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24 40er Jahren; mitunter wurde aber daraus eine Verbreitung der deutschen Kultur durch die Hitler-Flüchtlinge im Gastland, eine Absurdität angesichts eines Deutschen Reiches, das zum Zentrum nicht der Kultur, sondern der Bestialität geworden war. Leider wurde der Aspekt der nationalsozialistischen Einflußnahme auf die deutsche Kolonie in Mexiko und der Kampf der Emigrantenorganisationen gegen diesen Einfluß ebensowenig zur Debatte gestellt, wie der Zusammenhang mit anderen Exilgruppen, so z.B. mit den über 40.000 aus Spanien nach Mexiko geflüchteten Republikanern. (Es ist das eine alte nationalistische Krankheit der Exilforschung). Auch den Differenzierungen zwischen österreichischen und deutschen Flüchtlingen (die im Mexiko ja ihren organisatorischen Ausdruck fanden) wurde nicht nachgegangen. Bekannte Experten auf dem Gebiet der Erforschung des Exils waren neben Stipendiaten des Goethe-Instituts zu hören. Der mittlerweile verstorbene Walter Janka und seine Frauen waren da, auch Lenka Reiner, die Witwe des Schriftstellers Theodor Balk. Die Veranstalter pflegen offenbar einen guten Kontakt zu den Exilierten und ihren Nachkommen, soweit sie noch in Mexiko leben. Etliche von ihnen haben am Symposium teilgenommen, und parallel zum Symposium bemühte man sich, durch Interviews weiteres Material, solange es noch möglich ist, zusammenzutragen. Von den vorgesehenen Vortragenden aus Österreich hatten Gerhard Drekonja und Gerhard Scheit leider absagen müssen; Christian Kloyber sprach über Wolfgang Paalen, Raimund Kremlicka über Marie Langer, Konstantin Kaiser über Leo Katz. Cum grano salis ist auch Friedrich Katz, der als Historiker der mexikanischen Revolution in Mexiko hohes Ansehen, ja Ruhm genießt, zu den Österreichern zu zählen. Katz sprach über seine Jugend in Mexiko. Eine Schlußfolgerung: Die Exilbedingungen und kulturellen Gegebenheiten in Mexiko waren sehr verschieden von denen in den übrigen lateinamerikanischen Ländern. Es wäre gewiß interessant, in naher Zukunft eine Exilkonferenz in Buenos Aires oder Montevideo zu initiieren. K.K. Eva-Maria Siegel Der Titel dieses Beitrags rekuriert auf eine Formulierung in „verbrannt - verboten - vergessen“, die besagt, daß das dritte und letzte Exil der Autorin noch immer andauert, da ihre Werke vielfach nur in der ehemaligen DDR neu aufgelegt worden waren. Ich werde zunächst einen kurzen Rückblick auf ihre Arbeiten in der Weimarer Republik geben und einige biographische Fakten benennen, die das erste und zweite Exil betreffen. Bei der Rekonstruktion der Biographie werde ich es jedoch nicht belassen‘, sondern ich möchte vor allem einige Fragestellungen aufwerfen, die sich besonders auf die Problematik der Darstellung des Nationalsozialismus im Exil, also gewissermaßen auf die ‚AuBenperspektive‘ der Emigrantinnen und Emigranten beziehen. Im Anschluß werde ich noch einmal auf biographische Fragen zurückkommen. I. Maria Leitner ist am 19. Januar 1892 in VaraZdin im heutigen Kroatien geboren worden. Sie wuchs als Tochter eines jüdischen Bauunternehmers in Budapest auf und studierte zeitweise in der Schweiz. In der Familie wurde deutsch gesprochen. Ihre journalistische Laufbahn trat sie bereits 1913 bei der ungarischen Boulevardzeitung „Az Est“ („Der Abend“) an. 1919 war sie Mitglied der Kommunistischen Partei Ungarns geworden und emigrierte nach dem Sturz der Räterepublik nach Wien und Berlin. Auf einem Foto in Willi Münzenbergs autobiographischen Aufzeichnungen „Die dritte Front“ ist sie als Jugenddelegierte des 2. Kongresses der Kommunistischen Internationale in Moskau 1920 zu erkennen. Einer ihrer Briider, Janos Lekai — oder Johannes Leitner respektive John Lassen gehörte zu den Gründungsmitgliedern der Kommunistischen Jugendinternationale, in deren Berliner Verlagsniederlassung sie zunächst auch ab 1921 als Übersetzerin arbeitete - im sogenannten ‚englischen Büro‘. Am 16. Oktober 1918 hatte Lekai als Mitglied einer intellektuellen Gruppe revolutionärer Sozialisten ein aufsehenerregendes Attentat auf den Ministerpräsidenten der ungarischen Kriegsregierung Istvän von Tisza verübt — das war wohl letztlich der Anlaß für die sofortige Flucht der Geschwister nach dem Sturz der Räterepublik gewesen. Zwischen 1925 und 1928 unternahm Maria Leitner mehrere Reisen nach Nordamerika und zwar im Auftrage des Ullstein-Verlages, der in seinem Magazin „UHU“ 1925 beispielsweise vermeldete, er habe die junge Autorin „nach Amerika geschickt, die dortigen Erwerbsmöglichkeiten [...] durch das Opfer persönlicher Dienststellung zu studieren“. Nun, diese absolvierte jenes ‚Studium‘ in etwa 80 verschiedenen Anstellungen von New York bis Florida, unter anderem als ‚Cleaner‘ (als Scheuerfrau), als Tellerwäscherin, Zofe oder Hotelangestellte. 1930 bereiste sie auBerdem Venezuela, FranzösischGuyana und die Karibik. Literarische Früchte dieser Reisen waren neben den zahlreichen Reportagen und Reiseberichten - zunächst vor allem für Ullstein, später dann für die Blätter des Münzenberg-Imperiums — der Reportageband „Eine Frau reist durch die Welt“ und der Reportageroman „Hotel Amerika“. Der Roman erschien 1930 mit einem sehr schönen Schutzumschlag von John Heartfield im Neuen Deutschen Verlag, dessen propagandistischer Leiter ebenfalls Münzenberg war. Auf dem Titelblatt der 2. Ausgabe von 1932 fehlt übrigens der Hinweis ‚Reportageroman‘, wohl ein Reflex auf die inzwischen einsetzende, von Georg Lukäcs ausgelöste Kontroverse um die Berechtigung dokumentarischer Gestaltungsformen als Mittel zur literarischen ‚Widerspiegelung‘ der Realität. Der Titel von „Hotel Amerika“ scheint programmatisch auf Vicky Baums sehr erfolgreichen ‚Kolportageroman mit Hintergründen‘ „Menschen im Hotel“ zu verweisen und sich so zwanglos in die epigonale Welle der ,Hotelromane‘ gegen Ende der zwanziger Jahre einzu