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Weidenbäume am Fluß Wey in Guildford, wo Kramer oft spazieren ging. Foto aus dem Jahre 1948. Anna Krommer bezieht Kramers Gedicht ‚Abend am Strand“ auf diese Flußlandschaft. (In leicht veränderter Fassung in: Th. Kramer, Gesammelte Gedichte, Bd. 2, Wien 1985, S. 375. Dort datiert: 20.6. 1952.) Abend am Strand Macht ein Reisigfeuer, denn die Mücken schwärmen arg am Abend aus der Au; leer nun wird der Strand, des Stromes Rücken rauscht und ist doch seltsam starr und grau. Warm noch ist der Sand, aber auf die Hand fällt, als wär sie Gras, ein Tröpflein Tau. Süßer duften nun des Faulbaums Pollen, da des Fenchels bittrer Hauch verrann; die den Zug mir nicht versäumen wollen, mögen gehn... stimmt mir dies Lied nun an: wichtiger ist der Qualm ist zur Stund der Halm als was dort uns wohl erwarten kann. Wie die Sterne ihre Milch verschütten! Alle brachte uns das gleiche her; Mädel, von den vielen Badehütten weiß ich eine, meine, deine, leer. Ziehharmonika, ja, die Zeit ist da, und wie heute kommt sie niemals mehr. 24 Konstantin Kaiser Der Briefwechsel Theodor Kramers und Anna Krommers Zweiter Teil Der erste Teil ist in MdZ Nr.4/1994, S.15-17, erschienen.! Im allgemeinen spiegelt die Korrespondenz eine Beziehung ohne Entwicklung. Theodor Kramer und Anna Krommer haben sich 1943/44 im siidenglischen Guildford kennengelernt, Kramer ist dort geblieben, Krommer hat in der Zwischenzeit (von 1944 bis zum Beginn des Briefwechsels, 1952) in London, Deutschland, Israel und den USA gelebt. Die Briefe Kramers scheinen fast vollständig erhalten; die Briefe Krommers sind bis auf einen letzten verloren gegangen. Man respektiert einanander, hält an der einmal gefundenen grundsätzlichen Sympathie fest. Der Spielraum der brieflichen Kommunikation ist damit abgesteckt. Hauptthemen der Briefe Kramers sind sein sich allmählich verschlechternder Gesundheits- und Gemütszustand und seine Verzweiflung darüber, bereits abgeschlossene Gedichtsammlungen nicht publizieren und die fortgesetzt entstehenden neuen Gedichte nicht feilen zu können. Da alle seine Bemühungen nichts fruchten, schreibt Kramer am 21.6. 1953, „bekomme (ich) die seltsamsten Einfälle, z.B. mich an Ignazio Silone zu wenden, der deutsch versteht, und mein Werk kennt.“ ? Im selben Brief zeigt er sich befriedigt tiber das Gelingen des ,,soziologisch-geographischen“ Gedichtes „Unsre sauren Wiesen trugen Gras“. Was seine lyrische Produktion betrifft, ist Kramers Zuversicht ungebrochen. Ein Beispiel unter vielen: Es ist nun evident, daß in meinen Gedichten, in den besten nämlich, noch immer eine Entwicklung vorhanden ist und daß ich keineswegs passe bin in ihnen, sondern zeitgebunden-zeitlos. Die Gestalten haben kein Modell, entstehen aus den Problemen, oft aus meinen persönlichen, aber eben in eigener Gestalt. (Brief vom 22.8. 1954) Oft berichtet Kramer von seinen Ausflügen nach London, seinen Begegnungen mit alten Bekannten und seinem Herumstreifen im Vergnügungsviertel Soho: Ich konnte niemanden sehen, bis auf eine Stunde mit Elias Canetti, den ich nur ganz flüchtig kenne, der aber ein vorbildlich guter Kollege ist.” C. war im Sommer drei Monate in Österreich und bestätigt das vernichtende Urteil, das ich stets von dort Ansässigen höre. (Brief vom 14.12. 1953) Ich trieb mich eine Nacht in Soho herum und schlief mit einer jungen aparten Eurasierin, die sich mir schenkte und vielleicht Verdruß haben wird, da solches gegen die Halbweltsmoral ihrer Kreise verstößt. (Brief vom 13. August 1953) Trotz aller monomanen Selbstbezogenheit geht Kramer auf Krommers Probleme und Anliegen ernsthaft, vielleicht mitunter etwas unbeholfen ein. Kramer hat Verständnis für das Bestreben Krommers, sich von ihrem - im Briefwechsel streng erscheinenden — Vater zu lösen. Die Loslösung erfolgt durch Krommers Umzug von Boston nach New York im Jahr 1953. Sehr zurückhaltend formuliert Kramer, der sich selbst nicht zu helfen weiß, Ratschläge in persönlichen Angelegenheiten Krommers. So rät er ihr (Brief vom 11.11. 1953), sich einen Geliebten zu nehmen und entsprechende Vorkehrungen zur Empfängnisverhütung zu treffen. (Er denkt vermutlich an die Einsetzung einer Spirale). Im Stil der sozialdemokratischen Sexualaufklärung der frühen 30er Jahre schließt er die Erörterung mit dem Lehrsatz: In vielen Fällen ist die Schädigung nur eine minimale und wesentlich geringer als die der Abstinenz. Kramer studiert auch aufmerksam ihre Gedichte. Ich kann Ihnen nach der Lektüre Ihrer Gedichte aber sagen, daß Sie leiden an einer Melancholie”, die sich nicht heilen läßt, insbesondere nicht nach Ihrem Erlebnis.” Sie läßt sich vielleicht umsetzen in Kunst, sodaß man leben kann mit ihr. (Brief vom 4. August 1953)