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nahme an der Filmpremiere — noch aus einem anderen Grund: Sie hatte sich ein persönliches Gespräch mit dem damaligen österreichischen Bundeskanzler Dr. Bruno Kreisky gewünscht; Kreisky und Sadat waren die einzigen zeitgenössischen Politiker, denen sie zutraute, etwas Positives in dieser Welt bewirken zu können. Dieses Gespräch fand kurz vor der Vorführung des Eröffnungsfilms statt —- und es hat nicht viel Zeit in Anspruch genommen, denn die Bergner erschien noch rechtzeitig: atemlos, verärgert, enttäuscht. Vermutlich hatte die große Schauspielerin insgeheim auch damit gerechnet, von höch offizieller Seite zur Rückkehr in ihre Heimat eingeladen zu werden, mit allen Ehren, versteht sich; sie hatte existentielle Fragen der jüdischen Emigration mit dem Staatsmann besprechen wollen — und bald einsehen müssen, daß sie bei ihm an der falschen Adresse war... Auch Matejka hörte sich ihren Bericht kopfschüttelnd an, sonst blieb ja nicht viel dazu zu sagen — umso weniger, als die Berger plötzlich keine Lust mehr hatte, sich ihre alten Filme anzuschauen und die Veranstaltung abrupt verließ. Einige Monate später schrieb mir Viktor Matejka: ... zuletzt sahen wir uns bei der Elisabeth Bergner-Woche, und nun ist es sicherlich an der Zeit, daß wir einen gehäuften Fragenberg gründlich besprechen ... Für die Bergner habe ich mich bemüht, daß die Stadt Wien sie mit einer der zwei höchsten Ehrungen auszeichnet, entweder Ehrenbürger oder Bürger ehrenhalber. Es wurde mir abgewinkt, denn die Stadt Wien hätte ohnehin schon allerhand für die Bergner gemacht. Ich bin nach wie vor anderer Meinung ... Zu dem „‚gehäuften Fragenberg“ gehörte dann auch meine Beschäftigung mit der Herausgabe der Schriften von Adolf Loos, für den sich Matejka stets leidenschaftlich eingesetzt hatte und den er für eine der wichtigsten Persönlichkeit dieses Jahrhunderts hielt. Als die Presse eine Ankündigung des Prachner Verlags für die beiden Loos-Bände „Ins Leere gesprochen“ und ,,Trotzdem“ brachte, schrieb mir Matejka: Ich habe gelesen, daß die Loos-Schriften von Ihnen neu herausgegeben werden. Wie weit ist das gediehen? Ich habe wiederholt im Lauf’ von über zehn Jahren bei Dr. Glück direkt und indirekt interveniert, daß er die vielen Manuskripte, die er hat, der Öffentlichkeit zur Verfügung stellt. Ich habe auch in diesem Sinn den PEN-Klub und andere Institutionen mobilisiert, aber Glück hat alles abgelehnt ... Es ging hier um den schriftlichen Loos-Nachlaß, der — auf bis heute noch nicht aufgeklärte Weise — bereits in den Dreißigerjahren in den Besitz des nachmaligen Direktors des Historischen Museums der Stadt Wien gelangt war; angeblich hätte Glück damals einen Band mit noch unveröffentlichten Loos-Schriften herausbringen sollen, der aber nie erschienen ist — anderseits war aber Glück bis an sein Lebensende nie dazu zu bewegen gewesen, die Manuskripte, Briefe etc. aus dem Loos-Nachlaß wieder zurückzugeben... Auch das berühmte, von Loos selbst entworfene Plakat zu seinem Vortrag über das Haus am Michaelerplatz war bei Dr. Glück gelandet. In einem Brief an mich vom Jänner 1982 führte Matejka dazu aus: Die Lina Loos hat es mir eines Tages ins Rathaus gebracht und sogar ausdrücklich geschenkt. Das Plakat ist von diesem Tag an, gerahmt und hinter Glas, hinter meinem Schreibtisch an der Wand gehängt, ich habe es möglichst vielen Leuten gezeigt und vor dem Plakat fanden meine fast täglichen Würdigungen für den großen Loos statt. Das Plakat hat also allerhand geleistet. Als ich Anfang Dezember 1949 aus dem Rathaus Lieber Adolf Opel, ich sehe aus Ihrem Brief vom 19.dM., daß Ihre Loos-Arbeiten gut weiter gehen. Ich habe gelesen, daß die Loos-Schriften von Ihnen neu herausgegeben werden. Wie weit ist das gediehen? Ich habe wiederholt im Lauf von über zehn Jahren bei Dr. Glück direkt und indirekt interveniert, daß er die vielen Manuskripte, die er hat, der Öffentlichkeit zur Verfügung stellt. Ich hab auch in diesem Sinn den PEN-Klub und andere Institutionen mobilisiert, aber Glück hat alles abgelehnt und nach seinem Tod hab ich den von mir sehr geschätzten Sohn gebeten, endlich die große Sache in Fluß zu bringen, aber die Zähne kann ich mir nicht dabei ausbeissen. Jetzt weiß ich nicht mehr, woran es liegt. 17 freferat“, „fahre ich nach England ... und treffe den Kramer. ... da habe ich das wiederholt [das Angebot für Wien], auch öffentlich und ihm persönlich. Und was war seine typische Antwort? Ich kann das nur ganz kurz fassen: »Nein, ich komm’ nicht zurück, denn mich würden sofort die Russen verhaften und nach Sibirien verschleppen.« — Das ist wörtlich.“ Matejkas Resümee des ernüchternden Ergebnisses war: „Meines Erachtens, um es in einem Satz zusammenzufassen, ist Kramer hier ein Opfer des Kalten Krieges, also der wüstesten Gerüchtemacherei, der Diffamierungen [geworden] — und also dieser Unklarheit, der Grauzeit....‘“ Matejka deutet damit einen in der Diskussion um die Nicht-Rückkehr österreichischer Exilierter vielleicht zu wenig beachteten Aspekt an... K.K. Viktor Matejka: Das Buch Nr.3. Hg. von Peter Huemer. Mit einem Vorwort von Johannes Mario Simmel. Wien: Löcker Verlag 1993. 207 S. Buch der Freunde Alphabetisch angeordnet, von Evelyn Adunka bis Helmut Zilk, legen die, die mit Viktor Matejka gearbeitet haben und mit ihm befreundet waren, ihm wichtige Anregungen und Unterstützung verdanken, Zeugnis für den vor einem Jahr, am 2. April 1993, Verstorbenen ab. Inzwischen haben die Matejka-Freunde fast alle schon eher prominente Namen, die man daher auch nicht mehr aufzählen braucht. Etliche der 51 Beiträge enthalten nicht mehr als die eine oder andere Reminiszenz an eine persönliche Begegnung, meist nicht ohne Eleganz und Humor dargeboten, aber viele Beiträge geben wichtige Aufschlüsse über Matejkas Biographie, so der von Herbert Exenberger tiber Matejkas Tatigkeit als „Bibliothekar im KZ Dachau“, oder der von Karl Hans Heinz über „Viktor und Gerda“, der auf einige wichtige Initiativen Matejkas am Vorabend des „Anschlusses“ genauer eingeht. Der kürzlich verstorbene Erwin Ringel, selbst erklärter Katholik und als Jugendlicher nach den Ereignissen in der Stephanskirche vom 7. Oktober 1938 verhaftet, setzt sich mit der kommunistischen „Vergangenheit“ Matejkas auseinander. Was er dazu sagt, ist von prinzipiellem Interesse: