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Austrian Culture Diese neue, von Harry Zohn herausgegebene Buchreihe, soll ein Forum der Erforschung der vielseitigen Beziehungen sein, die die Literatur mit anderen Aspekten der österreichischen Kultur verbinden - mit Philosophie, Musik, Architektur und Theater. „Austria“ schließt hier jene Teile der Donaumonarchie mit ein ein, die eine bemerkenswertes deutschsprachige Literatur hervorgebracht haben. In nächster Zeit werden erscheinen: Katherine Lichliter. A Critical Edition and Translation of Franz Theodor Csokor’s Europäische Trilogie. Fred Sommer (Hg.): Karl Emil Franzos: Kritik und Dichtung. Istvan Varkonyi: Ferenc Molnar an the Austro-Hungarian ,,Fin de Siécle“. Andrew Lamb (Hg.): U-Musik aus Osterreich/Light Music from Austria: Writings and Reminiscenses of Max Schénherr. Margarete Lamb-Faffelberger: Elfriede Jelinek und Valie Export: Rezeption der feministischen Avantgarde Österreichs im deutschsprachigen Feuilleton. Bereits erschienen sind: Irene Jansen: Berthold Viertel. Leben und künstlerische Arbeit im Exil. 243 S. Alfred Farau: Aus dem Tagebuch eines Emigranten und anderes Österreichisches aus Amerika, hg. von Harry Zohn. Anfragen und Manuskripte bitte an: Harry Zohn, Dept. of Germanic and Slavic Languages, Brandeis University, Waltham, MA 02254-9110, USA. Jean Amery Aus Anlaß des 80. Geburtstages von Jean Améry (1912 — 1978) veranstaltet das Jüdische Institut für Erwachsenenbildung in Zusammenarbeit mit dem Kunstverein Wien und dem Kulturreferat der Österreichischen Hochschiilerschaft vom 22.-25. Oktober ein Symposium im Großen Festsaal der Universität Wien (1010 Wien, Dr. Karl LuegerRing 1). Als ReferentInnen sind u.a. Gerhard Amanshauser, Lothar Baier, Ruth Beckermann, Dan Diner, Hermann Langbein, Jakov Lind, Frederic Morton, Robert Schindel, Erika Tunner angekündigt. Austro American Tribune, January 1945, p. 9. Illustration von Josef Scharl, Elisabeth Lanzer = Elisabeth Freundlich. uns beiden gleichzeitig. und setztest dich zu mir. “ an. Grimm’s Maerchen Grimm's “Fairy Tales.” Pantheon Verlag, 1944 Preis $7.50 Der Pantheon Verlag hat sich mit seiner englischen Ausgabe der Grimmschen Märchen ein bleibendes Verdienst erworverstümmelt und ausgewählt, sondern die vollständige Ausgabe, das Standardwerk der Forschung, für jeden Ethnologen und Märchenliteratur. Ein ausgezeichneter Kommentar von Joseph Campbell, der die Geschichte der Märchenforschung, dic Rolle der Brüder Grimm für diese, zusammenfasst und die Themen und Motive der Märchenliteratur kurz analysiert und mit Bibliographie versicht, erhöht den Wert des vorzüglich ausgestatteten Buches um ein beträchtliches. Der Illustrator Joseph Scharl stand vor der schwierigen Aufgabe, die uns vertrauten Typen, den deutschen . Märchenwald in eine andere Sphäre zu transponieren, ohne den Grundcharakter aufzugeben. Er hat dies Problem am erfolgreichsten dort gelöst, wo er sich bewusst an Pennsylvanian-Dutch Stiltypen anlehnt.— Diese rohe Form deutscher Bauernmalerei hat sich in Amerika zu einer ganz speziellen IMigenart entwickelt. In der Anlehnung an diese scheint auch die Farbgebung eine glückliche, während hei anderen seiner Illustrationen die schwarzweiss Zeichnung einheitlicher wirken würde. . Das Buch fand in den amerikanischen Besprechungen im allgemeinen, die ihm gebührende Anerkennung. Einzelne Kritiker allerdings haben sich üssigt gefühlt die Brüder Grimm für die geistigen Urheber des angeblich grausamen deutschen Nationalcharakters zu erklären und ihnen etwa Andci'sen üb teller der wieder seinerseits für den soviel liebenswürdigeren Charakter der Dänen verantwortlich sein soll. Solche Urteile sind schief und gefährlich und beruhen auf einer vollkommenen Unkenntnis der Materie. Im Falle Andersen handelt es sich um ein Werk der Literatur, im Falle Grimm um die Sammlung mündlich überlieferten Volksgutes. Der Glaube wilder Stämme und Völker hat sich auch bei den europäischen Völkern im Volks — aberglauben erhalten, oder hat, nach einer anderen Theorie, die gleichen Themen entwickelt. Das Märchen und Sagengut ist international, bringt die gleichen Motive in 1001 Nacht, in der Gesta Romanorum und in der griechischen Mythologie. Etwas spezifisch deutsches ist in Motiven von Inzest und Kannibalismus nicht gelegen. Die kannibalischen Kultvorstellungen von Piimitiven, finden wir in den Märchen aller Völker, das kann jeder oberflichliche Kenner der Märchenliteratur festellen. Das grosse Verdienst der Brüder Grimm liegt darin, dass sie erkannten wie wichtig für die Erforschung der Geschichte der zivilisierten Menschheit die Kenntnis ihrer Vor- und Frübgeschichte ist . Sie hatten nur cin oberflächliches Wissen der inzwischen weitgehend cerforschten ausser-europälschen Märchenliteratur aber sclhst diese oberflächliche Kenntnis ermöglichte ihnen zu verstehen dass die Monstrositäten etwa der Finnischen und der Indianer Märchen schrittweise abnimmt oder sich zu anderen Formen entwickelt sobald es sich um zivilisiertere Völker handelt. Die. Bedeutung der Grimmschen Märchenforschung ist in der angelsächsischen Weit ziemlich früh erkannt worden; 1884 erschien die englische Übersetzung von Mrs. Hunt in London. (Die Kinder und lIlausmärchen waren 1812 erschienen.) Aus der vorliegenden Ausgabe kann ‚ man Kindern wohl vorlesen, eine Auswahl für Kinder ist sie nicht: es handelt sich um ein Standardwerk der Volksliteratur, das hier den Amerikanern in vorbildlicher Weise zugänglich gemacht wird. Elisabeth Lanzer. ‘DIE HUNDERT HEFTE’ von Josef Luitpold Eigenverlag —Druck Ernst Willard New York 1944 Josef Luitpold setzt nun auch in den Vereinigten Staaten, seinem dritten Emigvationsland, das Unternehmen seine lyrische Produktion in kleinen Heften zu sammeln, fort, notgedrungenermassen, da es ja für einen Dichter kaum eine andere Verlagsmöglichkeit gibt. Die Reste seiner Wiener Gemeinde werden ihm dafür dankbar sein. Wenn man diesem ausserordentlichen Manne, dessen Verdienste für die Volksbildung unvergessen bleiben werden, schon keine Gelegenheit gibt, auch hier fortzubauen und eine Fülle von Anregungen und Erkenntnissen brach liegt, so soll wenigstens die Stimme des Dichters nicht ungehört verhallen. 2 In den zwei Bändchen “Der Sänger von tre; Das F ö h Jahr. Erster Teil” und “Die steinerne Orgel: Das Französische Jahr. Zweiter Teil” sind die bedrückenden Erlebnisse, die dem fr ösi uch im Jahre 1940 vorangingen, eingefangen. Ein lyrisches Tagebuch, sozusagen, liegt vor. Der Dichter sucht — und es ist ihm gelungen — so unmittelbar, wie nur möglich, zu gestalten; das Wort ist auf die möglichste Einfachheit reduziert; das Herzliche, das zum Herzen Gehende, das . ist es, worauf es Luitpold ankommt. Wer von dem alten Parteimanne etwa gereimte Leitartikel erwartete, soll an die Verse erst gar nicht hetangehen. Das Politische schwingt hier höchstens als Unterton mit. Und es ist seltsam zu konstatieren, dass die lyrische Ernte der französischen Leidensjahre auch in den Gedichten von anderen Autoren denselben Willen zur Phrasenlosigkeit, denselben Trieb zum Menschlich-Schlichten zeigt. Es möge hier an Hans Sahls Gedichte oder, unter einem anderen Gesichtswinkel natürlich, an Louis Aragons Werk, das in der Beilage der “Austro Amerlcän Tribune” bereits behandelt wurde, -crinnert werden. * Vielleicht ist das auch damit in Verbindung zu bringen, dass dieser Krieg mit anderen Illusionen auch, die Illusion. der Weltverbesserung durch das rhetorische Pathos weggeblasen hat. :Das scheint clae allgemeine Tendenz zu sein, und ein expressionistischer Schreikrampf begleitet dieses Grauen nicht, noch wird er ihm folgen. In Luitpolds Gedichten kehrt manchmal Lilienerons -knappe, den Eindruck mit wenigen Worten umıeissende Technik wieder. So zum Beispiel hier: “Von Drahtverhau zu Drahtverhau die hundert Schritte, die wir gehn am Abend, wenn die Nebel wehn von Drahtverhau zu Drahtverhau — Gestalten, wir, gespenstergrau, auf zwanzig Schritte nicht zu sehn am Abend, wenn die Nebel wehn von Drahtverhau zu Drahtverhau — das Werk, das Heim, der Sohn, die Frau, sie werden uns nicht wieder sehn ~ so lang, so lang die Nebel wehn von Drahtverhau zu Drahtverhau. ERNST -WALDINGER.