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Alisa Douer Die Zeit gibt die Bilder Im Literaturhaus, 1070 Wien, Zieglerg.26, wird vom 20. Mai bis 31. August 1992 eine Ausstellung der aus Israel stammenden Fotografin Alisa Douer gezeigt — Portratfotos von mehr als 80 AutorInnen, die während der NS-Zeit ins Exil gezwungen wurden und zum größten Teil nicht nach Österreich zurückgekehrt sind. Alisa Douer ist durch die halbe Welt gereist, um sie aufzunehmen. Dazu gibt es ein beachtliches Veranstaltungsprogramm. 21. Mai, 20 Uhr: Diskussion über Literatur von Frauen im Exil mit Helga Embacher, Stella K. Hershan, Evelyne PoltHeinz] u.a. 23. Mai, 18 Uhr 30: Lesung von Jakov Lind und Benno Weiser Varon. 24. Mai, 18 Uhr 30: Lesung von Raoul Ernst Weiss und Meir Marcell Faerber. 25. Mai, 18 Uhr 30: Lesung von Stella Rotenberg und Fritz Beer. 26. Mai, 18 Uhr 30: Lesung von Willy Verkauf-Verlon und Fred Wander. 27. Mai, 20 Uhr: Wo Hierbleiben tödlich sein kann. Szenische Collage über Alma Johanna Koenig. 28. Mai, 18 Uhr 30: Lesung von Peter Heller und Egon Schwarz. 29. Mai, 18 Uhr 30: Lesung von Lore Segal und Alice Schwarz-Gardos. 30. Mai, 20 Uhr: “Schwierige Heimkehr?” AutorInnen-Diskussion mit Nadine Hauer. 31. Mai, 20 Uhr: Lesung von Mimi Grossberg. 5. Juni, 18 Uhr 30: Lesung von Alfred Marnau und Kurt Singer. 22. Juni, 18 Uhr 30: Buchvorstellung von Wolfgang Muchitsch, Lesung von Arthur West und George Clare. 23. Juni, 18 Uhr 30: Lesung von Hilde Zalocser und Gitta Deutsch. 25. Juni, 18 Uhr 30: Lesung von Herbert Kuhner und Frederic Morton. Koordination der Veranstaltungreihe: Ursula Seeber. Aus Platzgründen können wir leider nicht alle Veranstaltungen anführen! standen. In den folgenden neun Monaten schrieb Alma Johanna Koenig nur noch an ihrem großen Roman “Der jugendliche Gott", der gewiß ihr Haupt-Prosawerk geworden ist. Auf dem Bettrand hockend, ein Brettchen auf den Knien - von einem Schreibtisch war ja längst keine Rede mehr — , schrieb sie ihren Bericht tiber die negative Entwicklung Neros: vom vielversprechenden, liebenswerten, aber gefährdeten Knaben bis zum verbrecherischen Despoten, ganz allein auf ihr profundes Wissen über die Antike und besonders über die frühe römische Kaiserzeit gestützt. Von ihrer einstigen großen, sorgfältig zusammengestellten Bibliothek war ihr nichts geblieben. Einzige Unterlage war eine Reclamausgabe der Annalen des Tacitus, die der Freund ihr beschaffen konnte. Sie hatte sich in früheren Jahren bereits mehrmals mit der Gestalt Neros auseinandergesetzt, aber die fertigen Manuskripte dann jedesmal vernichtet, offenbar im Gefühl, noch nicht die nötige Reife und Objektivität erreicht zu haben. Jetzt, in einer Zeit, wo nicht mehr die geringste Hoffnung bestand, jemals noch Leser für ihr Buch zu finden, brachte sie Mut, Kraft und Konzentration auf, das Werk für den einzigen Menschen, der ihr geblieben war, zu schreiben. An Abenden las sie ihm vor, was sie untertags zu Papier gebracht hatte. An Wochenenden ging sie, den Stern sorgfältig mit der Handtasche und dem Manuskript verbergend, in die Wohnung des Freundes und diktierte ihm in die Schreibmaschine, was sie während der Woche in ihrer schwer leserlichen Kurrentschrift geschrieben hatte. Das Manuskript war fertig, aber nur zu zwei Dritteln in Maschinschrift übertragen, als sie verhaftet wurde. Den Rest der Handschrift übergab dem Freund eine junge jüdische Ärztin, die in derselben Wohnung hauste und erst einige Wochen später verschleppt wurde. Von fünf Kopien, die der Freund anfertigte und unter die Bekannten verteilte, auf die er sich verlassen konnte, waren drei Jahre später, bei Kriegsende, nur noch zwei auffindbar, von der Originalhandschrift ist nur ein Teil geblieben. Aber 1947 konnte das Buch erscheinen und hat sich bis auf den heutigen Tag auf dem Büchermarkt gehalten. Soll man - trotz aller trüben Erfahrungen - die Hoffnung aussprechen, daß den Mördern ihre Absicht, nämlich mit dem Leben ihrer Opfer zugleich das Gedächtnis an sie auszulöschen, nicht ganz gelungen ist? Oskar Jan Tauschinski IM SCHATTEN Wie Kellerpflanzen, die lange im Dunkel verblieben, hat meine Seele wachsweiße Triebe getrieben. Da ich im Dunkel verblieb, wie für ewig vergessen, haben Würmer die Kraft meiner Wurzeln zerfressen. Anders hätt ich geblüht in den Frühlingstagen, hätte ein Gärtner mich nur in die Sonne getragen. SPRUCH Meine arme Leier hat nur drei Saiten: Gott, meine Liebe und dich. So gibt die Meise in Frühlingszeiten nur immer drei rufende Töne von sich. Du bist auf Erden mein ganzes Entzücken und wirst mein Fürsprech im Himmel sein. Und weil mich der Liebe Dornen schmücken und weil Du Ihn bittest - wird Gott verzeihn. Aus: Alma Johanna Koenig, Vor dem Spiegel, Graz 1978.