OCR
16 Neben der Brotarbeit Tätigkeit als Schauspielerin und Regisseurin im Heinrich-Heine-Club Mexiko. Freundschaft mit Anna Seghers, Egon Erwin Kisch, Bodo Uhse. 1947 Rückkehr nach Deutschland (SBZ). Arbeit am Deutschen Theater und am Theater am Schiffbauerdamm, ab 1954 an der Volksbühne. (Der Vater, Fritz Jacob Spira, wurde 1943 im KZ Ruma bei Rijeka ermordet, die Mutter, Lotte Spira-Andresen, starb im selben Jahr in Berlin vereinsamt. Die Schwester, Camilla Spira, ging 1933 ins Exil und kehrte 1947 nach Deutschland zurück). __ af Otto Tausig als Weißkopf in “Ghetto” von Josua Sobol, Freie Volksbühne Berlin, 1984 Otto Tausig (geb. 1922 in Wien). Kind jüdischer Elten, Vater Sozialdemokrat, Exil in Großbritannien. Zwei Jahre in britischen Internierungslagern (u.a. in Southampton). Schlägt sich in verschiedenen Berufen durch (Gärtnerei, Fabrik). Mitglied der Austrian Youth Players (Theatergruppe von Young Austria); 1945 Rolle des Jonny in der Aufführung von Jura Soyfers „Vineta. Die versunkene Stadt“. 1946 Rückkehr nach Österreich. 1947 Publikation des Jura Soyfer-Auswahlbandes „Vom PaErinnerungen. Steffie Spira, Tochter eines Wiener Schauspielers, berichtet von ihrer Jugend in Berlin, ihren ersten Engagements an den dortigen Bühnen, die bald mit einem Engagement anderer Art verknüpft waren - dem Engagement im Rahmen der Genossenschaft Deutscher Bühnen-Angehöriger. Allein die Beschreibung dieser Tätigkeit wirft bereits ein Licht auf die Härte jener Phase, die man heute oft unter dem Etikett „Theater der zwanziger Jahre“ idealisiert dargestellt findet. Steffie Spira versuchte denn auch, der auf Sensation gerichteten Betriebsamkeit der Theater zu entgehen, indem sie sich der „Truppe 1931“ um Gustav von Wangenheim anschloß. 1933 trieb sie der Faschismus ins Exil: In Frankreich gehört Spira als Schauspieler-Vertreterin der Leitung des Schutzverbands Deutscher Schriftsteller im Exil an, sie spielte in den Uraufführungen von Brechts „Die Gewehre der Frau Carrar“ und „Furcht und Elend des Dritten Reiches“. 1940 im Frauenlager Riencros interniert, erhielten Steffie Spira, ihr Mann und ihr Sohn 1941 ein Einreisevisum für Mexiko. Weniger denn je konnte der Lebensunterhalt hier mit Theaterarbeit bestritten werden. Spira schlägt sich in den verschiedensten Berufen durch, sie arbeitet in einem Blumenladen, als Kindermädchen sowie als Haushaltshilfe. Der Versuch, gemeinsam mit ihrem Mann eine Leihbibliothek für Exilanten aufzubauen, scheitert daran, daß beide in ihrem Engagement nicht allzu sehr auf der Rückgabe der Bücher bestehen. Die Aufführungen im Rahmen des Heinrich-Heine-Clubs, an denen Spira als Schauspielerin und Regisseurin mitwirkt, bleiben weitgehend die einzige Möglichkeit zur Theaterarbeit im mexikanischen Exil. Dies alles berichtet Spira in ihrer Autobiographie gleichsam nebenher, immer bemüht, die gemeinsame Anstrengung der Exilanten in den Vordergrund zu rücken. Steffie Spira ist auch eine der Interviewpartnerinnen, die Beate Lause und Renate Wiens für ihr Buch „Theaterleben. Schauspieler erzählen von Exil und Rückkehr“ befragten. (Von den Herausgeberinnen nach einem Lebens-Motto gefragt, antwortet sie mit dem „Lysistrata“-Zitat: „Und weben der Menschheit einen wärmenden Mantel.“ S.79) Die Form des lebensgeschichtlichen Interviews erweist sich als besonders günstig, ist ihr doch eine gewisse Nähe zur theatralen Gestaltung eigen. Dieses Moment der Theatralität sowie das Vermögen, eine Begebenheit in pointierte Dialogform zu bringen, verleiht den Berichten eine Anschaulichkeit, die die Entbehrungen und Überlebensstrategien im Exil sowie die Enttäuschungen und Zurücksetzungen nach der Rückkehr lebendig werden lassen. Die Herausgeberinnen stellten dem jeweiligen Gespräch eine knappe Information zur Person und zu den Bedingungen, unter denen die Begegnung stattfand, voran. Die Interviewerinnen halten sich dabei sympathisch im Hintergrund, beschränken sich auf einige Fragen, die dem Erzählstrom Impulse verleihen, oder haken bei speziellen Problemen nach. Gelegentlich wird - wie bei Curt Bois - statt des Erzählduktus’ eine Montage von persönlich Erzähltem, Passagen aus den Memoiren und Zeugnissen von Zeitgenossen geliefert. Die Methode der Herausgeberinnen fängt die Besonderheiten der unterschiedlichen Persönlichkeiten ein, sie hat jedoch ihren Mangel in der Beschränkung auf Atmosphärisches, wie sie insbesondere in den Vorbemerkungen und im Nachwort zu Tage tritt. Der Bezug auf einen mittlerweile erreichten Erkenntnisstand über das Theater im Exil hätte hier helfen können, den Zusammenhang zwischen den einzelnen Schicksalen nicht bloß zu beschwören, sondern darzustellen. Die ausgewählten Schauspieler und Schauspielerinnen stammen aus jüdischen Familien, wobei der Bezug zur Kultur und Religion des Judentums unterschiedlich stark ist, sie versuchten auch im Exil- in Großbritannien, Mexiko, den USA, der Sowjetunion — an ihrem Beruf festzuhalten. So sehr ihre jeweiligen politischen Ansichten differieren, bewirkte doch die Erfahrung des Faschismus, daß sie spätestens ab dem Exil ihr Gewerbe als mit der Historie verknüpft ansahen. Ihr Bestreben, vielfach unerfüllte Sehnsucht, ging und geht dahin, mit ihrer Kunst einen Beitrag gegen den Faschismus zu leisten. Einer der lebendigsten Erzähler ist zweifellos Otto Tausig, bei ihm werden selbst die festen Bestandteile jeder Schauspielererinnerung - der schauspielernde Schüler, der vorsprechende Eleve oder der durch Courage erzwungene erste Erfolg - zu pointiert servierten Lebensbildern, in denen persönliche Umstände und Zeitgeschehnisse gleicher