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Zeitzeuge unverdächtige Viktor Matejka sich erinnert hatte. Ansätze, hermeneutische Instrumentarien zu entwickeln, die einen Zugang zu diesen Bereichen erschließen und einen interpretativen Rahmen ermöglichen, wurden in Referaten vorgestellt. Ein Netz objektiver Parameter wie Mitgliedschaften, materielle Verhältnisse der Autoren und andere Faktoren könnten so neben dem interpretativen Verfahren gleichsam zu einem Meßinstrument dafür entwickelt werden, inwieweit die Unabhängigkeit des einzelnen gegeben war (Karin Gradwohl-Schlacher und Uwe Baur). Dies scheint mir umso wichtiger, als die innere und/oder äußere Unabhängigkeit, um diese Dichotomie zu verwenden, letztlich Voraussetzung und auch einziges gemeinsames Kriterium für das genannte Kontinuum von Haltungen und Handlungen darstellt. In einem anderen Vortrag (Erwin Rotermund und Heidrun Ehrke-Rotermund) wurde der Ansatz eines hermeneutischen Zugangs zur Ebene der Sprache vorgestellt, der auf den Mitteln der klassischen Rhetorik und einem Arsenal rhetorischer Figuren aufbaut. Verdecktes Schreiben als ästhetische beziehungsweise stilistische Charakterisierung der Inneren Emigration könnte so beschreib- und analysierbar gemacht werden. Zu überprüfen wäre jedoch, ob die linguistische Pragmatik als theoretischer Rahmen für den Bereich des Zwischen-den-Zeilen-Lesens hochelaborierter Semantik die erwartete Hilfestellung zu leisten vermag. Eine sehr persönliche Beobachtung: Ostmark war der offizielle Name des annektierten Österreich von 1938 bis 1942, bis dann, da der Name letztlich stets die Konnotation der ehemaligen Selbständigkeit zu transportieren vermochte, nur mehr die Sammelbezeichnung Alpen- und Donaureichsgaue verwendet werden sollte.? Es ist unangebracht, wenn Anführungszeichen nicht hör- oder sichtbar sind und wenn außerhalb der Wiedergabe offiziellen Sprachgebrauchs ohne ‘Ironie’ von Ostmärkern gesprochen wird. Mag sein, daß die stereotype Verwendung spezifischer markierender sprachlicher Merkmale, die auf Textebene leicht anzubringen sind, nicht die Aussage konstituiert, die Unterlassung jedoch weist in Richtung des , symptoms fiir verdiinnte Sprachkultur“, wie es Peter von Polenz anläßlich des von ihm so bezeichneten Jenninger-Syndroms interpretierte.” Auf der Suche nach der Inneren Emigration im Österreich der Jahre 1938 bis 1945 erwies sich rasch, daß der Begriff einer 26 Präzisierung bedarf, wenn nicht ein Verständnis zugrundegelegt werden soll, das mögliche Perspektiven und Fragestellungen einengt. Die in einigen Vorträgen angesprochene Relativierung des Begriffs erfolgte meines Erachtens zurecht, sollte aber zur Folge haben, daß man anderes an dessen Stelle zu setzen vermag. Innere Emigration ist ex negativo natürlich nicht zu definieren: Obwohl offener Widerstand und Emigration streng abzutrennen sind, verbleibt selbstverständlich nicht per se der Bereich als der der Inneren Emigration, der als nicht-nationalsozialistisch zu bewerten ist. Die Folge wäre eine Art ideologisches ‘Mittelstandsdenken’. Sollte demnach der Begriff geopfert werden zugunsten eines Ensembles von Haltungen? Das Programm des Symposiums gewährte den Raum, und es ist den Veranstaltern positiv anzurechnen, daß Bereiche diskutiert wurden, die nicht eigentlich als Innere Emigration angesprochen werden können. Innere Emigration bildet solcherart jedoch eine Synthese, bei der nach meinem Eindruck die Gefahr besteht, daß die Klammer vieles nicht mehr zu umspannen vermag, sollte sie konsistent und handhabbar bleiben. Was also soll und kann unter Innere Emigration subsummiert werden? Es scheint mir bezeichnend, daß an einem Nachmittag seitens der Diskussionsleitung das Stichwort mehrmals eingefordert wurde. Der Richtigkeit meiner Beobachtung bin ich nicht gänzlich sicher, glaube aber, daß die Bereitschaft der nichtösterreichischen Teilnehmer an der Konsistenz der Kategorie Innere Emigration zu zweifeln, geringer ausgebildet war als die der österreichischen. Dies resultiert wohl auch daraus, daß die österreichische innenpolitische Situation von der in Deutschland ab 1933 abwich. Im nationalsozialistischen Deutschland erfolgte die ,,Gleichschaltung“, wie die Nationalsozialisten ihre Form der gesellschaftspolitischen Herrschaftssicherung und Errichtung des kompakten totalitären Staates gerne schlagwortartig selbst bezeichneten, letztlich rasch. In Österreich verlief der Prozeß über einen längeren Zeitraum verteilt und auf eine vorerst mildere Art und Weise. Es wäre aus dieser Perspektive also zu fragen, ob dies eine mentalitätsgeschichtliche Differenz verursachte, die ihren Niederschlag auch in der Literatur fand. Ermöglichte es die schleichende und dann immer rascher erfolgende Unterminierung durch den sogenannten Austrofaschismus, ein ‘Personal’ herauszubilden, Haltungen einzuüben, war der Ständestaat aus dieser Perspektive eine kulturelle Etappe zum absoluten nationalsozialistischen Staat? Gab es 1933 bis 1938 in Österreich Innere Emigration? Die Analyse und Bewertung der Jahre 1938 bis 1945 ist gerade in der Entwicklung dieser Haltung ohne Einbezug und Vergleich der vorangegangenen Periode des sogenannten Austrofaschismus meines Erachtens nicht vollständig. Helga Schreckenberger zeigte in ihrem Vortrag, daß der Begriff der Inneren Emigration in den ersten Nachkriegsjahren in österreichischen Kulturzeitschriften nicht unumstritten war. Interessant wäre es, hier anzuschließen und zu fragen, ob diese Diskussion die spezifische, viele Bereiche umfassende ‘Gemengelage’ der Jahre nach 1945 widerspiegelt. Die zögerliche und von offizieller Seite wenig geförderte Rückkehr Exilierter ist bekannt. Das als konservativ zu bezeichnende Kulturklima der 50er Jahre dürfte auch eine Folge dieses Prozesses sein. Und auch eine Folge davon, daß Vertreter der Inneren Emigration — waren es wirklich ‘innere Emigranten’? — die Richtung bestimmten? Die gut dokumentierte Kontroverse zwischen den Proponenten Frank Thieß und Thomas Mann besaß im Nachkriegsdeutschland dieser Jahre einen hochpolitischen Hintergrund und konnte so auch instrumentalisiert werden. Zu untersuchen wäre, ob und inwieweit diese Auseinandersetzung in Österreich nicht doch breiter rezipiert und für unterschiedliche Positionierungen eben auch politisch und weltanschaulich vereinnahmt und benutzt wurde. Man kann dem Veranstalter und den Organisatoren keineswegs nachsagen, daß sie versucht hätten, sich in einem ersten Schritt auf die Etappe einer bloßen Bestandsaufnahme zu beschränken. Sie hatten im Gegenteil den Mut, das schwierige Spektrum dieses für Österreich noch wenig bearbeiteten Themas zur Diskussion zu stellen. Wünschenswert wäre eine Fortsetzung dieses vielversprechenden Beginns. Anmerkungen 1 GRIMM, Reinhold: Im Dickicht der inneren Emigration. In: Die deutsche Literatur im Dritten Reich. Hrsg. von H. Denkler und K. Prümm. Stuttgart 1976. S. 406ff. Zitat S. 411. 2 Vgl. zusammenfassend ZÖLLNER, Erich: Der Österreichbegriff. Formen und Wandlungen in der Geschichte. Wien 1988. S. 82ff. 3. POLENZ, Peter von: Verdünnte Sprachkultur. Das Jenninger Syndrom in sprachkritischer Sicht. In: Deutsche Sprache 17 (1989), S. 289 - 316.