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Und alle Betroffenheitsübungen und Solidaritätsbeteuerungen sollen nur darüber hinwegtäuschen, daß die mit guten Worten Bedachten und Geehrten in der Regel leer ausgehen, wenn es um die Verteilung finanzieller Mittel, um Arbeitsmöglichkeiten und einen menschenwürdigen Lebensstandard geht. Nie hat man in der Zweiten Republik an Wiedergutmachung gedacht, weder gestohlene Arbeitskraft, noch gestohlenes Vermögen, ganz zu schweigen von gestohlener Lebenszeit wurden im Großteil der Fälle zurückerstattet. Einen Fonds für Härtefälle wolle man einrichten, ließ ein Politiker verlauten, aber wer entscheidet, wie ein Härtefall aussieht und wieviel Almosen dem einzelnen Geschädigten zusteht? Die Mittel sind durchaus vorhanden, aber man muß eben wissen, wie man an sie herankommt. Leichter werden Forschungsgelder locker gemacht, um den Völkermord zu dokumentieren, als endlich Anstalten zu Widergutmachungszahlungen zu machen, die so bemessen sind, daß sie keine Beleidigung darstellen. Lieber stattet man Akademiker, die über die richtigen Beziehungen verfügen, mit hochdotierten Reisestipendien aus, um Überlebende zu interviewen, als diesen Überlebenden und ihren Nachkommen mit mehr als einem Notgroschen für Härtefälle zu beweisen, daß es einem leid tut. Es gibt mehr als genug Experten für jede Randgruppe, und jeder dieser Experten verdient an seinen Studienobjekten mehr, als diese je zu Gesicht bekommen. Über ihre Nützlichkeit und Qualifikation ließe sich zudem im einzelnen oft genug streiten. Jeder, der einer Randgruppe angehört, weiß um die täglichen Ausgrenzungen in dieser Gesellschaft, um den fortwährenden Kampf um Menschenwürde und finanzielles Überleben, der im Klima des zunehmenden Egoismus einer angeblichen Leistungsgesellschaft, einer brutalen Zweidrittelgesellschaft mit abnehmendem sozialen Engagement immer härter wird. Machen wir uns nichts vor — Oberwart war ein Symptom, das nicht unerwartet kam, und wir sind dabei, unsere Gesellschaft so zu gestalten, daß die Mordanschläge nicht eine schreckliche, isolierte Entgleisung gewesen sein werden, sondern Ausdruck einer sich auflösenden Demokratie. 1 Es ist bekannt geworden, daß der amtierende Bundespräsident im Unterschied zu seinen Amtsvorgängern die Bitten um kleine Geldaushilfen, die burgenländische Roma an ihn richteten, stets abschlägig beschied. - Anmerkung der Red. Der Beitrag basiert auf Anna Mitgutsch’ Rede zum Solidaritätsabend in den Linzer Kammerspielen am 12. Februar 1995. Er wird auch in der Anthologie ‚Jüdische Stimmen aus Österreich“ (herausgegeben von Peter Daniel, Johannes Diethart und Herbert Kuhner) im Herbst 1995 erscheinen. Von Anna Mitgutsch kam zuletzt der Roman ‚Abschied von Jerusalem“ bei Rowohlt in Berlin heraus. Matthias Schmelzer „Den Weg der Öffnung gehen“ Ein Porträt des Oberwarter Roma-Sprechers Stefan Horvath Drei Monate nach dem Attentat treffe ich mich in Oberwart mit Stefan Horvath. Er ist der Vater eines der Bombenopfer. Damals, nach dem Anschlag, beschloß er, sich für die Anliegen seiner Volksgruppe einzusetzen. Die Wohn- und Lebenssituation in der Oberwarter Roma-Siedlung sollte verbessert werden, die Jungen sollten eine Perspektive bekommen. „Wir müssen einen Weg der Öffnung beschreiten“, wird Stefan Horvath seither nicht mtide zu sagen. ,,Der alte Weg war sicher falsch.“ Mittlerweile gibt es ftir die Siedlung ein Renovierungs- bzw. Neubaukonzept. Eine Projektleiterin ist seit Anfang Mai dabei, die Bedürfnisse und die finanziellen Möglichkeiten der Bewohner zu erheben. Erst wenn darüber Klarheit herrscht, soll über die konkreten Umbaupläne entschieden werden. ‚Jeder einzelne wird befragt werden“, versichert Stefan Horvath. ,,Sein Wunsch wird Befehl sein. Aber die Projekte sollen nicht umsonst sein. Jeder muß einen Beitrag leisten, sei es in Form einer finanziellen Abgeltung oder Ceija Stojka erinnert sich an die Selektion in Auschwitz-Birkenau vor der ‚Auflösung des Zigeunerlagers“ Der SS-Mann kam zu mir und fragte mich: „Wie alt bist du?“ Ich sagte, was meine Mama mir beigebracht hatte: „Ich kann gut arbeiten, ich bin schon 16 Jahre alt‘. Darauf sagte er, ich solle die Scheibtruhe und die viel zu große Schaufel nehmen und diesen Schutt, der dort lag, einschaufeln und gegenüber wieder ausleeren. Die Angst machte mich zum Meister. Ich kam wieder zu meiner Mama. Ich schaute nach links und sah meine zwei Tanten mit ihren Kindern dort stehen, Tante Malla mit ihrem siebenjährigen Sohn Kurti und Tante Rosi mit ihrem Baby, ein wunderschönes Mädchen von sechs Monaten, das im KZ zur Welt gekommen war, und meine liebe Polin. Sie winkten zu mir herüber. Sie waren zum Tod verurteilt. Aus: Ceija Stojka, Wir leben im Verborgenen, Wien: Picus Verlag 1988. Flüchtlinge verschwinden hinter Gittern. Tag für Tag. Ihre einzige „Schuld”: Sie suchten in Österreich Schutz vor Verfolgung. Was erwartet sie hier? Schubhaft statt Asyl. Flüchtlinge stehen draußen vor der Tür. Ohne Arbeit, ohne Wohnung, ohne Papiere. Hoffnungslos. Sie alle sind Opfer des geltenden Asyl- und Fremdenrechts. Opfer einer menschenverachtenden Politik. .. Wir fordern einen Kurswechsel. Österreich muß wieder Asylland werden. Helfen Sie uns helfen! Spendenkonto: Unterstützungskomitee Bank Austria, Kontonummer 698 035 557 Kennwort: Fluchthilfe. Unterstützungskomitee für politisch verfolgte Ausländerinnen und Ausländer, 1090 Wien, Währingerstraße 59 Einem Teil der Auflage dieses Heftes liegt ein Erlagschein des ‚‚Unterstützungskomitees für politisch verfolgte Ausländer“ bei. Mit ihm können Spenden eingezahlt werden. Die Fortsetzung der Tätigkeit des Komitees ist aus finanziellen Gründen bedroht. (Vgl. „Ein Aufruf Michael Genners“, MdZ Nr. 4/1994, Seite 3.)