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sondern auch der Werte - stark verloren hat, so steht doch immer noch DAS WORT am Anfang von so manchem, im Guten wie im Bösen. Kaum jemand, der an diesem P.E.N. Kongreß teilgenommen hat, wird sich als Serben-Hasser oder blinder Kroaten-Parteigänger verstanden haben - und falls es eine unterschwellige Absicht der Veranstalter war, die internationalen Gäste mögen schon durch ihre Anweseneheit den Kroaten eine ‚weiße Weste‘ attestieren, so ist diese Rechnung zweifellos nicht aufgegangen. Denn wenn eine Parteinahme erfolgte - dann für die Opfer „ethnischer Säuberungen“ und sinnloser Zerstörungswut, wer immer dafür verantwortlich ist. Vor fünf Jahren hat Viktor E.Frankl in einer vielbeachteten Rede am Wiener Rathausplatz, im Rahmen einer Gedenkveranstaltung an den März 1938, die folgenden Überlegungen angestellt: „Es gibt eigentlich nur zwei Menschenrassen — und das ist die Rasse der anständigen Menschen und die Rasse der unanständigen Menschen. Die Rassentrennung geht quer hindurch durch alle Nationen. Und innerhalb jeder Nation quer hindurch durch alle Parteien und alle Gruppierungen sonstiger Art ... Die Gefahr liegt dort, wo ein Regime, wo ein politisches System die unanständigen Kerle an die Oberfläche schwemmt und dafür sorgt, daß die negative Auslese einer Nation ans Ruder kommt. Das ist die eigentliche Gefahr - aber davor ist keine einzige Nation gefeit. In diesem Sinne wage ich die Behauptung, daß grundsätzlich jede Nation Holocaust-fähig ist!“ Man könnte diese Rede, geringfügig verändert, heute in Hinblick auf das ehemalige Jugoslawien halten, um auch dort der Opfer zu gedenken und die Täter dingfest zu machen. PS. Einige Höhepunkte des Kongresses: — der spontane Applaus der am Hafen versammelten Bewohner von Hvar, als das PE.N.-Schiff anlegt und die Tagungsteilnehmer zusammen mit dem doch noch angereisten Präsidenten des Internationalen P.E.N., György Konrad, an Land kommen; — die Freudenkundgebungen des Personals der bis dahin leerstehenden Hotels in Hvar und Dubrovnik, angesichts der Tatsache, wieder arbeiten zu dürfen; und die sich an den Kongreß knüpfende Hoffnung, daß auch wieder Touristen kommen werden ... — die Worte des Gedenkens für den österreichischen Dichter und Dramatiker Franz Theodor Csokor, gesprochen von Alexander Giese, dem Präsidenten des Österreichischen PE.N.: Csokor hatte beim legendären Dubrovniker Kongreß von 1933 gegen die Bücherverbrennungen durch die Nazis Stellung genommen und war daraufhin in Deutschland mit Aufführungsverbot belegt worden; 1938 ging er - dem Zwang seines Gewissens folgend - in die Emigration, die er zum Teil auch auf der Insel Korcula verbracht hat. Nachzulesen in dem eben neu aufgelegten Band Franz Theodor Csokor: „Auch heute noch nicht an Land. Briefe und Gedichte aus dem Exil“, den der Österreichische PE.N. in Hvar präsentiert hat; — die Ausstellung in Dubrovnik über die Verheerungen, die die Bombardierung durch die Serben vor zwei Jahren angerichtet hat: 2600 Treffer allein auf die Altstadt; - die Antwort eines der kroatischen Veranstalter, als ausländische Kongreßteilnehmer den - angesichts des Flüchtlingselends - übertrieben erscheinenden Aufwand kritisieren: „Nehmen Sie uns nicht auch noch die Würde, Sie bewirten zu dürfen ...“ Adolf Opel, Publizist, Theater- und Filmautor ist als Herausgeber der Schriften von Adolf Loos und der Werke Alexander Sacher-Masochs bekannt geworden. Zuletzt gab er zusammen mit Marino Valdez Else Feldmanns Roman „Der Leib der Mutter“ heraus. Für den Herbst 1993 ist Else Feldmanns Hauptwerk „Löwenzahn“, hg. von Adolf Opel und Marino Valdez, vom Wiener Verlag für Gesellschaftskritik angekündigt. 17 Videoportraits von Adolf Opel Unter dem Reihentitel „Lebendes Wort — bleibendes Werk“ stellt Adolf Opel eine Reihe bedeutender Persönlichkeiten der österreichischen Kultur vor. Der Schriftsteller und Filmemacher Opel hat sich mit ihnen zum Teil über Jahrzehnte auseinandergesetzt, hat ihr Werk und ihr Leben studiert, ehe er mit dem Kamerateam anrückte, um sie zu befragen oder ihren Spuren nachzugehen. Dadurch kommt Opel in seinen Filmen sehr nahe an die wirklichen Probleme seiner Gesprächspartner heran. Filme Opels wurden bei Filmfestivals in Saloniki, Rom, Huesca, Asolo ausgezeichnet. Unter anderen sind Filme über Elisabeth Bergner, Albert Drach, Viktor Frankl, Hans Heinz Hahnl, Otto Habsburg, Carry Hauser, Erika Mitterer, Hans Weigel, Simon Wiesenthal lieferbar. Für den geplanten Film über H.G. Adler „Sich aufrichten im Nebel“, zu dem ein Filmmaterial von großem Seltenheitswert (entstanden 1981 in London) zur Verfügung stehen würde, konnte Opel bisher keine Unterstützung der Filmförderung des Unterrichtsministeriums erlangen. Das Projekt, wurde ihm 1993 mitgeteilt, sei nicht „von überregionalem Interesse oder geeignet, beispielgebend zu wirken“. Die Videofilme sind zum Preis von öS 448,- beim Österreichischen Filmservice, A-1040 Wien, Schaumburgerg.18 beziehbar. In den USA werden sie über die Ariadne Press (Riverside) vetrieben. Anmerkung eines Redakteurs zu dem Artikel von Adolf Opel Das Zitat aus dem Referat von Joseph P. Strelka, das Adolf Opel halbwegs zustimmend kommentiert, folgt der Tendenz, den deutschen Faschismus zu verharmlosen; Miloesevid ist der „neue Hitler“. Ich denke, dieser Tendenz ist — nicht zuletzt angesichts des stets wachsenden Rechtsradikalismus im heutigen Deutschland — mit Bestimmtheit entgegenzutreten. Um die Mörder von heute zu beschuldigen, miissen die der Vergangenheit nicht entlastet werden. Die Gleichsetzung erspart allerdings, in beiden Fallen nach gesellschaftlichen Bedingungen fiir das Morden zu suchen. Gerhard Scheit