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4. September, in laufender Berufungsfrist, war Herr G. ins Flugzeug nach Istanbul gesetzt und dort sofort verhaftet worden. Sein weiteres Schicksal ist unbekannt. Jafazadeh J., Flüchtling aus dem Iran. Abgeschoben am 6. Februar 1993, direkt nach Teheran. Er sitzt seitdem, nach Auskunft der Eltern, im berüchtigten Foltergefängnis Evin. Zwei Fälle von vielen. Die Namenlosen So viele kommen zu uns in die Beratungsstellen, und wir können nicht helfen. Es geht nicht mehr. Kriegs- und Hungerflüchtlinge aus Afrika. Bereits abgelehnt in zweiter Instanz, chancenlos. Auf der Straße, in Notquarieren. Illegal. Unzählige andere bekommen wir gar nicht zu Gesicht. Sie werden schon an der Grenze abgefangen. Oder auf dem Asylamt verhaftet. Verschleppt. Die „Illegalen“ vegetieren dahin, schlafen auf Bahnhofstoiletten, in Abbruchhäusern, ohne die geringste Chance. Je mehr sie sind, desto geringer ist die statistische Wahrscheinlichkeit, daß man sie einfängt. Weil unsere Polizei nur stichprobenweise kontrolliert. Aber diese Rechnung geht nur für kurze Zeit auf. Morgen kommt vielleicht ein Befehl zum Großeinsatz. Und zur Massendeportation. Es muß anders werden Es ist jetzt ein Jahr nach dem „Lichtermeer“, mit dem das ‚andere Österreich‘ gegen das „Ausländer-Volksbegehren“ der Freiheitlichen Partei Österreichs protestierte. Es ist uns gelungen, den Einfluß Jörg Haiders einzudämmen, für den Augenblick. Der Briefbomben-Terror der Nazis richtete sich ausdrücklich gegen „Ausländerfreunde“. Diese kleinen Nazis, die sich auf den Grafen Starhemberg, der 1683 die Verteidigung Wiens bei der zweiten Türkenbelagerung leitete, beziehen, geben vor, die „Festung Europa“ auf ihre Weise gegen „Ausländer“ zu verteidigen. Auch durch die polizeistaatliche Handhabung der Ausländergesetzgebung, durch die Entrechtung und Demütigung von Menschen, die in Österreich Zuflucht und Arbeit suchen, wurden sie zu ihren Taten ermuntert. Große Teile der österreichischen Bevölkerung sind „Fremde“ (im Sinne des Fremdengesetzes). Sie müssen gleiche Rechte erhalten wie Staatsbürger Recht auf Aufenthalt, Arbeit, das Wahlrecht. Das ist eine Frage der Menschenrechte, eine Frage der Demokratie, in der es für uns keinen Kompromiß gibt. Konstantin Kaiser Ins Gemütliche gesprochen Ins Gemütliche gesprochen war Alois Brandstetters „Kleine Menschenkunde“ aus dem Jahre 1987, erschienen im Residenz Verlag, Salzburg: HeiterBesinnliches aus eigener und fremder Erfahrung, untermischt mit der Ranküne eines Autors, über den der Zeitgeist nie so recht kommen wollte. So würgt Brandstetter etliche Seiten an der Erfahrung, daß er bei einer Lesung in Bozen weniger Zuhörer vorfand als vor ihm Erich Fried. Es muß einen Autor vom Schlage Brandstetter, der seinem Publikum etwas zum besten gibt, gekränkt 11 Stefan Keller: Grüningers Fall. Geschichten von Flucht und Hilfe. Zürich: Rotpunktverlag 1993. 256 S., 6S 234,Der Fall Fussenegger Jenseits der Grenze obsiegte die Bewegung, die sich die Wiederaufrichtung Deutschlands auf die Fahne geschrieben hatte. Und sogleich ging durch alle deutschen Lander eine gewaltige Erschiitterung, welche die Gemiiter aufwiihlte, die Gleichgiiltigen auflauschen, die Mutlosen Hoffnung schöpfen und die Vertrauenden in stolzer Freude erglühen ließ. ... Man fing an von einer Neuordnung zu reden , die man nun auch hier im Österreichischen einzuführen gedächte. Doch diese Neuordnung war in Wahrheit nur eine Widerordnung gegen das Reich. Alle, welche der deutschen Sache abspenstig waren, wurden heimlich und offen begünstigt, die anderen verfolgt und Feinde des Vaterlandes geheißen. (Gertrud Fussenegger: Das Ehrenwort. Hausbuch der Deutschen Jugend. Unter Mitarbeit von Agnes Miegel, Josef Weinheber und Bruno Brehm hg. von Friedrich Velmede. Berlin 0.J. S. 157f.) Der Anschluß erschien uns wie ein Pfingstwunder. (Dies.: Ein Spiegelbild mit Feuersäule. Lebensbericht. S. 318) 1993 erhielt Gertrud Fussengger gleich zwei Preise: den Jean-Paul-Preis des