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toren, die ihrem Selbstverständnis nach oder aufgrund fremder Zuschreibungen angeblich ‚‚die Position einer gewissen Ohnmacht‘‘ einem offenen Bekenntnis, sei es zur NS-Literatur, sei es zur Widerstandsliteratur, vorgezogen haben. Die Tagung der Theodor Kramer Gesellschaft in Salzburg (9.-11. November 1995) soll eine erste Standortbestimmung der Li_ teratur der „Inneren Emigration“ aus Österreich leisten; dabei sollte der unscharfe, aber eingebürgerte Terminus ‚Innere Emigration“ präzise Fragestellungen nicht verbauen, und möglichst umfassend sollten sowohl die sozialgeschichtlichen wie auch die ästhetischen Aspekte dieser Literatur berücksichtigt werden, die als ‚Literatur der Ohnmacht“ deutlich von der ‚Literatur des Exils“ und der „Literatur des Widerstands“ und ebenso von der ,,Literatur des Nationalsozialismus‘“ abzugrenzen wäre. „Was man damals schrieb“, meinte Oskar Maurus Fontana in einer Selbstrechtfertigung 1946, ,,mu8 unter dem Gesichtspunkt von damals verstanden und gewertet werden“. Das ist einerseits evident, andererseits doch unzureichend: Es versteht sich, daß das organisatorische Unterdrückungskonzept der NS-Diktatur, mit seinen Indizierungslisten und Gleichschaltungsmechanismen, wo immer es gilt, die Literatur dieser Zeit adäquat zu bewerten, nicht übersehen werden darf. Es versteht sich weiters, daß in dieser Literatur mit den verschiedensten Techniken der ‚‚verdeckten Schreibweise‘, des Verschlüsselns, der Kommunikation über den Subtext, zu rechnen ist. Es versteht sich schließlich, daß eine grobschlächtige Rezeptionsmaschinerie immer schon literarische Werke zurückgewiesen und umgekehrt auch instrumentalisiert und vereinnahmt hat, die das weder intendiert noch verdient haben (auch Theodor Kramer hat solches erfahren), daß also die zeitgenössischen Urteile, die positiven wie die negativen, grundsätzlich mit Argusaugen aufzunehmen sind. Im übrigen aber wäre es um diese „Literatur der Ohnmacht“ schlecht bestellt, wenn sie heute nur mehr „unter dem Gesichtspunkt von damals‘ gelesen werden könnte; sofern es ihr wirklich einmal gelungen ist, einen autonomen Raum einzurichten und so unmißverständlich sich von der Sprache der Befehle und des Gebrülls, von der Sprache der Macht fernzuhalten, dann wäre, dann ist sie auch weiterhin wohl wert, aufgehoben und diskutiert zu werden. 18. gottebenbildlichen Wesens. Der Wendung zum Chthonischen folgte die Entfesselung der barbarischesten Instinkte, der Glorifizierung des Heimatlichen die Verstoßung Hunderttausender in die Heimatlosigkeit. Mit dem Wesen der Regionalkunst als einer Dichtung geschlossener Gemeinschaften hängt es zusammen, daß in ihr das ethische Moment zugunsten des emotionellen zurücktritt. Über die flämische Literaturf esmäßig besti Literatur;|sagtleiner ihrer Darsteller und Deuter: ,,Im allgemeinen besitzen wir keine ethische Literatur, unsere Seele lebte in einer Kunst ohne ethischen Einschlag. Sie bewegte sich nicht auf der einigermaßen gehobenen Fläche einer allgemeinen Kultur, sondern fand ihren Ursprung in den wunderbaren Tiefen des Blutes.“ Fast aller Bodenund Volkstumsdichtung eignet ein merkwürdig pathetischer Zug. Heimatliches und Volksmäßiges erscheinen im Lichte einer Bedeutsamkeit, die ihnen an sich nicht zukommt. Diese Apotheose des Bodenständigen in jenen Jahren hat eine Parallele im einstigen Kult der Stammesgottheiten, ist also im Grunde heidnisch. Eine schmale Brücke nur trennt das Volkstums- und pos der a vom Chauvinismus. Na nalis kriege ee e e und vvilhsedtieaictsnts seit j jehe Deutschlan d.stelite Das Weltbild tee seit ite Volker ähnelt in vielem dem des Rassismus und Biologismus. Es kennt nicht den Menschen als exemplarisches Wesen, es kennt ihn ausschließlich als Angehörigen bestimmter Landschaften und Volkstümer, zu deren Anwalt und Repräsentanten sich der Dichter aufwirft. herabgemindert zum Produkt, um nicht zu sagen zur Funktion ae bratinEBigen und eber heiten seit seine er Herkunft, ‘somit a ee! zu einem Geschopf, das Die ganzheitliche nd ok AUTRE eh Menschen en Ihre Stelle nimmt ein Menschenbild ein, das außer auf einzelne Volkstümer auch eingeschränkt wird auf bestimmte Berufe und Stände. In gleichsam physiokratischer Auffassungsweise ist es eigentlich nur eine einzige Lebensform, die voll bejaht wird: die dörflich-bäuerliche. Er war der verstorbene Dichter Josef Weinheber, der diese Entthronung der ganzheitlichen Gestalt des Menschen und deren Ersatz durch den ständischen Typus des Bauern Erschütternd beklagt hat, in Versen, durchaus denen entsprechend, mit denen sich’ Walther von der Vogelweide dereinst gegen die höfische Dorfpoesie Wi Nicht der Mensch — nur der Werker, ver. Wie das Wesen des Menschen, so erfährt auch die menschliche Existenz in der Regionalkunst eine vereinfachte, von Spirituellem weitgehend absehende Deutung. Heimat und Volkstum erscheinen als letzte und oberste Werte, ihre Verteidigung, Sicherung und Erhaltung als vornehmste Lebensaufgabe. Die Bezogenheit aller Dinge auf den vertrauten, heimatlichen Bereich gibt dem Dasein, selbst wo es Bedrängnis und Kampf ist, den Charakter der Geborgenheit und Getrostheit. Bewußt oder unbewußt ignoriert diese Deutung die zunehmende Entfremdung des Menschen, wie sie im letzten Jahrhundert offenbar wurde. Das Wesen der Welt wird in Traulichkeit umgefälscht, das Dunkel nur insoweit zugelassen, als es Dämonie des Elementaren und Primitiven ist. Denn selbst das Religiöse erscheint im Weltbild der Regionalkunst ohne wirkliche Transzendenz, sondern vielmehr als eine Art Naturfrömmigkeit, verwandt dem Pantheismus. Der einzige Weg der Boden- und Volkstumsdichtung, um der platt vordergründigen Sphäre ihrer Stofflichkeit zu entrinnen, ist der Weg nach unten. Es ist das Hinabtauchen in den dunklen Bereich der Mütter, in die ungeschichtlichen und bewußtlosen Tiefen der Herkunft. Hier ist es, wo sich die Wendung zu Heimat und Volkstum in der Dichtung der letzten Jahrzehnte am deutlichsten als Teil- und Nebenströmung einer umfassenderen Bewegung, des Irrationalismus, erweist. Erstdruck in: Wilhelm Szabo: Der Schnee der vergangenen Winter. Eingeleitet und ausgewählt von Johann Gunert. Graz: Stiasny, 113-117. / AG p