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10 seiner Dichtung “Raacher Silberfeier” schildert Jellinek in elflyrischen Szenen seine und seiner Frau Silberhochzeit so, als wiirden sie in ihrem geliebten Raach am Hochgebirge zur Feier erwartet. Dieses unvergleichliche Heimatbild “Des ’rooming’-Zimmers Wände stürzten ein — Es flutet unser Sommerland herein!” — entsteht 1942 im Anblick des Central Park in New York. Er erinnert sich der Einkehr beim Biirger Jeitler (Besitzer auf der Sonnleithen nennt er den Landwirt) und der Sehnsucht nach dem ungebauten Traumhaus. Der Waldfriedhof, unweit des Bundesheimes gelegen, raunt herein, sich anbietend als letztes Plätzchen der Ruhe: “Bedenket, bedenket es, Wege,/Wo dereinstens Ihr all mündet aus./Es wünschen in meinem Gehege/Die Beiden sich letztlich ein Haus.” Leider erfüllte sich nicht einmal dies. Oskar Jellinek, ein Meister der Novelle, ein Nachkomme unserer großen Erzähler Adalbert Stifter, Ferdinand von Saar und Ludwig Anzensgruber und vorzüglicher Essayist, hat in dem lieblichen Raach gewissermaßen Heimatrecht erlangt. Richard Thieberger sagt: Mit der “Raacher Silberfeier” schließt sich der Kreis der Austriaca, die den Lebensweg des Menschen, des Dichters und des Denkers Oskar Jellinek von der mährischen Heimat über das Wiener jahrzehntelange Heim und diesommerlichen Landschaftswunder der österreichischen Berge und Seen stets begleitet haben, und die in ihm nie stärker nach Ausdruck rangen als in dem Jahrzehnt grausamster Trennung von der Heimat. Walther Jary Die Dokumentation im Bundesheim Raach ist allgemein zugänglich. Es empfiehlt sich nur, sich vorher anzumelden, um ganz sicher zu gehen. Telefon 02662 3315 (Frau Riegler). Walther Jary, geboren 1919 in Wien, war 22 Jahre Bildungs- und Kulturreferent im österreichischen Bundesheer; bekannt als Porträt- und Autographensammler (sein Archiv wird im Wiener Stadt- und Landesarchiv aufbewahrt); zahlreiche Beiträge und Buchbesprechungen in Zeitungen und Zeitschriften; Gestalter von Autorenabenden, u.a. von Vorlesungen der “Raacher Silberfeier” in Raach, Wien, Kirchberg/Ofenbach, Salzburg, Graz, St.Ulrich (Südtirol). staatlichen Rechtsprechung nie gestattet hätten, vermochte er im Rahmen der dichterischen Freiheit zu gestalten. Trotz ihrer realistischen Verankerung sind Jellineks Novellen nicht zeitgebunden und keiner literarischen Mode unterworfen. Gerade darum haben sie Bestand, wie die verschiedenen Neuauflagen —- auch außerhalb des deutschen Sprachgebietes - beweisen. Auswahlbände aus Jellineks Werk sind auch in den Vereinigten Staaten und in der Sowjetunion erschienen. Umso bedauernswerter ist es, daß seine Heimat seiner so wenig gedenkt. Dokumente des Exils Aus Briefen Oskar Jellineks an Richard Thieberger Aus einem Brief aus New York vom 24.10. 1940: .. Des Wirkens in meiner Muttersprache beraubt, komme ich mir vor wie ein zum Tode Verurteilter, begnadigt zum lebenslänglichen Kerker der Übersetzung Aus einem Brief vom 15. März 1941: ... Wenn ich von mir spreche, diesem Pünktchen im schäumenden All, darf ich das freilich nur jenen wenigen Menschen gegenüber tun, die, wie Du, nun einmal ein Sonderinteresse an diesem Pünktchen liebevoll bekundet haben - zu einer Zeit schon, da es freilich noch ein Samenkorn zu sein schien. Dieses Samenkorn friert nun in fremdem Erdreich, gepeinigt von der Frage, ob es jemals noch zur Frucht emporreifen werde. Zwei Wurzeln hat diese Peinigung. Erstens: die Gestalten und Werke, die in mir dämmern, haben ihre Welt drüben, ihre Stimmungszuflüsse sind drüben (abgesehen von dem mächtigen Strom der Erinnerung, auf den ich die Fruchtbarkeitshoffnung meines Herzens setze) und zweitens: ihre Empfangswelt ist weder hüben noch (wenn mir nicht ein Lebenswunder geschieht) auf die Dauer meines voraussichtlichen Daseinsrestes, drüben. ... Aus einem Brief aus Los Angeles, 23.8. 1945 Dr. Oskar Jellinek 1255 North Gardner Str. Los Angeles 46, Cal. Written in German. ... Der Krieg ist nun also zu Ende, was hoffentlich gleichbedeutend sein wird mit dem Beginn des Friedens. Nach dem Ende des “ersten Weltkriegs” glaubte ich, nun beginne das zwanzigste Jahrhundert. Es hat aber bisher noch immer nicht begonnen. Nach den Geistestempeln des gewaltig schöpferischen 18. Jahrhunderts (des siécle d’or, wie es Frau von Stein einmal nennt) und des fortwirkenden und sammelnden 19. Jahrhunderts ist das, was wir der Ziffer nach das 20. bezeichnen, bisher nichts als ein trüber Korridor mit eingeschlagenen Scheiben, durch die der Sturm bläst. Zweifellos wird auch dieser Korridor einmal zu einer Lebenswohnstätte führen. Du wirst sie vielleicht noch erreichen, jedenfalls werden es, so hoffe ich, deine Kinder. Aber meine Generation wird, eingestampft, nichts sein als der Humus, auf dem die neuen Rosengärten des Geistes erblühen werden. ....