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Unter den drängenden Bedingungen der Flucht hegt sie berechtigte Zweifel, daß ihr das gelingen wird. Am 2. September 1938 antwortet sie Rudolf Olden: „Ob es mir noch gelingen wird, eine Emigrantengruppe zusammenzubringen, weiß ich nicht. Alle unsere Gedanken sind auf den kleinsten Alltag und die Brotbeschaffung gerichtet — oder die ferne Zukunft.“ Gemeinsam mit ihrer Mutter setzt sie ihren Fluchtweg fort. Über Amsterdam fliegen sie nach England, nach London, wo sie zunächst in der Emigrantenbaracke Ashcroft Court, Room 12, untergebracht werden. Allmählich beginnt sie, sich im Londoner Exil einzurichten, das immerhin — wie sich später herausstellen sollte — bis 1957 währte. Sie beteiligt sich an Hilfsaktionen für noch in der Tschechoslowakei festsitzende Flüchtlinge. So setzt sie sich z. B. für den österreichisch-jüdischen Dramatiker Richard Duschinsky!", einen Jugendfreund aus den 20er Jahren, ein. Duschinsky war als Verfasser der Dramen „Stempelbrüder“, „Franz Josef I“ und „Komparserie“ bekannt geworden. Im Londoner Exil schrieb er weitere Theaterstücke und übersetzte Gerhart Hauptmanns „Michael Kramer“ sowie Bruckners „Kampf mit dem Engel“ ins Englische. Heute lebt er in Los Angeles. In Zusammenarbeit mit Wieland Herzfelde und Paul Frischauer beteiligt sich Ruth Körner an weiteren Rettungsaktionen. Eine dem Brief an Olden vom 25. November 1938 beigefügte Liste nennt neun Personen, die aus Prag gerettet werden konnten. In London besucht Ruth Körner auch Hermynia Zur Mühlen, die wie sie dort im Exil lebt. „In meiner Erinnerung eine ehr- und liebenswürdige Dame, in eher bescheidenen aber nicht schlechten Verhältnissen lebend.“!! In einem bisher unveröffentlichten Vortragsmanuskript wird die journalistische Tätigkeit Ruth Körners folgendermaßen charakterisiert: „In der ersten Hälfte der vierziger Jahre verfaßt Ruth Körner zahlreiche Artikel für das vom Informationsministerium herausgegebene deutschsprachige Exilorgan ‚Die Zeitung‘. Neben der Gestaltung der sogenannten ‚Österreichischen Seite‘ finden sich kultur-, technik-, wirtschafts- und sozialgeschichtlich ausgerichtete Artikel, die kenntnisreich und stets in der gewerkschaftlich-sozialpolitischen Perspektive ‚von unten‘ geschrieben sind. Das Spektrum reicht von länderkundlichen Berichten (über den Irak, Syrien, Rußland, Indien, von Hinweisen für Emigranten auf diverse kulturelle Institutionen in England (über Theater, die englische Kulturbewegung, die National Central Library, über das Housing Centre, das British Film Institute) hin zu kulturgeschichtlichen Bildern (über den Erfinder der Schnellpresse oder über Alltagsprobleme des Londoner Verkehrspersonals) bis eben ab 1944 Kommentare und verstärkt politische Einschätzungen über die outside the new right thrust literature into arms reason when rejected plead please inform yourselves bitte informieren Sie sich the new tone fascist putting it politely Hamburg, October 1992 Willy Verkauf-Verlon Eröffnungsrede zum Berthold Viertel-Symposium Als ich im Exil in Gesprächen mit meinem Freund Kurt Blaukopf die Herausgabe einer periodischen Publikation mit dem Titel „Erbe und Zukunft. Zeitschrift für Literatur, Musik, Geschichte und Philosophie“ plante, trat ich unter anderen auch mit Berthold Viertel in Kontakt und ersuchte ihn um Mitarbeit. Das beabsichtigte Ziel dieser Zeitschrift war, mit allem was im Exil an geistigen und künstlerischen Werten geschaffen wurde, im befreiten und wiedererstandenen Österreich eine Brücke zu schlagen zwischen den ins Exil Vertriebenen und den Verfolgten in der Heimat. Berthold Viertel, wie auch Ernst Waldinger, Franz Theodor Csokor, Theodor Kramer und andere reagierten und sandten mir ihre Beiträge, die ich nach meiner Heimkehr in der ersten Nummer von „Erbe und Zukunft“ im Oktober 1946 veröffentlichte. Fast fünf Jahrzehnte später entdeckte Konstantin Kaiser im Nachlaß von Berthold Viertel die Kopie eines Briefes von Viertel an mich, in dem er zur ersten Nummer der Zeitschrift ausführlich Stellung bezog. Für mich war dieser Brief neu. Sicher waren die damals herrschenden postalischen Verhältnisse Schuld daran, daß mich dieses Schreiben nie erreicht hatte. Wie ich heute weiß, enthält es prinzipielle Aussagen zu Problemen des Schöpferischen, der Kritik und der Kunstauffassung. Ich hätte es mit Sicherheit in einer der Nummern von „Erbe und Zukunft“ veröffentlicht. So konnte ich diesen Bricf, eigentlich ein Fragment, erst 1989 in