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Ausstellung Risa Sattler in der Kinogalerie des Wiener Künstlerhauses Erstmals in Österreich stellt derzeit (bis 14. Februar 1996) die am 17.10. 1908 in Wien geborene Risa Sattler aus. Risa Sattler, Tochter des Bankiers Otto Sattler und der Mutter Anna, geborene Delivuk de Wolfgang, verbrachte Kindheit und Jugend im Erzgebirge bei Pflegeeltern und besuchte in Leipzig die Schule. 1925, mit 17 Jahren, ging sie allein und ohne Unterstützung der verarmten Familie nach Berlin, schlug sich als Hausmädchen, Köchin, Platzanweiserin durch, lernte von Tänzern aus Martinique kreolische Tänze, die sie in Revuen parodierte. Daneben besucht sie die private Kunstschule Reimann, die sie 1933 verlassen muß, weil sie (vom frühverstorbenen Vater her) ,,Halbjiidin“ ist. Die Mutter hat in zweiter Ehe den aus Königsberg stammenden Dramatiker und Theaterwissenschaftler Richard Rosenheim geheiratet und emigriert mit ihm in die USA. In der NS-Zeit ist Risa Sattler arbeitsdienstverpflichtet, zuerst als Bauarbeiterin, dann als Sprechstundenhilfe bei einem Zahnarzt. Verbindung zu dem Jugendfreund Horst Cornelsen; 1944 Geburt der Tochter MariaGabriela. Da ihr 1950 eine Entschädigung wegen entgangener Ausbildung zugesprochen wird, kann sie die Hochschule für Bildende Kunst als Gasthörerin besuchen. Ihr Lehrer ist Bernhard Borchard. Erst jetzt beginnt sie, 8 Es ist jetzt Mode geworden, Unabhängigkeit und Souveränität, also die Ergebnisse des Staatsvertrages von 1955, abzuwerten, ja sie sehr oft sogar als „‚obsolet“ zu erklären, also überholt, wertlos geworden; dasselbe wird von der Neutralität gesagt. Soll also die historische Realität, die dank dieser beiden Instrumente — Staatsvertrag und Neutralitätsgesetz — entstanden ist, abgeschafft werden, anders gesagt, die österreichische politische und kulturelle Identität? Sollen alle jene Lügen gestraft werden, die seit geraumer Zeit darlegen, daß die beiden Pfeiler der österreichischen Identität eben diese beiden sind? Wobei doch die Österreicher in großer Mehrheit bei allen Umfragen immer wieder gerade an diesen beiden konstitutiven Elementen festhalten? Während ältere und jüngere Historiker, aber auch Politiker und „Kultur“ politiker immer ungenierter auf Konzepte zurückgreifen, die nicht nur ihre Schädlichkeit schon eindeutig bewiesen haben, sondern tatsächlich „‚obsolet“ sind. In erster Linie sprechen so manche von der Ethnizität. Was das für ein Unsinn ist, wird uns täglich und stündlich sehr blutig vor Augen geführt, wenn wir uns den Ereignissen in Ex-Jugoslawien zuwenden. Die barbarischen Auseinandersetzungen zwischen Serben, Kroaten und Bosnier sollen mit ethnischen Gegensätzen begründet werden, ja man spricht von „ethnischen Säuberungen“. Bedenken diese merkwürdigen Völkerkundler nicht, daß die drei einander bekämpfenden Volksgruppen ein- und dieselbe Ethnie darstellen, daß sie dieselbe Sprache sprechen, serbokroatisch, und man ihnen einredet, daß sie durch religiöse Unterschiede — die tatsächlich bestehen — gezwungen werden, sich gegenseitig abzuschlachten? Religionskriege hat es vor Jahrhunderten gegeben, und als genug Tote gemacht worden sind, haben die Religionsführer erkannt, daß solche Konflikte nicht in die modernen Zeiten passen. Der Konflikt in Ex-Jugoslawien ist so grausam, ist so unsinnig, daß ich mir jede weitere Auslassung darüber erspare, vor allem eine solche, aus der man schließen könnte, daß ich für den einen oder den anderen der verschiedenen Akteure Partei ergreife. Ich komme auf Österreich zurück: ich will keineswegs sektiererisch sein: es ist ohne weiteres möglich, daß sowohl der Staatsvertrag als auch die Neutralität als Dokumente der neuen Bedingungen angepaßt werden; doch das kann auf keinen Fall heißen, daß sie „obsolet“ sind, da sie ja im Bewußtsein der Österreicher auch weiterhin als nationale und kulturelle Identitätsstifter vorhanden sind, das heißt als jene Faktoren, die ihnen dazu geholfen haben, sich ihrer selbst bewußt zu werden; daran kann keine Obsoleterklärung irgend etwas ändern und auch keine ideologische Bearbeitung populistischer Art, die ihnen — den Österreichern — wiederum einmal einreden will, sie seien gar keine Österreicher, sondern Deutsche. Wo das versucht wird, dort sind Pangermanismus und Antisemitismus nicht mehr weit, diese beiden Zwillingsbrüder österreichischen Verderbnisses, zu denen sich dann auch rasch der Haß gegen Ausländer und Minderheiten gesellt, solange bis Revisionisten und Negationisten es wagen, von einer „Auschwitzlüge“ zu faseln. Wenn es je dazu kommen sollte, daß die Auschwitzlüge nicht mehr als Gesetzesbruch bestraft wird, dann Gute Nacht Österreich, Gute Nacht die Zukunft Europas; dann stünde einer Wiederholung nichts mehr im Wege. Doch soweit wird es wohl nicht kommen, solange österreichische Verantwortliche eindeutig erklären, daß jenes Österreich, das nach dem Zweiten Weltkrieg erstanden ist, eine lebendige Antithese zur nationalsozialistischen Barbarei darstellt. Das führt mich zu Staatsvertrag und Neutralität zurück. Sie bleiben, in welcher Form immer, Pfeiler des österreichischen Selbstverständnisses. Dazu muß eindeutig festgestellt werden, daß es nicht die einzigen Pfeiler sind, wenn auch jene beiden Komplexe, die ich nun in meine Betrachtungen einbeziehen will, viel zu wenig — wie man jetzt sagt — „mediatisiert“ sind, und dafür haben nicht nur die Kommunikationswissenschafter die Verantwortung, sondern alle jene, denen es eigentlich zukommt, geistige ‚‚Multiplikatoren“ zu sein, also vor allem Lehrer und Forscher, Historiker, Philosophen, Kunstschaffende und nicht zuletzt die Journalisten. Ich spreche vom österreichischen Widerstand und von der österreichischen Kultur. Was den Widerstand betrifft, so muß auf die sehr wechselvolle Verwendung durch die sogenannte Koalitionsgeschichtsschreibung hingewiesen werden: Unmittelbar nach dem Krieg wurde die Rolle des Widerstandes herausgestrichen, um das Recht Österreichs auf seine eigene Existenz unter Beweis zu stellen. Später hat man auf den Widerstand und auf die Widerstandskämpfer vergessen, zugunsten der Werbung um die Stimmung ehemaliger — und oft gar nicht so ehemaliger — Nazis. Demgegenüber stelle ich fest: unabhängig von allen medialen Fluktuationen hat es einen österreichischen Widerstand gegeben, der — wenn dies auch keine Massenbewe