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kratie ebenso gelang wie die Integration der „kleinen“ ehemaligen Nationalsozialisten in die SPÖ, glückte die Integration des Exils so gut wie überhaupt nicht. Das Rückkehrangebot der burgenländischen Sozialdemokratie nach 1945 an Richard Berczeller war hier eine der wenigen Ausnahmen gewesen. Den stärksten Widerhall fand zweifellos das Referat des Historikers Gerhard Baumgartner über Arisierungen im Burgenland. Weil nach dem „Anschluß“ nicht nur der Besitz von Juden, sondern auch von „‚Zigeunern“ ‚‚arisiert“ wurde, war rasch der Bezug zur Gegenwart hergestellt. Wenige Wochen nach dem Attentat in Oberwart, bei dem vier Roma ermordet worden waren, waren einige Anwesende von Baumgartners pessimistischen Einschätzung der gegenwärtigen Situation in Oberwart betroffen. Bestätigt wurde sie vom Landeshauptmann des Burgenlandes, Karl Stix. Nach seiner Rede beim Begräbnis der getöteten Roma hatte er über hundert Briefe bekommen, viele aus dem Burgenland, die meisten aber von außerhalb. Der Großteil der ‚„nichtburgenländischen“ Briefe sei „positiv“ gewesen, hingegen sei der überwiegende Teil der burgenländischen Briefe ‚‚negativ bis bösartig“ gewesen. Viele Burgenländer hätten sich in den Medien zu Unrecht verurteilt gefühlt, besonders stark sei dieser Eindruck in Oberwart und Umgebung gewesen. Der Landeshauptmann selbst bezeichnete die Atmosphäre in Oberwart als ,,ungeheuer gespannt“, es gebe eine „sehr, sehr gehässige Stimmung“. Er nannte dafür zwei Beispiele: Die Gerüchte in Oberwart über angebliche Millionenspenden für die Roma und den Ärger darüber, selbst in Teilen der katholischen Kirche, daß beim Begräbnis des früheren Diözesanbischofs von Eisenstadt, Stefan Laszlo, am 18. März auch ein Romavertreter gesprochen hatte. Vielleicht wurde die Diskussion beim Symposion unter dem Eindruck des Bombenattentats mit so großer Ernsthaftigkeit geführt. Angesichts der vier Toten Roma von Oberwart sind Diskussionen über die Mulitkulturalität des Burgenlandes — ob in Geschichte oder in Gegenwart — nur mit Bedacht zu führen. Und das ist dem Andenken an Richard Berczeller schließlich auch angemessen. Matthias Schmelzer 5, Vite in minore“ Paola Benini hat an der Universitat Udine ihre »»lesi di Laurea“, eine umfangreiche Arbeit liber Theodor Kramer, abgeschlossen: ,, Vite in minore. Esilio ed emarginazione nella vita e nella poesia di Theodor Kramer“. Nach einer biographischen Einleitung erörtert Benini Kramers Stellung in seiner Zeit, um schließlich, im umfangreichsten Kapitel der Arbeit, ,,L’universo poetico die Theodor Kramer“ zu skizzieren. Beninis Studie ist die erste größere wissenschaftliche Arbeit über Theodor Kramer in italienischer Sprache. Primus-Heinz Kucher von der Universität Klagenfurt hat am Zustandekommen der Arbeit viel Anteil genommen. 38. Der Maler Isidor Kaufmann im Wiener Jüdischen Museum Isidor Kaufmann verdanken wir die schönsten und liebevollsten Darstellungen des traditionellen jüdischen Lebens in Osteuropa vor seiner Vernichtung. Seit 1884 fuhr Kaufmann jeden Sommer auf ausgedehnte Studienreisen in die Welt der Stetl und malte, trotz der Widerstände der orthodoxen Juden gegen die bildnerische Darstellung, die Rabbiner und Talmudschüler, die Familien und die frommen Frauen in ihrer schönen Feiertagstracht, die Synagogen und Lehrhäuser. Er idealisierte das Leben im Stetl, verfälschte es dadurch aber nicht, sondern zeigte eben nur die eine, die feiertägliche Seite des Lebens, nicht die Armut und Not des Alltags. Wie sehr der asssimilierte Wiener Jude Kaufmann mit diesen Bildern aufklärerische Ziele verfolgte und seinem Volk dienen wollte, formulierte er selbst 1917 in einer ungarischen Zeitschrift: „Und weil es meine Überzeugung war, daß die Kraft jedes Künstlers in seinem eigenem Volk wurzelt, wurde ich der Maler des Judentums. Ich habe mir immer die Verherrlichung und Glorifikation des Judentums vor Augen gehalten. Ich wollte all seine Schönheiten und seinen Adel ans Licht bringen und versuchte, die Traditionen und Institutionen, wo soviel Andacht und Insbrunst zu finden ist, auch für Nichtjuden erreichbar zumachen.“ Ähnlich beschrieb es auch der große Wiener Oberrabbiner Zwi Perez Chajes in dem Geleitwort zu einer 1925 im Manz Verlag erschienenen Mappe mit 16 Licht- bzw. Kupfertiefdrucken Kaufmanns und zeigte damit, wie sehr der Maler eingebettet war in jene einst so kreative und reiche Wiener jüdische Kultur, in der sich Ost- und Westjudentum trafen: ‚„‚Seine Meisterschaft gewährte ihm die Kraft, unter dem Bettlergewande in den Ostjuden den ererbten und in der Bedrückung erhöhten Adel zu erkennen, ihrem Menschlichen und Ewigen vollendeten Ausdruck zu geben.“ Die Wiener Ausstellung, die bis zum 7. Mai zu sehen war, war die seit dem Tod Kaufmanns 1921 erste mit Ausnahme einer kleineren Schau im Yeshiva Unversity Museum in New York 1977. In ihr werden 60 Bilder gezeigt, die der Kurator G. Tobias Natter von zahlreichen inund ausländischen Leihgebern mühevoll zusammentrug. Dazu ist auch ein umfangreicher, erstmals sowohl deutscher als auch englischer Katalog erschienen, in dem Natter zwar viele bisher unbekannte Details aus Kaufmanns Biographie zusammentragen konnte, obwohl leider noch immer vieles im Dunkeln bleiben mußte. Besonders erwähnenswert sind außerdem die Beiträge „Kunst und jüdische Identität“ des bekannten israelischen Schriftstellers Yoram Kaniuk und „Nostalgie“ von Richard Cohen. Bernhard Purin und Felicitas Heimann-Jelinek publizierten im Katalog eine wissenschaftliche Beschreibung der von Kaufmann konzipierten und auch angekauften Sabbath Stube des alten Wiener Jüdischen Museums, wobei von den 122 Gegenständen der Stube nach 1945 nur zehn erhalten blieben. Purin edierte dazu noch ein Konvolut von 24 Briefen von Kaufmann und seiner Juliette, die ihm Zeit ihres Lebens eine wichtige Stütze war, das sich zufällig vor kurzem in den Beständen des Wiener Jüdischen Museums fand. Bei der feierlichen Eröffnung der Ausstellung am 23. Februar hielt übrigens Anita Kaufmann, die in London lebende Witwe von Kaufmanns ältesten Sohn Georg, die mit ihrer gesamten Familie angereist kam, eine besonders rührende und gerührte Rede. Dem Jüdischen Museum der Stadt Wien ist mit dieser Ausstellung ein besonders wichtiger Beitrag zur Aufarbeitung der Wiener jüdischen Geschichte gelungen. Evelyn Adunka Exilliteraturforschung in Großbritannien Die Exilliteratur-Forschung in Großbritannien ist eine relativ junge Disziplin innerhalb der britischen Germanistik. Sie ist eng mit dem Namen Hamish Ritchie verknüpft, Professor emeritus der Universität Aberdeen. Wohl nicht ganz zufällig konzentriert sie sich aber nunmehr an jenen früheren Polytechnischen Hochschulen, die erst vor zwei Jahren den Status von Universitäten erhielten. Ritchie begann während seiner Zeit in Aberdeen, ein sachbezogenes Archiv zusammenzutragen, auf dessen Basis 1990 die ,,London Research Group for German Exile Studies“ gegriindet wurde, deren Vorstand William Abbey, Charmian Brinson, Richard Dove, Marian Malet und Jennifer Taylor angehören. Archiv und Verein haben ihren Sitz in London am Institute of Germanic Studies, 29 Russell Square. Im Abstand von drei Jahren werden Tagungen organisiert (Aberdeen 1990, London 1993; eine weitere ist fiir 1996 geplant). Fiinf Publikationen wurden im Mai 1995 im Austrian Institute in London präsentiert. Die für 1996 geplante Tagung wird der Exillyrik gewidmet sein; und