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„Profile der Zeit“ von Will Schaber Will Schaber, geboren 1905 in Heilbronn, begann als Journalist für die deutsche sozialdemokratische Presse. 1931 schloß er sich der dissidenten, links von der SPD angesiedelten Sozialistischen Arbeiterpartei Deutschlands an, redigierte deren Zentralorgan in Berlin, wurde im März/April 1933 in München in „Schutzhaft“ genommen, flüchtete nach Estland und fand, an der österreichischen Grenze abgewiesen, im Oktober 1933 in Brünn ein erstes Asyl. Hier wurde er Mitarbeiter des Tagesboten und von Montag Morgen und begründete mit Rolf Reventlow und Richard Teclaw die antifaschistische Presseagentur Press Service. Seine erste Frau, die Schauspielerin und Schriftstellerin Else Rüthel, starb 1938 in Brünn. Im Oktober 1938 flüchtete er mit einem Besuchervisum nach New York weiter, wo er noch heute lebt. Er arbeitete als Korrespondent, leitete eine Abteilung der British Information Services und war von 1965-72 Redakteur des Aufbau. Im Verlag Frederick Ungars gab er die Buchreihe Forum of the Nations heraus. Seit 1942 in zweiter Ehe mit Gerda Maubach verheiratet, ist er seit 1972 als freier Publizist tätig. Neben seiner publizistischen Tätigkeit förderte Schaber die Werke anderer als Herausgeber und publizierte selbst eine Reihe von Büchern. „Weltbürger Bürgen der Welt. Eine kulturkritische Betrachtung“ erschien noch 1938 in Ungars Wiener Saturn-Verlag. 1941 folgte in New York, mit einem Nachwort von Thomas Mann, „Thinker versus Junker“. Den Zeichner Benedikt Fred Dolbin, dem er von seiner Tätigkeit beim „Aufbau“ her verbunden war, widmete Schaber die Schrift „Der Zeichner als Reporter“ (München 1976). Dolbin, 1883 in Wien geboren, wurde übrigens bislang in Wien mit keiner Ausstellung gewürdigt. Es ist hier nicht der Ort, Schabers vielfältigen publizistischen Unternehmen im Detail nachzugehen. Der vorliegende Band bietet dafür ein reiches Anschauungsmaterial und eine anregende Bibliographie. Was Will Schaber immer beschreibt, er vermag eine Atmosphäre zu schaffen, in der man freier zu atmen glaubt und ermutigt ist. Dieser Mensch, 29 ner Presse 1920-1933 - Will Schaber 1979 % bei der Eröffnung der B.E Dolbin-Aus stellung in Heilbronn Emigrant für den größeren Teil seines Lebens, ist viel ungebundener, als wir uns es vorstellen können. Nie beteiligt er sich am unfruchtbaren Kampf um die richtige Besetzung (= Interpretation) eines Zitats, nie am Feilschen um den Gebrauch von Worten; er moralisiert nicht. Aus seiner Ungebundenheit und seiner selbstverständlichen Intellektualität heraus ist er fähig, sich einzulassen: auf das Tun anderer Menschen, die Einrichtungen, die sie sich schaffen, um ihre Sache zu befördern, auf die Zukünfte, die aus ihren Handlungen entstehen. Schaber, der stets ganz konkret bleibt, gelingt es immer wieder, die Intention eines menschlichen Tuns zu erfassen, den möglichen guten Ausgang eines Bemühens aufzuzeigen, ohne dadurch das Bemühen selbst außer Kraft zu setzen. Schabers Welt ist eine Welt tätiger Menschen, aber darum keine Welt abstrakter Arbeitsheroen oder gar des Erfolgs um seiner selbst willen. Der Leser kann seine antiamerikanischen Vorurteile getrost wieder einpacken. Viele Aufsätze Schabers beschäftigen sich mit Fragen der österreichischen Kultur oder mit Schriftstellern und Künstlern, die aus Österreich stammen. So schreibt er über Arnold Höllriegel, Otto Stoessl, Karl Kraus, das DÖW in Wien, Ernst Waldinger (eine Besprechung des von Karl-Markus Gauß herausgegebenen Sammelbandes „Noch vor dem jiingsten Tag“), Josef Wechsberg, Lili Kraus. Uberall ist das Exil gegenwärtig, weniger als Losgerissensein von der Heimat, denn als Perspektive, die kulturelle Zusammenhänge in oft überraschenden Querverbindungen darstellt. Das Nachwort von Manfred Bosch trägt den treffenden Titel „Exil als Weltgewinn“. Ein „Wiedersehen mit der Emigrantenstadt Brünn“ veranlaßt Will Schaber 1990 zu der Frage: „... wie wäre es mit einem Gedenkzeichen für die Emigranten, die ja, allen voran Oskar Maria Graf, zum Ruhme der Stadt beigetragen haben? Vielleicht an der Stelle des früheren DOPZ-Gebäudes?“ In Brünn hat man sich mittlerweile mit Erfolgbemüht, auf die Frage eine Antwort zu geben. K.K. Will Schaber: Profile der Zeit. Begegnungen in sechs Jahrzehnten. Hg. von Manfred Bosch. Mit einem Vorwort von Agathe Kunze und Zeichnungen von B.E Dolbin. Eggingen: Edition Klaus Isele 1992. 352 S.