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3, Juli 1995). Noch eine abschließende Bemerkung. Das Mißverständnis, zu dessen Opfern immer wieder verschiedene ‚‚Internationalisten besonderer Art“ werden, besteht darin, die Nation als Quelle des Nationalismus anzusehen. Denn in Wirklichkeit war ja die Nation nichts anderes als die im Kampf gegen das ,,ancien régime“ aller europäischen Feudalmächte hervorgegangene fortschrittliche, demokratische und republikanische Gemeinschaft, die sich eben gegen die Mächte der Vergangenheit zur Nation zusammenschloß. Man kann hingegen als einen der Väter des Nationalismus — vor den Theoretikern des 19. Jahrhunderts — den guten alten napoleonischen Soldaten Nicolas Chauvin betrachten, einen Exaltierten des ,,Empire“, der zum Sinnbild des fanatischen Nationalismus geworden ist, also eines völlig negativen Wertes, dessen semantische Entwicklung, laut mancher gelehrter Enzyklopädie, bis zum englischen ‚male chauvinist“ in der Bedeutung von Phallokrat, also ‚,macho“ gegangen ist. Mit der demokratischen Nation hat das nichts gemein. Die österreichische Nationswerdung ist das Ergebnis einer eigenständigen Geschichte und Politik, österreichischer Widerstand und österreichisches Exil sind die konstitutiven Elemente einer Realität, die sich nicht als Ergebnis eines rückwärtsgewandten Nationalismus oder gar Chauvinismus präsentiert, sondern im Gegenteil, sich der Verwandtschaft mit seinen Nachbarn im Süden, Westen, Osten und Norden wohl bewußt, darauf besteht, sich seine nationale und kulturelle Eigenart auf demokratische Weise zu erhalten. Gert Kerschbaumer Den Vogel zeigen Vom 20. September 1995 bis zum 25. Februar 1996 zeigt das Salzburger Museum Carolino Augusteum eine gemeinsam mit dem Verein Salzburger Wehrgeschichtliches Museum konzipierte Sonderausstellung ‚Salzburg 1945 — 1955, Zerstörung und Wiederaufbau“. Die Eröffnung nahmen Oberst des Internen Dienstes Mag. Dr. Othmar Rath (Geschäftführender Obmann des Salzburger Wehrgeschichtlichen Museums), Univ.Doz. Dr. Robert Kriechbaumer und Landtagspräsident Univ.Prof. Dr. Helmut Schreiner vor. Den erhaschten Vogel bringt ein Lausbub zu seinem Lehrer, der mit Kennerblick AHA murmelt, sich mit dem Tier in der Bibliothek einschließt, in Brehms Tierleben blättert, jedoch vergeblich nach dem Namen forscht, worauf er in das Klassenzimmer zurückkehrt, dem dummen Buben das Federtier vor die Füße schmeißt und grimmig plärrt: Den Vogl gibts gar nicht. Nicht genügend! Doch der Bub hat brav studiert, auf Umwegen, zweiter Bildungsweg, 68er-bewegt und so. Er lehrt nun selbst, verbreitet vornehmlich unmögliche Geschichten, stiftet Verwirrung und behauptet ungeniert, auch das, was man in Brehms Tierleben nicht findet, ist möglich. Seine Mädchen und Buben bestaunen, ohne gestörtes Verhältnis zur Obrigkeit, den Galgen, der uns eingangs museal gepflegt entgegenglotzt. Das haptische Unding verhindert jedes Wort über Ungläubige, die in die Mühlen des Terrorapparates geraten sind. Ein Nazi-Gericht verurteilt einen Werksarbeiter, der den Glauben seiner Kameraden an den Endsieg zu erschüttern versucht habe, wegen Wehrkraftzersetzung und Feindbegünstigung zum Tode: Verräter hingerichtet! In diesem Sinne eröffnet ein österreichischer Offizier die Ausstellung Salzburg 1945 bis 1955 — Zerstörung und Wiederaufbau im Salzburger Museum Carolino Augusteum. Das Wort Verteidigung war unüberhörbar. Doch man applaudiert im Trachtenkorsett erst bei seinem identitätsstiftenden Ausfall gegen die linke Kulturszene, die mit Subventionen zugeschüttet werde, während man diese Schau selbstlos auf die Beine stelle. Daraufhin stolpere ich in die wenige Schritte entfernte American Bar, glaube, alles im Kragen Würgende mit knochentrockenem Roten schlucken zu können. Nobel und fruchtig läßt sich über das Sicht- und Anfaßbare nicht sinnieren, denn dahinter steckt das Unerhörte. Ich stöbere in den ersten demokratischen Sitzungsprotokollen der Ratsherren und werde alsbald fündig — wiederum ein abgemurkstes Vogerl: Bei Neubenennungen von Straßen sollen in erster Linie die Opfer des Faschismus berücksichtigt werden. Den wohlwollenden Moralisten erwidern die messenden Pragmatiker, daß es praktisch unmöglich sei, soviele Straßen zu finden. Gescheiter tes Israel und der Bundesrepublik Deutschland; half bei der Zeugensuche für die Naziverbrecher-Prozesse; bot eine Plattform für deutsch-jüdische Themen. Ergänzt wird die in Wien gezeigte Wanderausstellung durch Orginalausgaben, Handschriften und Fotos aus dem Bestand der „Österreichischen Exilbibliothek im Literaturhaus“. Zur Eröffnung sprach die derzeitige Chefredakteurin Dr. Gertrude Schneider, eine Historikerin, die aus Österreich stammt. Der Film ,,Emigration, N.Y.“ von Egon Humer wird im Rahmen der Ausstellung am 2. Februar um 19 Uhr im Literaturhaus gezeigt. (Siehe Filmbesprechung S.39 in diesem Heft). Anne Betten liest am 5. Februar, 19 Uhr, aus dem von ihr zusammen mit Miryam Du-Nour herausgegebenen Buch ,, Wir sind die Letzten. Fragt uns aus. Gespräche mit den Emigranten der dreißiger Jahre in Israel“ (Bleicher Verlag 1995). Vielleicht läßt sich im Zusammenhang mit der Ausstellung eine Klärung herbeiführen, wann und unter welchen Umständen Uwe Westphal, der Chefredakteur des Aufbau, nach kurzer Tätigkeit im Vorjahr wieder entlassen wurde, anscheinend nach Intervention deutscher Stellen, die an der Berichterstattung der Zeitung Anstoß nahmen. Eine offene Darlegung scheint uns dringend geboten. Alfred Klahr Gesellschaft Die KPÖ hat ihre Archivbestände als Dauerleihgaben der 1993 gegründeten Alfred Klahr Gesellschaft übergeben. Diese hat u.a. die Aufgabe übernommen, die Bestände für die wissenschaftliche Forschung bereitzustellen. Archivleiter ist Dr. Willi Weinert. Das Archivbestände umfassen die Bibliothek des ZK der KPÖ (in welcher sich, zum Teil aufgrund von Nachlaßschenkungen, auch viele belletristische Bücher finden), das Zeitungsausschnittarchiv der „Österreichischen Volksstimme“, des Zentralorgans der KPÖ, mit einer riesigen Fotosammlung und das Zentrale Parteiarchiv, dem das Archiv des eingestellten Globus Verlages angegliedert ist. In welchem Ausmaß die Archivbestände bereits archivalisch aufgearbeitet und wirklich zugänglich sind, ist nicht bekannt. Auf jeden Fall dürften die Archivbestände der KPÖ in etlichen Aspekten für die Exilforschung bedeutsam sein. Adresse: A-1140 Wien, Drechslerg.42, Tel. 9821086, Fax Durchwahl 18. 11