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Murray G. Hall Kurzkommentar zu Franz Tumler Die Erörterung des Themas ‚‚innere Emigration“ kann und darf sich zumindest im politischen Kontext der österreichischen Nachkriegsjahre nicht darin erschöpfen, zu fragen, welche Freiräume und Nischen es im NS-System gegeben haben mag sowie in welcher literarischen Gestalt Widerstand gegen das Regime geleistet wurde. Diese in einer Werkanalyse objektiv überprüfbaren, weil öffentlich aufliegenden Informationen stehen, wenn nicht private, so doch halböffentliche Äußerungen gegenüber, die vielfach durch eine behördliche Maßnahme beeinflußt und geprägt wurden. Denn die Argumente, die jene Schriftsteller, die nach 1945 um Ausnahme von den Sühnefolgen nach $ 27 VG (1947) ansuchten, vorbrachten, spielen in der Debatte um die ,,innere Emigration“ eine ebenso wichtige Rolle. Denn das Prädikat, das so manche sich selbst verliehen — ein subjektiver Vorgang also - hing aufs engste mit dem staatlichen Verfahren der Entnazifizierung zusammen. Fallstudien zeigen, daß der ‚Vater der Argumente“ eben jenes NS-Gesetz aus dem Jahre 1947 war. Ausnahmen von den Sühnefolgen konnte der Bundespräsident bewilligen, wenn der Betreffende seine Zugehörigkeit zur NSDAP usw. niemals mißbraucht hatte sowie wenn „mit Sicherheit auf’ seine positive Einstellung zur unabhängigen Republik Österreich geschlossen werden“ konnte. Genau dieses Pro-Österreichische verleitete Antragsteller erst recht dazu, von ihrem „Widerstand“ in der ‚‚inneren Emigration‘ zu berichten. Manchmal zog sich der Antragsteller auf das hohe Podest des Dichters zurück: eine Verstrickung in den Nationalsozialismus wäre mit seinem Selbstverständnis als Dichter selbstredend gar nicht vereinbar. In einem Land, in dem über die offenkundige Verstrickung österreichischer Autoren in den Nationalsozialismus von den ,,Tatern“ /Betroffenen selbst kaum bis gar nicht öffentlich gesprochen wurde, nimmt Franz Tumler nach dem Zweiten Weltkrieg, wie Klaus Amann zu Recht feststellt, eine Sonderstellung ein.! Er fällt nämlich aus der breiten Masse jener heraus, die zu ihrer Rolle in der Zeit des Nationalsozialismus schwiegen. Allfällige mea culpa-Äußerungen beschränkten sich auf einen amtlichen Dialog und wurden grundsätzlich fernab der Öffentlichkeit in Ansuchen und Schreiben an die österreichischen Behörden ge32. Macht Den Lauf der Sonne in dieser Nacht. Brenn, Feuer, brenn auf! Schlag hoch zum Himmel hinauf! Auf daß das Licht nicht verlischt in der Welı, Auf daß das Leben den Sieg behält. Brenn, Feuer, brenn rot! Schlag Hader und Zwietracht tot! Schlag jeden Feind, der das Land berennt, Damit das Feuer des Herdes brennt, Damit kein Verderber die Saat verdirbt, Damit kein Sproß an der Seuche stirbt. Brenn, Feuer, zu End. Damit sich das Unheil wend. So brennt das Feuer, tut ab die Not, Gott geb uns das Leben und seligen Tod. Bekannt mit Felix Braun, Theodor Kramer und Paula von Preradovic, aber ebenso mit Max Mell und Franz Nabl kann Leifhelm nicht eindeutig zugeordnet werden. So findet er sich neben nationalen Dichtern am Dichterstein Offenhausen, aber auch im Lexikon „Deutsche Exil-Literatur 1933-1945“? verzeichnet. In der Steiermark, also in der „Ostmark‘“, blieb Anna Lukesch, die durch ihren Gedichtband ‚Erste Musik“ 1933 Aufsehen erregt hatte. Die am 13. 11. 1910 in Waltendorf bei Graz geborene Tochter eines Kaufmanns studierte an der Universität Graz und promovierte bei Karl Polheim und Albert Eichler mit der Arbeit ,,Hugo von Hofmannsthals Bühnenwerke für Richard Strauss“ im März 1936, die 1953 veröffentlicht wurde. Sie besuchte anschließend das Reinhardtseminar in Wien und begann auch Dramen zu schreiben. Sie war in den Ständestaat als Mitglied der Vaterländischen Front von Mitte 1933 bis März 1938 integriert. Nach dem ‚‚Anschluß‘“ stellte sie am 28. 9. 1938 einen Aufnahmeantrag in die Reichsschrifttumskammer und wurde aufgrund der geringen Publikationen von der Mitgliedschaft befreit. Während des Nationalsozialismus in Österreich wurden drei Gedichte in der Anthologie ‚Ruf von der Grenze“ 1942 veröffentlicht, eines davon: Tanz* Von dem leichten Sprung der Welle, von des Morgenwindes Schnelle lernten wir den frohen Schwung. Aus der Felder Sommerfülle, aus des Waldes Traum und Stille kam uns reife Mäßigung. Wolken wiegen sich im Blauen, Stadt und Ströme zu erschauen, wie sie brausend ihrem Blut Kräfte wirken. Und die Meere stürzen wider Turm und Wehre lustvoll unzähmbare Flut. Laßt uns tanzen, wie die Erde sich von lastender Beschwerde mutig am Gesetz befreit. Die Musik aus Sonnenbahnen ruft zu ungeheurem Ahnen von dem Untergang der Zeit. Sie begann in Graz das Medizinstudium, brach nach dem Tod ihrer Mutter dieses wahrscheinlich aus finanziellen Gründen ab. 1949 erschien ihr zweiter Gedichtband „Das unsagbare Land“ und das Mysterienspiel „Thomas. Ein Ostergespräch“. 1956 erhielt sie den Peter-Rosegger-Preis des Landes Steiermark. Ihr (relatives) Schweigen während des Nationalsozialismus wurde im Nachruf in der Tagespost vom 8. 4. 1981 auf ihre katholische Gesinnung und ihr bewußtes Österreichertum zurückgeführt.