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linge in der Schweiz. Die Schweiz macht die Grenzen dicht. Getreu der Tradition von 1938: „Das Boot ist voll.“ Zu Bruno Kreisky kam eine Schweizer Delegation nach Wien. Sie verlangten von ihm, Chilenen aufzunehmen. Eine Delegation der anderen Schweiz: der Gemeinden und Kantone, die dem Bundesrat trotzten und trotz Visumspflicht Flüchtlinge aufnahmen. Ich war selber illegal, weil ich Burschen und Mädchen versteckt hatte, die vor den österreichischen Erziehungsheimen geflohen waren; aber das ist eine andere Geschichte. Deshalb lebte ich im Exil, teils in Frankreich, teils in der Schweiz. Ich wohnte damals am Dachboden einer Schrebergartenhütte in einem Wiener Außenbezirk und leitete von dort aus die Schweizer Delegation. Kreisky sagte zu, Chilenen aufzunehmen. „Aber sie müssen über Schwechat kommen. Und ich muß rechtzeitig vorher den Tag und die Uhrzeit wissen. Nur ich, niemand sonst. Nur dann kann ich versprechen, daß sie hereinkommen.“ Kreisky kannte seine Polizei. Dabei war er seit vier Jahren Bundeskanzler, also - sozusagen - an der Macht. Flughafen-Sozialdienst Ich überspringe viele Jahre. 1989 verhinderten wir eine Nacht-und Nebel-Aktion. Kurdische Flüchtlinge und Auswanderer sollten in türkischen Flugzeugen zurückgeschoben werden; zu Ostern, wenn niemand da ist, unter Ausschluß der Öffentlichkeit. Wir mobilisierten die Medien. Sechs Wochen saßen wir am Flughafen mit unserem Klapptisch, mit den Familien der Flüchtlinge. Wir drohten mit Hungerstreik. Dann versprach Innenminister Franz Löschnak, erst seit ein paar Wochen im Amt: Der Flughafen-Sozialdienst erhält Zutritt zum Transitraum. Es war die erste Bresche, die wir in die Mauer der Festung Europa schlugen. Viele hundert Menschen gingen durch diese Bresche; um jeden einzelnen mußten wir kämpfen. Babak Babak ist ein Flüchtling aus dem Iran. Er war der erste, für den ich mich besonders einsetzte, gerade weil er kein „hochpolitischer Fall“ war, sondern ein „ganz normaler Mensch“, der mit der herrschenden „Ordnung“ in Konflikt geraten war. Seine beiden Cousins waren „Mujaheddin“; sie hatten gegen das Khomeiny-Regime gekämpft und mußten nach Norwegen fliehen. Babak bewunderte sie; er wollte so sein wie sie. Aber er hatte nicht den Mut dazu. Im Krieg gegen den Irak mußte er an die Front. Wenn er auf Patrouille ging, nahm er keine Munition mit. Er wollte nicht auf Menschen schießen. Später ging er mit seiner Freundin auf eine Bergtour, ohne daß sie miteinander verheiratet waren - streng verboten nach dem islamischen Gesetz. Sie wurden von einer Streife erwischt und zu je 80 Peitschenhieben verurteilt, auf Bewährung. Sie wurde dann „brav“ und trennte sich von ihm. Er spielte zwei Freunden im Auto eine Tonbandkassette vor: Khomeiny, nach der Machtergreifung, auf dem Friedhof von Teheran: „Der Schah hat das Land zum Friedhof gemacht; ich bringe euch den Frieden ...“ Seit Beginn des Krieges gegen den Irak waren diese Kassetten verboten. Die Mujaheddin verbreiteten sie, um die Heuchelei des Regimes zu zeigen. Während Babak den Freunden im Auto die Kassette vorspielte, Yaffa Zins Was geschrieben ist, können sie nicht ausstoßen Was geschrieben ist, können sie nicht ausstoßen. Wie aus einem Vulkan. O, können sie nicht das Massiv ausstoßen, im Angesicht mir wie ewig gefrorene Lava! Von Stunde zu Stunde unser Schicksal wächst schweigend... Einmal geschrieben das Wort wie kann es ausgetrieben werden ins Exil sogar im Geschrei verbannter Seelen? Und was du weißt (vielleicht sogar bevor du erkanntest und sahst SEIN WORT!) Erdbeben können nicht vertilgen. Brennende Babies Ferne Glocken jammernd Im Walde der Wind schürt die feurige Wut Zwischen den Bäumen Vogelkinder wenden sich zu einander, ihre Flügel versengt Der Wald schreit auf, das Harz tropft von brennenden Baumstämmen... Und in meinem Blut sieben Mal noch lauter echoen jammernde Glocken Nach dem Hebräischen von Fritz Brainin Yaffa Zins, geboren in Kuty, Polen, lebt seit 1948 in Bat Yam, Israel, arbeitet u.a. als Poetik-Lehrerin an höheren Schulen. Verheiratet, zwei Söhne. Schreibt in hebräischer Sprache. Mitglied des israelischen PEN-Zentrums und des Vorstands der Hebrew Writers Association in Israel. „Als Überlebende des Holocaust wurde ich Zeugin dessen, was der Mensch dem Menschen antun kann. Das spiegelt sich in meinen Gedichten wider. Meine Gedichte helfen mir, das ‚andere Licht‘ im dunklen Tunnel der Schöpfung zu finden.“ Bücher: Edei Eshed (Fallender Nebel), Perach Habaselet (Blumen auf Basalt), Besod Hazerufim (Im Geheimnis der Schépfung), Or Acher (Anderes Licht), Aquarelle Tahor (Reines Aquarell), By the River of Cheremosh.