und politische Integration vollzogen habe. Ich will kein "jüdischer Mitbürger" sein, sondern ein Mitbürger schlechthin. Ich will, ebenso wie alle andern, vor jeder Diskriminierung und Verfolgung, aus was für Gründen immer, geschützt sein. Durch Erklärungen wie die der Volkskammer fühle ich mich gerade diskriminiert, fühle ich mich zurückgestoßen ins Ghetto. Ich weiß mich mit einer solchen Einstellung in bester Gesellschaft. Ebenso dachten seit Moses Mendelssohn alle deutschen Humanisten . jüdischen Ursprungs: Heinrich Heine, Rosa Luxemburg, Kurt Tucholsky, Arnold Zweig, Albert Einstein, Egon Erwin Kisch, Anna Seghers und viele, viele andere. Daß Sie Israel als Staat, als nationale und politische Realität respektieren, hat mein volles Verständnis. Israel aber um Verzeihung zu bitten, dazu hat die DDR als Staat durchaus keinen Grund. Auch ist Israel nicht zu Recht Vertreter der Juden, sondern nur so weit diese sich zum Zionismus als Ideologie bekennen. Ich selbst fühle mich von Israel durchaus nicht vertreten. Hingegen tritt Israel heute als Verfolger der arabischen Bevölkerung auf, und Verbrechen gegen die Menschlichkeit geschehen dabei tagtäglich; durch nichts gerechtfertigt, und durch die an den Juden in früherer Zeit in Europa verübten Verbrechen am allerwenigsten. Hier dürfte die DDR nur in einer Weise Stellung nehmen, nämlich für das Recht jeder Nation auf ihre staatliche Selbständigkeit, und gegen jede Unterdrükkung und Verfolgung. Im wesentlichen ist dies auch die Stellung der DDR gewesen, und ich finde keinen Grund, jetzt hierin etwas zu ändern. Als langjähriger, aktiver Freund der DDR kenne ich sehr gut die einschlägigen Artikel Ihrer Verfassung: 6.5: Militaristische und revanchistische Propaganda in jeder Form, Kriegshetze und Bekundung von Glaubens-, Rassen- und Völkerhaß werden als Verbrechen geahndet. 20.1: Jeder Bürger der DDR hat unabhängigvon seiner Nationalität, seiner Rasse, seinem weltseiner sozialen Herkunft und Stellung die gleichen Rechte und Pflichten. Gewissens- und Glaubensfreiheit sind gewährleistet. Alle Bürger sind vor dem Gesetz gleich. 39.1: Jeder Bürger der DDR hat das Recht, sich zu einem religiösen Glauben zu bekennen und religiöse Handlungen auszuüben. . Wenn ich Ihnen diesbezüglich, da ja eine Anderung Ihrer Verfassung geplant ist, einen Rat erteilen darf, so ist es dieser: Lassen Sie den von mir zitierten Text so, wie er ist! Und handeln Sie stets nach dem allgemeinen Prinzip, jede Verfolgung aus Gründen der Rasse, des Glaubens und überhaupt der Gesinnung mit aller Kraft des Gesetzes zu hindern. In diesem Sinne garantieren Sie den Juden wie allen andern die Freiheit des Denkens, die Ausübung ihrer Religion und ihrer Sitten. Doch hindern Sie weder durch Handlungen, noch durch proklamierte Prinzipien, - auch wenn diese Respekt vor deren "Eigenart" ausdrücken -, ihre Abkehr von religiöser Besonderheit und die Integration in die deutsche Nation, die in Ihrem Lande die große Mehrheit der dort verbliebenen Juden wünscht bzw. schon längst vollzogen hat. Aus historischer Sicht kann ich Ihnen in Erinnerung rufen, daß es zumal in Deutschland in den letzten Jahrhunderten immer die allerreaktionärsten Kräfte gewesen sind, die, neben direkter Bedrohung und Verfolgung, vor allem die Erhaltung der Absonderung propagierten und jede Integration sowohl mit gesetzlichen als auch mit allen andern Mitteln verhinderten. Die deutschen Duodez-Fürsten verboten z.B. die Abhaltung des jüdischen Gottesdienstes in deutscher Sprache, obgleich damals außer den Rabbinern praktisch kein deutscher Jude mehr Hebräisch verstand. Von da führt eine direkte Linie zu den Nürnberger Rassegesetzen, die bekanntlich vor allem die Absonderung festlegten. Gerade die zionistischen Organisationen blieben danach noch jahrelang erlaubt. Der Grund ist klar: auch der Zionismus erklärt ja, "daß die Juden nicht nach Deutschland gehören". In diesem Sinne war auch Adolf Eichmann konsequent, als er mehrfach seinem Verständnis für die zionistische Idee Ausdruck gab, worauf er sich bei seiner Verteidigung im Prozeß zu Jerusalem ebenfalls wiederholt berief. Alles was ich in diesem Brief ausdrücke und empfehle, ist meines Erachtens im Sinne eineswahrhaften demokratischen Klimas, daß Sie herbeizuführen und zu garantieren versprochen haben. Darum bitte ich Sie auch, diesen Brief einer oder mehreren Zeitungen Ihres Landes zur Veröffentlichung zu übergeben. Ich bin überzeugt, daß viele Menschen, Nichtjuden und Juden, ihre eigene Einstellung darin bestätigt finden werden. Mit vzgl. Hochachtung Dr. Alfredo Bauer Bueonos Aires 13 Brecht, Soyfer und der Stalinismus Antworten Gerhard Scheits Versuch, in Nr. 1/1990 von MdZ eine beim Jura Soyfer-Symposium im Dezember 1989 aufgetretene Kontroverse auf ihren historischen Kern zurückzuführen und für eine emeute Soyfer-Lektüre fruchtbar zumachen, ist aufmerksam gelesen worden. Das belegen die Stellungnahmen Herbert Artls (Sekretär der Jura Soyfer Gesellschaft, Wien) und Harald Heydrichs (Universität Jena). Schließlich geben wir noch einer Replik Scheits auf Heydrich Raum. Anlaß meines Schreibens ist der Artikel von Gerhard Scheit in "Ziehharmonika" 1/%. Sein Verfahren hat mich an einen Abschnitt in Peter Hacks "Ekbal" (In: DieMaßgaben der Kunst, Berlin/DDR 1978) erinnert: "Der Delinquent wurde auf dem Marktplatz an eine Säule gefesselt und mußte mit jedem, der das wollte, seine Sache erörtern. Als seine Gegner wurden aber nicht etwa Leute geschickt, die Bescheid wußten und ihn durch Gründe zu überführen vermochten, sondern vielmehr solche, die gar nichts wußten und sich auch für den Fall nicht interessierten." Der Delinquent war übrigens Mullah (= Heiner Müller), der dieser Strafe nicht ausgesetzt, sondern "in die Nefud-Wüste begnadigt" wurde. Und nicht nur Müller kann angesichts der Tatsache, daß Scheit sein antistalinistisches Engagement mit dem Wörtchen "lauthals" würdigt, und ihn in einem Nebensatz der Verwendung "literarische(r) Formen des Stalinismus" beschuldigt (ohne irgendeinen Anhaltspunkt zu benennen), froh sein, daß eine "babylonische Gesetzgebung" nicht zur Verfügung steht. Und so wird sich denn der Verfasser einige Fragen gefallen lassen müssen: 1.) Warum behauptet er, daß über die Parteimitgliedschaft von Jura Soyfer beim Symposion im Dezember 1989 nur mit Emotion diskutiert worden wäre? Warum schreibt er so darüber, daß der Leser den Eindruck gewinnen kann, daß dieses Thema im Mittelpunkt gestanden hätte? Ist nicht vielmehr wahr, daß zu den individuellen Soyferschen Leistungen in der Kunst, zur Art und Bedeutung der Soyferschen politischen Engagements einhellige Auffassungen vertreten wurden, bis Pfabigan, der sich bekanntermaßen nicht auf den Stand der wissenschaftlichen Diskussion stützen konnte (was auch für den Artikel gilt, den Scheit "hervorragend" findet) und der die am Symposion vorangegangene Diskussion nicht verfolgt hatte, bei Ermangelung von Fakten versuchte, eine entindividualisierende Methode sowohl gegenüber den anwesenden Zeitzeugen als auch gegenüber Jura Soyfer anzuwenden. Der Versuch der Auslöschung der konkreten Biographien, die indirekte und pauschale Fragestellung der Kompetenz der Zeitzeugen für ihre eigene Geschichte waren es, die Emotionen auslösten. Emotionen, die gerade Scheit rechtfertigen müßte, wenn er den Ansatz seines Artikels ernst nimmt. Fortsetzung auf Seite 14