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Das Land als weite Zuflucht, und die Stadt als Ort der Bedrängnis. Aber nie hat Henriette Haill die Stadt im konservativen Sinn abgewertet, nie hat sie in ihr den Sündenpfuhl gesehen, das Verworfene, Zerstörerische. Allerdings — gefunden hat sie sich auf dem Land, in der Natur, und da nur im Herben, im Harten, im Frühen. Die angemessene Jahreszeit istihr der Vorfrühling, das angemessene Gehölz der Hartriegel. “Bist du mit deiner Härte/Der erste, der es wagt/Dem Winter zu trotzen?” Zweimal Mutter. Zum einen die Bedeutung, die Henriette Haill ihrer Mutter zumißt. “Sie hat furchtbar viel von mir gehalten, sie hat auch furchtbar viel verlangt von mir. Du kannst es, hat sie gesagt.” (Der Vater dagegen war wortkarg, sprachlos.) Zum andern die eigene Mutterschaft: “Indem ich Mutter geworden bin, ist mir die Welt offener geworden, habe ich die Augen für alles offen gehabt. Die Welt war einfach da, sie war gewaltig.” Nachkrieg “Nach dem Ersten Weltkrieg war es, wie wenn der Himmel aufgegangen wäre. Wie eine Befreiung. Die habe ich nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges nicht gespürt, der Krieg war da. Der Krieg war ganz anders, furchtbarer, viel größere Wunden hat er geschlagen, alles zertrümmert. Die Jugend war in einer ganz anderen Lage. Zum Teil war sie durch den Krieg belastet, nicht nur weil sie dabei waren, sondern ein Teil war ja politisch belastet, sie waren bei der Hitlerjugend. Sie haben sich nach dem Ende des Krieges belastet gefühlt.” Bei Ende des Zweiten Weltkrieges hat Henriette Haill geweint, nicht gejubelt — weil sie ahnte, daß es so weitergehen würde. Gestern, heute, morgen Gestern war Klagen, Weinen ist heut. Morgen? Verzagen, Nach vielen Tagen Von Leid. Heute wird Gestern, Morgen wird Heut, Doch heut wie gestern sind sie nicht Schwestern Im Leid? Offenbar ist Oberösterreich hierzulande die einzige Gegend, in der linke Autoren Heimatliebe, Patriotismus, regionale Identität nicht der Rechten überlassen haben. Ich denke an die Kommunisten Kain, Plieseis, Hochrainer, Wiesinger. Auch Friedrich Ch. Zauner könnte einem einfallen, der bedächtige Chronist Innviertler Landlebens, oder Richard Wall oder... Sie alle hätten unterschrieben, was Henriette Haill über ihre Gefühle während der Zeit des Ständestaates angemerkt hat: “Die Heimat hab ich mögen, aber das Vaterland nicht.” Die Partei und ihr Blutzoll. Die Nazizeit, und welche Verwüstung sie hinterlassen hat. Henriette Haill erinnert sich an Genossen, die sie in den zwanziger und dreißiger Jahren gekannt hat: “Er ist im KZ umgekommen...ist auch im KZ umgekommen...der ist auch zugrunde gegangen...der ist in Wien hingerichtet worden...der ist dann in die USA hinüber und hat Hetzreden gegen uns gehalten.” Qualen? “Ich hab nie in meinem Leben etwas zu Reden gehabt.” Das ist ein Bild, sagte Veli, das ich nicht oft genug ansehen kann: als im Warschauer Ghetto der erste SS-Mann von einem Juden gtötet wurde. Das erstaunte Entsetzen, daß sich die Opfer wehren, hat mich emotionell ein wenig für miterlebte Greueltaten entschädigt. Es sollte vervielfältigt werden für Mörder, Schinder, Henker, Ideologen, Schreibtischtäter, um die Selbstsicherheit ihrer Brutalität zu erschüttern. Das Herrenvolk zusammengestampft in Blut, Rotz und Tränen. Erstdruck von ,,In einer Loge der Zeitgeschichte“ in der Anthologie ,, Ubermalung der Finsternis“, erschienen 1994 in der Edition Umbruch, Mödling. Die beiden „Veli-Gedichte“ sind der bisher unveröffentlichten Sammlung ,,Velis Abschied“ entnommen. ,,Es ist eine Art lyrisches Tagebuch, eine Autobiographie des Zeitgeistes, in der das Autobiographische durch die Figur Velis, fiir die der tiirkische Lyriker Veli Kanik Pate gestanden ist, ein Doppelgdnger und Widerpart, verfremdet ist. Er kann als Kronzeuge aufgerufen werden, er kann mein Sprachrohr sein, auf ihn kann allerlei abgeladen werden ...“ (Hans Heinz Hahn!) Armin Verkauf 5 Minuten Ruanda Ich sah das tropische Grün der Blätter das tiefe Blau des Himmels das Mokkabraun der Haut das malerische Rot des Blutes, im Zimmer war kein Leichengestank, das stille Geschrei der Sterbenden das Summen der lustigen Fliegen waren nicht zu hören, ich sah alles — hörte alles und wende mein Gesicht will es nicht wissen heute ist Donnerstag werde die Blumen im Garten gießen vielleicht auch ein Gedicht schreiben morgen Freitag Samstag Sonntag und viele Wochen. 13