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12 Friedrich Achbergers „Kommentar zu einer Epoche“ Friedrich Achbergers großangelegtes Projekt „Österreichische Literatur 1918 — 1938. Kommentar zu einer Epoche“ ist leider Fragment geblieben: Achberger, 1948 in Graz geboren, kam 1984 bei einem Autounfall in Minnesota ums Leben. Aber etliche seiner Einzelstudien, die zu Eckpfeilern dieses Kommentars ausgebaut oder in ihn eingefügt werden sollten, sind so weit in sich abgeschlossen, daß ihre Veröffentlichung ohne weiteres zu verantworten, mehr noch: unbedingt zu fördern war. Gerhard Scheit hat sich mit der ihm eigenen Sorgfalt dieser Aufgabe angenommen und er hat somit jetzt eine Arbeit zugänglich gemacht, die noch lange zitiert werden dürfte, wo immer von der Literatur der Ersten Republik die Rede ist. Denn Achbergers Essays folgen einem sozialgeschichtlichen Ansatz, der sich nicht damit begnügt, die Rahmenbedingungen des literarischen Lebens: gesellschaftliche und politische Entwicklungen, historische Reminiszenzen und Zukunftserwartungen aufzuzeichnen. Die Literatur steht vielmehr immer im Mittelpunkt, auch wenn sie nicht als autonome Erscheinung betrachtet wird, und so werden denn auch die Autoren keineswegs in erster Linie als Parteigänger vorgestellt, sondern als Zeugen der Epoche, und ihre Werke werden als Zeugnisse interpretiert, die das Bild der Geschichtsschreibung, statt es lediglich auszumalen, auch ergänzen, berichtigen, erläutern. Der „Kommentar“ sollte darüber hinaus wohl auch die Literaturwissenschaft provozieren, und zwar gleich in dreifacher Hinsicht: zum einen, das literarische Getriebe der Ersten Republik nicht nur vom Ende der Monarchie her zu sehen, sondern ebenso, mehr noch unter dem Vorzeichen seines eigenen Endpunkts 1938; zum andern, neben den Berühmten auch die Obskuren zu studieren, weil doch in deren Werken verbreitete Geisteshaltungen oder Verdrängungsmechanismen oft unverhüllt auftauNachkriegszeit festgeschriebenen Werturteile und deren Grundlagen neu zu überdenken. In den letzten zehn Jahren hat die österreichische Germanistik alle diese ’Provokationen’ bereits aufgenommen, erledigt sind sie gleichwohl noch immer nicht. Am wenigsten in einer Phase, in der Lektüren wieder hoffähig werden, die ungeniert den Erika Achberger Ein paar Worte über Friedrich Achberger Am 8. Juni 1994 präsentierte der Verein zur Förderung und Erforschung der antifaschistischen Literatur im Literaturhaus Wien den von Gerhard Scheit herausgegebenen Essay-Band Friedrich Achbergers ,,Fluchtpunkt 1938. Essays zur österreichischen Literatur 1918 — 1938", erschienen in der Reihe ,,Antifaschistische Literatur und Exilliteratur — Studien und Texte“ des Verlags fiir Gesellschaftskritik Wien. (Vgl. dazu auch die kurze Biobibliographie in MaZ Nr. 1/1991, S. 18, und Gerhard Scheits Aufsatz über F. Achberger in MdZ Nr.4/1991, S. 6-11). Nach Erika Achberger, der Schwester des zu früh verstorbenen österreichischen Literaturwissenschaftlers, sprachen Wendelin Schmidt-Dengler und Gerhard Scheit. Daß die nachgelassenen Arbeiten meines Bruders Friedrich Achberger jetzt im Druck erschienen sind, ist eine große Freude für unsere Familie. Mein herzlicher Dank geht an Dr. Gerhard Scheit für seine sorgfältige editorische Arbeit, sowie an Prof. Wendelin Schmidt-Dengler für das Vorwort. Der Plan des Buches ist in jahrelanger Auseinandersetzung mit der österreichischen Literatur der Zwischenkriegszeit entstanden; diese war auch Gegenstand von Friedrich Achbergers Dissertation am germanistischen Institut der Universität von Wisconsin in Madison und später Inhalt seiner Lehrtätigkeit an der Universität von Minnesota in Minneapolis. Der Band „‚Österreichische T.iteratur 1918 — 1938. Kommentar zu einer Epoche“ sollte im Winkler-Verlag, München, herauskommen. Während eines Österreich-Urlaubs Friedls und seiner Familie im August 1983 trafen wir uns zu einem kleinen Familienfest in unserem Heimatort Gröbming. Von dort fuhr Friedl mit seiner Frau Karen nach München, um den Vertrag bei Winkler zu unterschreiben. Glücklich über diesen ersten großen Schritt kam er abends zurück; jedem brachte er ein kleines Geschenk mit, mir ‚Die Orgel aus Staub“, Gedichte von Theodor Kramer. Ein Jahr später, im September 1984, kam er bei einem Autounfall auf dem Weg von Minneapolis, seinem Wirkort, nach Northfield, seinem Wohnort, ums Leben. Weihnachten 1984 war ich bei Friedls Familie in Northfield und nahm mit Zustimmung Karens alles an Manuskripten mit, was ich in seinem Schreibtisch finden konnte; im wesentlichen die Teile, die bereits bei Winkler vorlagen und die nun hier in diesem Buch versammelt sind. Es dauerte viele Monate, bis Karen sich von ihren schweren Verletzungen erholt hatte und allmählich ihre eigenen Arbeiten wieder aufnehmen und sich auch um die Publikation von Friedis Texten kümmern konnte. Wir hatten beide die Hoffnung, daß Winkler die Sache weiterführen werde, und brachten sie abwechselnd immer wieder dort in Erinnerung. Die Reihe, in der das geplante Werk erscheinen sollte, hat Winkler aber aufgegeben; leider hatte man uns darüber zu lange im unklaren gelassen. Als „Faden zur Heimat“ (ich lebe seit Jahrzehnten in Heidelberg) halte ich wegen der Literatur-Beilage die Wochenend-Ausgabe der Wiener Presse. Darin fand ich eines Tages einen kleinen Beitrag von Konstantin Kaiser über Carl von Ossietzky. Weil die Presse die gute Gewohnheit hat, ihre Autoren mit ein paar Sätzen vorzustellen, erfuhr ich von der Theodor Kramer Gesellschaft. Bald war der Kontakt geknüpft, und es erschien Friedrich Achbergers Arbeit „Theodor Kramer — Josef Weinheber: Antipoden der österreichischen Literatur“ in MdZ, der Zeitschrift der Theodor Kramer Gesellschaft, im März 1991. Das Interesse an den Arbeiten war geweckt, ich schickte alle vorhandenen Manuskripte an Dr. Kaiser, der Dr. Gerhard Scheit gewinnen konnte, sich ausführlich damit zu beschäftigen. Daraus resultierte zunächst auf dem Symposium der Theodor Kramer Gesellschaft „Literatur, Exil, Widerstand“ im Oktober 1991 der Vortrag Gerhard Scheits ‚Die Stimme der Literatur. Nachforschungen über den Grazer Germanisten Friedrich Achberger“ , nachzulesen in MdZ, Dezember 1991.