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Festschrift für Georg Knepler Der engagierte Hamburger Verleger Rolf von Bockel, in dessen Verlag die mittlerweile auf fünf Bände angewachsene Reihe „Verdrängte Musik — NSverfolge Komponisten und ihre Werke“ erscheint, hat nun auch die Publikation einer dreibändigen (!) Festschrift zum 85. Geburtstag von Georg Knepler ermöglicht. Die mit fast zweijähriger Verspätung erscheinenden Sammelbände reichen thematisch weit über das eigentliche Fachgebiet des Jubilars, die Musikforschung, hinaus und bieten - seinem Lebens- und Wirkungskreis gemäß - nicht wenige Beiträge zum Thema antifaschistische Kultur Osterreichs: erwähnt seien etwa die Aufsätze von Claudia Maurer Zenck über „Ernst Krenek, der Zeitgenosse“, Hartmut Lück über „Arnold Schönbergs ‚Kol nidre‘ - ein Werk des antifaschistischen Widerstands“, Kurt Blaukopf über den „Begriff des Fortschritts in der Musiksoziologie“, Peter Roessler über „Ferdinand Bruckner und die Krise des modernen Dramas“, Wilhelm Svoboda über Rudolf Serkin und Renate Göllner über „Die dritte Vertreibung Hanns Eislers“ . Im Vorwort schreiben die Herausgeber Hanns-Werner Heister, Karin HeisterGrech und Gerhard Scheit: „Die drei Bände (...) sprengen gewiß den Rahmen einer Festschrift; und gerade darin entsprechen sie der Arbeit und dem Leben von Georg Knepler, dem sie gewidmet sind. Die Fülle der Beiträge aus verschiedenen Ländern und verschiedenen Disziplinen von Autoren und Autorinnen oft schr unterschiedlicher Jahrgänge, verweist auf eine über die Grenzen von Fächern, Generationen und Staaten hinauswirkende Tätigkeit, die sich auch nicht scheute, akademischen Boden zu verlassen. (...) Die Einheit ist offen, sie läßt deutliche Unterschiede, ja Gegensätze, durchaus erkennen: sie gehören zur Rezeptionsgeschichte eines bedeutsamen Werks. So ergibt sich ein innerer thematischer Zusammenhang der einzelnen Beiträge mit den weitverzweigten Forschungen Kneplers mitunter durch Übereinstimmungen in der Sache trotz Unterschieden in der Orientierung. Nicht alle, die die Person Kneplers schätzen oder sein Werk auf ihre jeweils Jörg Thunecke Kästner- Übertragungen von Frederick Brainin Etliche Jahre lang vor seinem plötzlichen Tode im Frühjahr 1992 beschäftigte sich der aus Wien stammende, seit 1939 in New York ansässige österreich-jüdische Dichter und Übersetzer Fritz Brainin (*1913) — abgesehen von einem größeren Übersetzungsprojekt die Exil-Lyrik Theodor Kramers betreffend! mit Übertragung der ‚Gebrauchslyrik‘ Erich Kästners (1899-1974), d.h. mit Gedichten, die auch dem Naturell Brainins besonders entsprachen, da dieser sich während seiner poetischen Anfangszeit (Alltag [1929] und Die eherne Lyra [1934]) gleichfalls der Neuen Sachlichkeit verschrieben hatte. Kästner - wie auch Brainin - war in mancher Hinsicht „lyrischer Reporter seines Zeitalters“: Er haßte „die klingende Phrase, die leere Schelle, das Reimgeklingel und [...] teutsche Urworte“, verachtete „undeutliche Gedanken und unsaubere Sprache“ 3 die flache Tiefe vortäuscht, und bediente, sich einer Sprache, die — wie die des späten Brainin — quasi „chemisch gereinigt“ 4 sicher eine Quelle der dichterischen Wahlverwandtschaft war; denn ,,[D]urch geschickte Anordnung, durch klugen Wechsel der Themen und Empfindungen, durch den epischen Zusammenhang, durch die lyrische Aktualitat seiner Zeitstrophen, durch seine selbständige Phantasie und die rhythmische Nüchternheit seines realistischen und superrealistischen Stils und mit seinen originellen Bildern und vernünftigen Visionen [...] erreichte er, daß man seine Gedichtbände [...] fortlaufend lesen kann, als die Autobiographie eines Großstädters“”, wie dies ja auch auf den New Yorker Brainin in ganz extremen Maße zutraf (vgl. insbes. die Abschnitte „Beha, Brooklyn 1947-50er Jahre“ u. „Viena, spanische Bronx“ in Das siebte Wien [1990], S. Ziff. sowie zahlreiche englische, im amerikanischen Exil entstandene Gedichte 9). Ein erstes Beispiel dieser Braininschen Übersetzun ngsarbeit: „Sachliche Romanze/A Cool Romance“ (aus: Lärm im Spiegel [1929]") wurde vom Verfasser bereits vor ca. einem Jahr im Rahmen seines Nachrufes auf Brainin in dieser Zeitschrift vorgestellt; eine weitere Übertragung aus diesem Gedicht-Band Kästners, die Brainin möglicherweise schon vor einiger Zeit zur Veröffentlichung beabsichtigt hatte”, soll hier nunmehr vorgestellt werden. 10 Es handelt sich dabei um die Übertragung des Gedichts „Zeitgenossen, haufenweise“! die Brainin dem Autor als Neujahrsgruß 1989 - „from your old Vienna Kleinkunstbühnler“ - gewidmet hatte!: Zeitgenossen, haufenweise Es ist nicht leicht, sie ohne Haß zu schildern, und ganz unmöglich geht es ohne Hohn. Sie haben Köpfe wie auf Abziehbildern und, wo das Herz sein müßte, Telefon. Sie wissen ganz genau, daß Kreise rund sind und Invalidenbeine nur aus Holz. Sie sprechen fließend, und aus diesem Grunde sind sie Tag und Nacht — auch sonntags - auf sich stolz. In ihren Händen wird aus allem Ware. In ihrer Seele brennt elektrisch Licht. Sie messen auch das Unberechenbare. Was sich nicht zählen läßt, das gibt es nicht! Sie haben am Gehirn enorme Schwielen, fast als benutzten sie es als Gesäß.