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Und nun will ich Dir ein liebevolles Lebewohl sagen, Theo, mein Freund durch mehr als 65 Jahre. - Mit Theos Tod hat die Gruppe der „Felos“ aufgehört zu bestehen. Jetzt bin nur mehr ich da, die sich noch an alle und die vielen bedeutenden, manchmal dramatischen Lebenswege erinnert. Der Text beruht aufeinem Brief, den Elsa Leichter am 16. Mai 1992 aus New York an „Greta, Dick und die anderen Mitglieder der Waldinger/Salem-Familie“ in Chicago schrieb. Elsa Leichter (geborene Else Schweiger), geb. 1905 in Wien, Sozialarbeiterin und Psychoanalytikerin, war mit dem sozialdemokratischen Publizisten Otto Leichter (1897-1973) verheiratet. Sie lebt in New York. Theodor Waldinger Boston Massachusetts 1944 Aus der unveröffentlichten Autobiographie Auf Anregung der New Yorker Organisation (die die Austro American Tribune herausgab) sollten auch wir in Boston ein Forum schaffen, das den in den USA im Exil lebenden Schriftstellern die Möglichkeit gab, ihre Werke einem verständnisvollen Publikum zu präsentieren. So wurde auf meine Initiative die AustroAmerican Association of Boston gegründet, die heute noch besteht. Zunächst wurde Ernst Waldinger eingeladen, in dem damals von Taylor Stark geleiteten German Department der Harvard University zu lesen. Eingeführt wurde er von Ernest S. Pisko, einem Verleger aus Wiener Tagen, der jetzt Redakteur beim Christian Science Monitor war. Der Vortrag war recht gut besucht, und wie sich denken läßt, überwiegend von Refugees. Das gab uns Mut, weitere bekannte und weniger bekannte Schriftsteller einzuladen. Da die Harvard University uns nur für besondere Anlässe Hörsäle zur Verfügung stellen konnte, wandten wir uns an das International Institute of Boston, das uns seine Räume unentgeltlich für unsere Veranstaltungen überließ. Zuerst luden wir Berthold Viertel ein, der bereitwillig zusagte, ohne Honorar, nur gegen Vergütung der Reisekosten zu kommen. Ich war zu jener Zeit einer der wenigen Autobesitzer und daher beauftragt, Viertel von der Bahn abzuholen. Auf meine telephonische Anfrage, wie ich ihn, der ich ihn persönlich nicht kannte, erkennen sollte, antwortete er: „Wenn Sie einen Narren mit längeren Haaren aus dem Zug steigen schen, bin ich das.“ Tatsächlich erkannte ich ihn dann an seinem energischen Einherschreiten und seinen längeren Haaren. Er äußerte sich ein wenig skeptisch über die zu erwartende Besucherzahl. Obwohl ich ihm versicherte, daß sein Name allein große Anziehungskraft haben müsse und nichts fehlgehen könne, war auch ich ein wenig ängstlich. Wir hatten den großen Saal des International Institute reserviert. Am Abend war der Saal übervoll. Es mußten Notsitze herbeigeschafft werden, und viele Besucher standen noch im Hintergrund. Der Abend war ein Erfolg. Viertel hielt eine hinreißende Rede und las aus den Werken von Karl Kraus. Nach dem Vortrag gingen Claire, Pisko und ich mit Viertel in ein Restaurant und bestellten ihm sein Lieblingsessen, ein gut durchgebratenes Steak, das er redlich mit mir teilte. Steak war für uns ein seltener Luxus. Der nächste Prominente, derzu uns kam, war der große deutsche Erzähler Oskar Maria Graf. Auch ihm brauchten wir nur die Eisenbahnfahrt zu vergüten. Er las aus dem „Bayrischen Dekameron“. Wir verbrachten mit ihm einen Abend beim Bier, dem er reichlich zusprach, und hatten auch ziemlich heftige politische Diskussionen. Er meinte, und vielleicht hatte er nicht so unrecht, Stalin wäre zwar ein guter Gewerkschaftssekretär, aber ungeeignet, einen Staat wie die Sowjetunion zu führen. Bevor er am nächsten Tag in sein geliebtes New York 11 for THE AUTOBIOGRAPHY OF | AUGUSTIN Theo Waldingers Übersetzung von Augustin Souchys „Vorsicht: Anarchist!“ Ein Leben für die Freiheit (Darmstadt und Neuwied 1977), erschienen im FrühJahr 1992 in Chicago. „Jura Soyfer und Theater“ Anläßlich des 80. Geburtstages Jura Soyfers (geboren 8.12. 1912 in Charkow) eröffnet das Österreichische Theatermuseum, 1010 Wien, Lobkowitzplatz 2, am 27. Oktober um 18 Uhr die Ausstellung „Jura Soyfer und Theater“. Zur Eröffnung spricht Bundeskanzler Dr. Franz Vranitzky; Karl Paryla liest Jura Soyfer. (Täglich außer Montag von 10 bis 17 Uhr, bis 9. Dezember 1992). Die von der Jura Soyfer Gesellschaft in Zusammenarbeit mit dem Theatermuseum vorbereitete Ausstellung soll die Rezeption Soyfers durch die Theater und ihr Publikum im Laufe von mehr als 50 Jahren dokumentieren. Dokumentiert - mit bisher unbekannten und unveröffentlichten Materialien — werden nicht nur die Kleinkunst-Aufführungen der der 30er Jahre, sondern ebenso Inszenierungen in der DDR, der BRD, Italien, Frankreich und in den USA. Fortsetzung auf Seite 12