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Ernst Eisenmayer, Maler und Bildhauer, geboren 1920 in Wien. Exil von 1939 bis 1973 in London, lebte dann in Italien (Carrara) und lebt seit 1988 in Amsterdam. Internationale Ausstellungen, u.a. in Österreich, England, USA und Japan. — Die von Eisenmayer erwähnten Exilanten Walter Schön und Erich Deutsch (der heute in Österreich als Bildhauer bekannt ist) waren Mitglieder einer 1939 von Erich Fried in London gegründeten Selbsthilfeorganisation junger Flüchtlinge, der ,,Emigrantenjugend“. Bei dem Exilfreund, der im Oktober 1943 in London Selbstmord beging, handelt es sich um den jungen österreichischen Exil-Dichter Hans Schmeier (vgl. „Am Alsergrund“, 5.119-121). Gedenkaktion 386 Am 6. April 1945 wurden 386 Häftlinge der Strafanstalt Stein von SS-Einheiten und Volkssturm ermordet. Mit 386 Kreuzen, Plakaten und durch eine Performance wurde durch den Verein B-project, den Regisseur Gerald Buchas und den Historiker Dr. Robert Streibel an das Massaker erinnert. „Irgendwann im Juni dieses Jahres werden die Kreuze vor der Strafanstalt verschwinden, unbemerkt, als Symbol dafür, wie das Vergessen und Verdrängen funktioniert.“ 20. Ausstellung in der Wiener Sezession vor. Ein bekannter englischer Kritiker schrieb das Vorwort für den Katalog. Ich setzte mich eines Abends mit Erich Deutsch, einem gemeinsamen Freund und Maler aus Wien, zusammen, um das Vorwort ins Deutsche zu übersetzen. „Leicht“, sagten wir, ‚wir sind ja beide aus Wien.“ Das war am frühen Abend. Um 11 Uhr abends waren wir über die ersten Zeilen immer noch nicht hinausgekommen. ‚Rufen wir den Erich an, es geht nicht!“ Um halb zwölf sind wir aus Süd-London losgefahren, eine gute halbe Stunde zu Erichs Wohnung im Norden der Stadt. Er war um Mitternacht so wach, als ob er erst vor kurzer Zeit aufgestanden wäre. Er sah sich den Katalog und unsere paar Zeilen an, schüttelte den struppigen Löwenkopf und lachte: ‚‚Ich setze mich gleich hin.“ Und in einer halben Stunde war die Übersetzung fertig. Ich traf ihn noch oft in London, zuhause oder im Atelier. Etwa die erste halbe Stunde (es war ‘de rigueur’ und er machte auch kein Geheimnis daraus) erzählte er mir immer über seine letzten Eroberungen. Eine hübsche Junge aus Frankfurt, eine aus Hamburg, eine noch jüngere und schönere in Wien usw. Anschließend sprachen wir, manchmal auch in einer größeren Runde, über Kunst, Politik, Gesellschaft und Versuche, die Wurzeln des Lebensbaumes zu finden. Wir waren oft besorgt über die Geschehnisse in der Welt, hatten aber noch große Hoffnung für die Zukunft. Um uns an unsere Schulzeit und unser Beisammensein im neunten Wiener Bezirk zu erinnern, sangen wir beide (weder er noch ich hatten ein gutes Gehör, aber dazu reichte es) das Lied der „Lavendelweiber“: ‚Aan Lavendel, zwanz’g Groschen, a Büschl Lavendel, aan Lavendel hamma da!“ Auch den Ruf des ,,Handlee“: ,,Alte Kleider, Fetzen, Schuhe ...‘“ Und das Lied der „‚Hofsänger“:: ‚Gitarren spielt auf, spielt das Lied meiner Sehnsucht zu dir ...“ Bald nach meiner Ausstellung in der Sezession bat mich ein gemeinsamer Freund, Walter Schön, ihn in London zu besuchen. Als Freiberuflicher konnte ich tagsüber zu ihm kommen. Er hatte Magenkrebs und sollte nicht mehr lange leben. Er war ein ziemlich wohlhabender Mann aus einer bekannten Wiener Industriellenfamilie, etwas über 40 Jahre alt, wie wir jung nach England exiliert und sehr an Politik interessiert. Er ersuchte mich, auch Erich mitzubringen. Wir gingen regelmäßig zu ihm, ich öfter, Erich einmal in der Woche. Mit unserem sterbenden Freund sprachen wir oft über das Menschenschicksal. Erich schrieb ein Gedicht darüber. Ich glaube nicht, daß es gedruckt wurde. Ich besitze eine Kopie, auch eine Zeichnung von Walter Schön, kurz bevor er starb, gezeichnet von mir auf Zeitungspapier. Vom Anfang der 70er Jahre bis 1988 arbeitete und lebte ich in Italien in einem kleinen Bergdorf in der Nähe von Carrara. Ich besuchte Erich, wenn ich in London war. Auch er hätte mich gern besucht, aber zu meinem Haus konnte man nur über einen mittelalterlichen Steilweg gelangen. Und das traute er seinen Beinen nicht zu. Während einer meiner Londoner Besuche fand ich Erich mit einem Solschenizyn-Bart vor. ‚Lieber Erich, du brauchst doch nicht diesen Bart, damit man erkennt, daß du ein guter Dichter bist!“ — ,,Glaubst du?“, schmunzelte Erich über seine Brille hinweg. Der Bart verschwand, der Dichter blieb. Dann erkrankte Erich an einem ähnlichen Leiden wie Walter Schön. Wir erinnerten uns daran und an Walters traurig-weise Worte: ,,Sei mit dem heute noch zufrieden, weil du weißt, daß es morgen nur noch schlechter wird.“ Erich schrieb solange er irgenwie konnte. Beim Schreiben veränderte sich sein Gesichtsausdruck, von außen her nach innen, als würde er die Außenwelt ausschalten. Seine kurzen, ausdrucksstarken ‚,Würstel“ -Finger hielten die Feder immer, als würde er eine Liebeserklärung schreiben, zärtlich, sinnlich, ruhig. Noch kurz vor seinem Tod besuchte ich Erich in London. Ich saß mit ihm in seinem Arbeitszimmer, bis oben voll mit Büchern, Papieren, Zeitschriften. Es war gerade genug Platz, um hinein- und hinauszugehen und bei seinem Schreibtisch zu sitzen. Erich wußte, daß er nur noch sehr wenige Tage zu leben hatte. Er sprach über seine Krankheit, gelassen wie jemand, der eine ziemlich ausführliche Beschreibung von einer längeren Reise durch eine Berglandschaft erzählte. Mit allen Details, Landschaftsbildern und Tunneln. Er war blaß und müde. Manchmal, wie auch in seiner Arbeit, wollte Erich absichtlich schockieren. Wir hatten eine Zeit lang in der Warwick Avenue-Gegend Londons gemeinsam gefrühstückt.