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des Krieges gegenüber der Liebe, wie Jünger sie versteht und zuläßt, ist der, daß er ohne Frauen vonstatten gehen kann. ‚‚Jünger hat vor nichts Angst als vor Frauen“, berichtet Heiner Müller von seinem Rendezvous mit Jünger in Wilflingen. In den zwanziger Jahren entwickelte Jünger aus solcher Ästhetisierung der Politik ein nationalistisches, oder wie man es damals nannte und heute vielfach wieder nennt: nationalrevolutionäres Programm. Mit dem Buch ‚‚Der Arbeiter. Herrschaft und Gestalt“ (1932) und dem Essay ,,Die totale Mobilmachung“ (1930) hat Jiinger nicht wenig zur geistigen Mobilisierung des deutschen Faschismus beigetragen, auch er selbst hat es später nicht geleugnet. Totale Mobilmachung bedeutet, daß alle Kräfte ‚„‚von einem dämonisch aus allen Schichten auflodernden Glauben an Volk und Vaterland verschlungen“ werden, und „jeder anders Fühlende muß mit dem Brandmal des Ketzers behaftet und ausgerottet werden“. Oberstes Prinzip ist das Blut, es „‚hat seine eigenen Gesetze, und es verschafft sich ein besonderes Recht, das allen denkbaren Arten des Rechts überlegen ist.“ Noch der Antisemitismus Jüngers, der vor 1933 deutlich zutage trat und dann verschwand, verdankte sich ursprünglich jenem „heroischen Pathos der Distanz‘ , mit dem die Welt ästhetisierbar wird: Jünger erschuf sich im „Juden“ das Gegenteil, welches er benötigte, um sich selbst definieren zu können: Der Jude ‚bedarf für seine Rhetorik, die schon deshalb immer ethische Struktur besitzt, weil sie keine heroische besitzen kann, einer Grundstimmung, die als das umgekehrte Pathos der Distanz bezeichnet werden kann. Daher ist er auf Verfolgung, auf Antisemitismus angewiesen, ebenso, wie nach einer richtigen Bemerkung das Ghetto eine jüdische Erfindung ist.“ In seinem Aufsatz ‚‚Nationalismus und Judenfrage“ von 1930 kritisiert Jünger von solchen Voraussetzungen aus ,,den Mangel an Folgerichtigkeit [...], die dem Antisemitismus der nationalen Bewegungen, die sich als revolutionär bezeichnen, eigentümlich ist. Auch wenn man von jenen Sekten absieht, die aus der Negation eine Weltanschauung machen, wird man durch den Mangel an Instinktsicherheit überrascht, aus dem heraus der Stoß gegen den Juden zwar oft unter großem Aufwand, aber immer viel zu flach angesetzt wird, um wirksam zu sein.‘ Jünger geht es darum, den Kampf gegen den Liberalismus mit dem gegen die Juden untrennbar zu 26. verbinden — und er liegt hierin ganz auf der Linie, die von Ritter von Schönerer und Hofprediger Stöcker zu Hitler führt; er grenzt sich sogar vom italienischen Faschismus ab, weil dieser nach seinen Begriffen zu wenig antisemitisch gewesen sei. Man kann also gut verstehen, daß die Nationalsozialisten Jünger 1927 einen ihrer Reichstagssitze anboten: ,,Um gefährlich, ansteckend, zerstérend“ werden zu können, war für „den Juden“ ein Zustand nötig, ‚der ihn in seiner neuen Gestalt, in der Gestalt des Zivilisationsjuden überhaupt möglich machte. Dieser Zustand war durch den Liberalismus, durch die große Unabhängigkeitserklärung des Geistes geschaffen, und er wird auch durch kein anderes Ereignis als durch den völligen Bankerott des Liberalismus wieder zu beenden sein. Jeder Angriff auf den Zivilationsjuden aber aus dem liberalistischen Raume heraus ist verfehlt, denn selbst dort, wo er Erfolg haben wird, gliche seine Bedeutung lediglich einer äußerlichen Desinfektion [...] So ist es kein Zufall, daß der italienische Faschismus mit dem Zivilisationsjuden auf gutem Fuße steht, denn der Faschismus ist unzweifelhaft nichts als ein später Zustand des Liberalismus [...] Für Deutschland aber ist der Faschismus ebensowenig wie der Bolschewismus gemacht, sie reizen an, ohne daß sie befriedigen werden, und man darf von diesem Lande schon hoffen, daß es einer eigenen und strengeren Lösung fähig ist.“ Als diese Lösung sich schließlich anbahnte, zeigte es sich, daß Jüngers Ästhetizismus gewissermaßen noch über den „Gesetzen des Blutes“ stand. Die Nazis fanden in ihm einen windigen Anhänger: einen distanzierten Mitläufer. Und seine Distanz war größer als die anderer Vertreter dieses Typus, etwa Martin Heidegger. Schon jenes nationalsozialistische Reichstagsmandat hatte Jünger abgelehnt, und 1933 verzichtete er auf die Wahl in die nazifizierte Deutsche Akademie. Jünger verkörperte bald die einzig mögliche Form von 6ffentlichem Widerstand im ‚Dritten Reich“: er durfte publizieren und er publizierte. Seine symbolische Ausdrucksweise war vieldeutig genug, um von einigen, nicht wenigen, als Widerstandsgestus gedeutet zu werden, und sie war andererseits nicht festzulegen: der Oberférster in den ,, Marmor-Klippen“ (1939) galt vielen als Hitler, doch er ließ sich zur Not auch als Stalin deuten; er besitzt einen „Hauch von alter Macht“, „fürchterliche Jovialität“, „Ausdruck von List und unerschütterlicher Kraft — ja zuweilen von Souveränität“. Kritiker und Verehrer nannten Ernst Jünger einen Dandy und haben damit vielen Dandys Unrecht getan, kommt es doch wesentlich darauf an, in welcher Gesellschaft einer ein Dandy ist. Jünger war vielleicht der einzige Schriftsteller, der dem Nationalsozialismus gegenüber sich als Dandy verhielt. (Arnolt Bronnen, der eine ähnliche Haltung anstrebte, scheiterte — vermutlich, weil er seine „‚arische“ Abstammung nicht überzeugend nachweisen konnte, und als ehemaliger Avantgardist der Weimarer Republik für Rosenberg eine Handhabe im Konkurrenzkampf mit Goebbels bot.) So werden auch die Wandlungen Ernst Jüngers verständlich: es waren keine ‘moralischen Läuterungen’ oder ‘politischen Besserungen’. Ästhetisierung war ihm von Anfang an wichtiger als jede Weltanschauung, jede Moral und jede Politik; der Nationalismus und der Antisemitismus, die Treue zum starken Staat und der Kampf gegen die Demokratie wurden ihm untergeordnet. Für die Wirksamkeit eines sprachlichen Bildes war er bereit, eine Weltanschaung aufzugeben oder zu wechseln: neben der irisierenden Physiognomie des Soldaten fand die des Arbeiters Platz, bald aber auch jene des Widerstandskämpfers. In und außerhalb des ‚Dritten Reichs“ wurden die ,, Marmor-Klippen“, die zweite Fassung des ,,Abenteuerlichen Herzens“ und die neuen Kriegstagebiicher als Versuch einer ,,inneren Emigration“ gelesen und als Gegengift gegen die offizielle Literatur des Nationalsozialismus begriffen. So läßt sich erklären, warum Alfred Andersch und Erich Fried, Alexander Mitscherlich und Rolf Hochhuth, Helmut Heißenbüttel und Jean Améry dem Autor mit Anerkennung oder zumindest wohlwollend gegenübertraten. Heißenbüttel hat später die Widerstandshaltung Jüngers mehr und mehr als Pose empfunden: Die Berichte von der Ostfront ließen ihn an einigen Stellen skeptisch werden, sie schienen ihm, ‚angesichts der Realität im besetzten Rußland 1942 zuviel an stilistischer Distanz, ja fast ein Umschlag in Kitsch [...] Schon indem ich meine einstige Identifikation mit der heroischen Geste Ernst Jüngers zu befragen beginne, muß ich zugeben, daß bereits in der Einnahme dieser Geste die Attitüde lag und daß bereits diese das stillschweigende Einverständnis mit Taktik und Strategie des Nationalsozialismus bedeutete. Ernst Jünger ist so eher auf einer Linie zu sehen mit Albert Speer oder dem Großadmiral Dönitz als mit irgendeinem vergleichbaren Schriftsteller.“