OCR
Da wurde Perön durch den Militärputsch im Jahre 1955 gestürzt. Auf eine politische Analyse jenes historischen Geschehen verzichten wir hier und begnügen uns mit einer psychologischen. Obgleich Peröns Regime alles andere als revolutionär war, kam der Haß der Reichen gegen ihn doch nicht ganz von ungefähr. Denn er hatte die einfachen Leute selbstbewußter gemacht, die soziale Ungleichheit galt nun nicht mehr im gleichen Maße als gottgewollt. Gerade das pflegt die Privilegierten kaum weniger zu kratzen als eine Enteignung. Im Chile der Unidad Popular beispielsweise hieß es, die herrschende Klasse verschmerze die Nationalisierung der Kupferminen und die Agrarreform eher als den Umstand, daß auf den exklusiven Stränden von Via del Mar nun auch die Hungerleider badeten. In Argentinien hatte man den Besitz ohnehin nicht angetastet, und die Oligarchie hätte Perön dafür dankbar sein müssen. Doch überwog bei weitem der Groll über den moralischen Afront, über den Umstand, daß den Besitzlosen durch Peröns Reden und Handeln weidlich der Kamm geschwollen war. Also gab es, als Perön ohne viel Gegenwehr stürzte, bei den Reichen und einem bedeutenden Teil des Mittelstandes nicht nur Gefühle des Triumphes, sondern auch einen Ausbruch lange gestauten Hasses. Peröns Bilder und die seiner Frau wurden in euphorisch-vandalischem Taumel zerstört. Vor allem aber richtete sich die Wut gegen die Menschen, die, weil sie Peröns Parolen ernst genommen hatten, gegen die soziale Unterdrückung aufbegehrt hatten. Sie wurden nun geprügelt und gedemütigt, und das um so grausamer, als man ahnte, daß der Weite der Gesichtspunkte, die Rückhaltlosigkeit und Kontinuität des Eintretens für das einmal für richtig Befundene, die Verbundenheit mit einer großen Kultur des Widerstandes und der Menschenliebe, sowie die leidenschaftliche Diskussion über deren Inhalte und Ziele. All dies scheint mir in Alfredo Bauer ausgeprägt und dürfte ihn auch zur Auseinandersetzung mit dem Humanismus Stefan Zweigs getrieben haben. Man kann Bauers Zweig-Roman als einen farbigen Bilderbogen des Exils lesen. Wir sehen Stefan Zweig in der kühlen Arbeitsatmosphäre seiner Londoner Behausung, den sich zu Tode trinkenden Joseph Roth in Paris, den vereinsamten Paul Zech in Buenos Aires, wir erleben Salzburg als Stadt im ‚Umbruch‘, in der die Nazis bereits den Ton angeben, und ein weltfremdes Wien am Vorabend der deutschen Okkupation. Und wir folgen Stefan Zweig auf seinen Wegen: von der grotesken Begegnung mit Ernst Lissauer, dem jüdischen Dichter des Haßgesanges gegen England, über die Landung in der spanischen Hafenstadt Vigo, in der der faschistische Aufstand gegen die Spanische Republik in vollem Gange ist, zum Besuch der Pestalozzi-Schule in Buenos Aires, wo rituelle Formen im Verhältnis von Lehrern und Schülern zurückgedrängt sind und Aufgewecktheit, Neugier, Selbsttätigkeit gefördert werden. Wir erfahren von Friderike Zweigs Kampf um ein Leben ohne Stefan Zweig, von ihren großen Schwierigkeiten, die zum Gefängnis werdende Heimat zu verlassen; von Zweigs Melancholie und Arbeitswut, seiner Gelähmtheit und seiner Faszination durch den ,,Tatmenschen“ Magellan, den ersten Weltumsegler. Schließlich, auf seiner letzten Station, begegnet Zweig im brasilianischen Petropolis der Hausbediensteten Penelope und ihrem dunkelhäutigen Geliebten, dem Kommunisten und Chauffeur Rigoberto Faria. (Sie sind beide in keiner Zweig-Biographie zu finden). In Bauers Roman gelingt es Zweig, den von der Geheimpolizei verhafteten und fast zu Tode gefolterten Rigoberto zu retten und nach Uruguay bringen zu lassen. Alfredo Bauer interessieren die Widersprüche in Stefan Zweigs Persönlichkeit, der private Widerspruch zwischen