OCR
LWISCHENWELT Exil in Großbritannien THEODOR KRAMER GESELLSCHAFT nn AI Verlag für Gesellschaftskritik Soeben erschienen ist das neue Jahrbuch der Theodor Kramer Gesellschaft Zwischenwelt 4 — Literatur und Kultur des Exils in Großbritannien. Herausgegeben von Siglinde Bolbecher, Konstantin Kaiser, Donal McLaughlin, J. M. Ritchie. Wien: Verlag fiir Gesellschaftskritik. 382 S., 6S 278.Der Band beruht auf einem Symposium, das 1990 in Aberdeen veranstaltet wurde. Das Exil der Periode 1930-50 sperrt sich der homogenisierenden Vereinnahmung. Die Beiträge in diesem Band zielen auf Zusammenhänge und Fragestellungen, die nicht nur die Entwicklung von Autoren vor und im Exil thematisieren, sondern auch auf die Rekonstruktion der historischen Exilsituation selbst. Berichte von Rosl Ebner und Annette Richter zeigen den Alltag des Exils, aber auch die Zuversicht, daß der Nationalsozialismus besiegt werden könne. Als Beispiele für die literarischen Leistungen des Exils in Großbritannien stehen Texte von Joseph Kalmer, Stella Rotenberg, Berthold Viertel und Hermynia Zur Mühlen. Wissenschaftliche Beiträge setzen sich mit dem Club ‘43, mit der Gruppe um Erich Fried, mit der Beschäftigung von Exilanten bei der BBC auseinander, den Arbeits- und Lebensbedingungen Oskar Kokoschkas und Hilde Spiels Analyse der psychischen Auswirkungen des Exils. Zwei Beiträge gehen auf Theodor Kramers schwierigen Weg ins Exil und dessen Vorgeschichte ein. Wichtige Ergänzung: Eine Bibliographie deutschsprachiger Publikationen und kultureller Ereignisse im Exil in Großbritannien. sonstwie, aber es wird nicht umsonst sein, für keinen einzigen.“ Mit Geld aus den Spenden wurde ein Bildungs- und Sozialfonds eingerichtet. Damit soll die Ausbildung von Jugendlichen unterstützt werden. Ändern soll sich auch die Situation in den Schulen in Oberwart. Ihnen wurde vorgeworfen, Romakinder zu diskriminieren. „Die Lehrer haben das natürlich bestritten“, sagt Stefan Horvath. ‚Wir haben dann beschlossen, einen gemeinsamen Weg einzuschlagen. Es wurde miteinander ein wirklich gutes Konzept erstellt.“ Jetzt soll es für Romakinder eine gesonderte Förderung geben. Wenn ein Schüler schwächer ist, wird er nicht gleich sitzenbleiben, sondern eine auf ihn zugeschnittene Lernbetreuung bekommen. Der Weg der Öffnung, den der Sprecher der Oberwarter Siedlung beschreiten will, wird von einigen Bewohnern aber auch sehr skeptisch gesehen. „Die Meinung darüber ist geteilt‘, gibt sich Stefan Horvath keinen Illusionen hin. Aber nur durch offenes Aufeinanderzugehen könnten Vorurteile und Mißverständnisse ausgeräumt werden. „Nach dem Attentat war die Stimmung der Oberwarter uns gegenüber sehr negativ. Sie glaubten, zu Unrecht attackiert worden zu sein. Jetzt ist die Stimmung eher gespannt. Es gibt Gerüchte in der Stadt, die Wohnungen in der Siedlung würden umsonst umgebaut werden oder der Neubau würde umsonst sein. Die Leute wissen nicht Bescheid. Es besteht eine Spannung, die zum Greifen ist.“ Vorsichtig optimistisch schätzt er die Zusammenarbeit mit der politischen Gemeinde ein. ‚‚Momentan ist sie sehr gut. Wir werden bei den Projekten sehen, ob es in Hinkunft auch wirklich so weitergehen wird.“ Wie schwer es ein Rom im Burgenland hat, das hat Stefan Horvath am eigenen Leib erfahren. Der mittlerweile 45jährige wurde in Oberwart geboren, wuchs dort auch auf. Daß er nach der Volksschule in die Hauptschule gehen durfte, war damals eine Sensation. Aber schon nach der Hauptschule wurden die Probleme unüberwindbar. „Ich wollte in die Handelsschule gehen, habe eine Aufnahmeprüfung gemacht und wurde nicht genommen, obwohl ich Drittbester war. Der offizielle Grund war Platzmangel. Ich wollte dann in Oberwart eine Mechanikerlehre machen. Der Lehrplatz war schon fixiert, aber als Arbeitsbeginn war, hat der Chef gesagt, daß er Bedenken habe, weil ich ein Rom bin. Er habe Angst um seine Kunden. Der erste Weg war nachhause. Ich habe meine Tasche gepackt und bin mit fünfzehn Jahren nach Wien auf den Bau arbeiten gefahren. In Wien habe ich diese Vorurteile nicht gehabt, die man hier im Burgenland und speziell im Bezirk Oberwart gespürt hat. In der Großstadt ist man anonym, dort bringt man seine Leistung und wird respektiert.“ Dreißig Jahre lebte Stefan Horvath als Wochenpendler. Er arbeitete bei einer Baufirma, zuletzt als Polier. Vor zwei Jahren mußte die Firma zusperren. Stefan Horvath machte sich daraufhin im Burgenland auf Arbeitssuche. Als ihn eine Baufirma als Polier einstellte, machte er dieselben Erfahrungen wie schon als Jugendlicher. ,,Ich habe im Burgenland eine andere Welt kennengelernt, wo man sich von einem Rom nichts anschaffen läßt. Sie haben es nicht offen ausgesprochen, aber man hates gesehen. Wenn man ihnen etwas angeschafft hat, dann ist es nicht so ausgeführt worden. Es ist immer mit einem Seitenblick und mit einer Seitenbemerkung gemacht worden.“ Stefan Horvath hat dann von sich aus gekündigt, obwohl der Chef auf seiner Seite war. Jetzt hat er im Schwerpunktkrankenhaus Oberwart eine Arbeit gefunden, im Reinigungsdienst. „‚Ich befinde mich praktisch auf dem Präsentierteller“ , sagter miteinem Lächeln und meint es ganz ernst. „‚Schließlich bin ich der erste Rom, der in einem burgenländischen Spital eine Arbeit bekommen hat.“ Das Attentat, bei dem einer seiner Söhne getötet wurde, hat sein Leben völlig verändert. „Ich widme mich nur mehr unserern Anliegen, das andere ist komplett in den Hintergrund getreten. Ich versuche unseren Jugendlichen ein Vorbild zu sein und ihnen zu helfen. Wir haben riesige Probleme in den Schulen, wir haben Integrationsprobleme mit der Bevölkerung, wir haben riesige Probleme mit unserem Selbstbewußtsein. Daran müssen wir arbeiten, damit sich das in absehbarer Zeit ändert.“ Sein größter Wunsch? „‚Zu erleben, daß in Oberwart ein Modellprojekt entsteht, das wirklich greift; zu erleben, wie unsere Jugend mit der übrigen Bevölkerung kommunizieren kann; zu erleben, daß es eine positive Stimmung uns gegenüber gibt, auch wenn man Vorurteile nie ganz wird ausschließen können. Die Täter zu fassen, das ist nicht mehr mein Wunsch. Das kann uns das Leben der Kinder nicht mehr zurückgeben, und das kann nicht einmal mehr eine Genugtuung sein. Das ist für mich völlig im Hintergrund, ob das gelingt oder nicht.“