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Weihnachten gewesen sein, brachten die Franzosen zwei Zirkuszelte ins Lager, die wir selbst aufstellen mußten. Dann gab es auch Stroh und geregelte Verpflegung, aber so wenig, daß wir verhungert wären, hätten nicht viele Gefangene Pakete erhalten. Ich habe in den folgenden Kriegsjahren an die zwanzig verschiedene französische und deutsche Lager gesehen und kann mich an die Einzelheiten in Meslay kaum mehr erinnern. Vor allem auf die Frage, wie wir es ertragen konnten, wochenlang aufnacktem Wiesenboden in einem feuchten Klima zu übernachten, habe ich heute keine Antwort. Es ist ausgelöscht in meinem Gehirn, denn später, in den deutschen Konzentrationslagern kamen die wirklichen Schrecken... Jedenfalls erinnere ich mich an die Leiden Rosenbergers und vieler älterer Männer und an die eiskalten Morgen, wo wir hin und her rannten, um in uns ein wenig Wärme zu erzeugen! Rosenberger klagte nie, er beobachtete die andern und sich selbst, betrachtete das Lagerleben als eine Art Universität: „Du kannst hier alles lernen“, sagte er, ,,was du über die Menschen wissen mußt!“ Wer draußen eine Frau hatte oder gute Freunde, konnte Pakete geschickt bekommen, die am Lagertor abgeholt werden mußten. Die Pakete wurden streng kontrolliert, wobei genügend Lebensmittel, Zigaretten und andere Dinge beschlagnahmt wurden, um auch die Wachmannschaft bei Laune zu halten! Rosenberger bekam einmal wöchentlich ein kleines Paket von seiner Frau geschickt, das er mit mir teilte. Inzwischen hatten wir auch jeder eine Decke und einen Mantel organisiert. Es gab viele berühmte Leute unter den Internierten, Schauspieler, Maler, Schriftsteller, auch einige Millionäre, die soviele Pakete geschickt bekamen, daß sich sofort ein Kreis von Schmeichlern um sie bildete. Einige arme Kerle gingen herum und boten den Wohlhabenden ihre Dienste an, als Schuhputzer oder Wäscher. Bald hatte jeder, der es sich leisten konnte, seinen Kalfaktor. Manche hatten sogar zwei Lakaien, die ihnen Handreichungen machten, die Schlafstelle sauber hielten und Wasser holten. Ein kleiner, mißgestalteter Österreicher namens Jockl, der miteiner unerforschlichen Energie geladen schien, rannte den ganzen Tag herum, und wusch die Wäsche der Wohlhabenden im Schloßteich. Später stellte er Helfer ein und eröffnete eine Badeanstalt und eine Wäscherei. Die Friseure, die Schneider und Schuster machten ihre Werkstätten auf, und bald hatte das Lager seine besondere soziale Struktur wie eine kleine Stadt. oder um kulturelle Moden gekümmert, aber dafür immer für Menschen eingesetzt hat, namentlich für Unterdrückte, für Ohnmächtige, schon seit seinen frühesten Kompositionen, schon seit seinen Liedern nach Gedichten von Theodor Kramer. Auch in Österreich darf man wieder, im 50. Jahr nach dem letzten Krieg, soziales Engagement, das sich um Menschen sorgt, die am Rand stehen, öffentlich verteufeln. Wenn sogar schon der Vorsitzende der Gewerkschaft Öffentlicher Dienst derartige Sozial-Arbeitin der denkbar präpotentesten Manier diskreditiert, dann ist nicht mehr zu übersehen, daß im Zeichen einer beinharten Ausgrenzungspolitik härtere Tage kommen; jedenfalls für Menschen, die sich einer solchen Politik nicht anschließen oder unterordnen. Zwetkoff hat sich nie vom sogenannten Trend beeinflussen lassen, weder in ästhetischen noch in politischen Angelegenheiten. Diese Starrköpfigkeit aber hat andererseits viele Wegbegleiter Zwetkoffs beeindruckt: Auf dem Fest kam das zum Ausdruck. Zum Auftakt spielten Peter Lefor und Reinhard Mathoy das Duo concertante für Violine und Klavier von Peter Zwetkoff. Es folgte eine Hörspielproduktion des Bayerischen Rundfunks, Elfriede Jelineks „Häuptling Abendwind“; Jelinek kam dazu eigens nach Innsbruck, um ihre Verbundenheit mit dem Komponisten zu unterstreichen. Nach einer Zwischenmusik von Bert Breit, einem in Hinblick auf den Anlaß komponierten Geburtstagsstück, lasen Walter Schlorhaufer, Pit Klein, Alois Hotschnig, Erich Hackl und Urs Widmer meistenteils neue, Peter Zwetkoff gewidmete Texte, während Klaus Burger und Michael Riessler, die schon das Breit-Stück gespielt hatten, für witzige Improvisationen sorgten, und zwar mit diversen Instrumenten, Tuba, Dijeridoo, Klarinetten und anderen, die sogar Othmar Costa, dem Hauptorganisator des Festes, noch fremd schienen. Es war auch sonst manches ungewohnt. Der Gestus etwa, der alle, sonst doch sehr verschiedenartigen Texte verbunden hat: sich um keinen Preis zu ducken vor den dominierenden Geschmacksträgern und Wortführers des Zeitgeistes. Schließlich auch die Stimmung im Studio, unter den Mitwirkenden wie im Publikum, bemerkenswert aufgeräumt, geradezu herzlich. Also war’s doch wohl ein würdiges Fest für Peter Zwetkoff. Johann Holzner