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Zwei weitere Bände der Soma Morgenstern-Werkausgabe in Einzelbänden erschienen Die dreiteilige, aber noch immer unvollendet gebliebene Autobiographie des österreichischjüdischen Schriftstellers Soma Morgenstern widmet sich in in den ersten zwei Teilen seinem Leben mit Freunden, besonders Joseph Roth (vgl. die Besprechung in MdZ Nr.2/1995, S.49f.) und Alban Berg. In dem Band über Berg beschreibt Morgenstern voll Bewunderung den befreundeten großen Komponisten: ‚,... wer Alban Berg als Mensch, als Künstler, als Freund gewesen ist, wie liebenswert sein Wesen, wie lauter sein Charakter, wie schön anzuschauen der Mann, wie Gott und allen Menschen gefällig’... Während bei Morgensterns erstem Besuch bei Berg tiber Peter Altenberg gesprochen wurde, den Morgenstern damals sehr schätzte. beschäftigte man sich in weiteren Begegnungen vor allem mit dem unerschöpflichen Thema Karl Kraus. Der bewußte Jude Morgenstern nutzt die Erinnerung an Berg aber auch zur Abrechnung mit dem Antisemitismus von Kraus. Schon längst hätte er bemerkt, daß Kraus ,,mit Gusto antisemitelte“, obwohl er sonst die Zeitkritik des Schriftstellers zu würdigen wußte: „Jede Nummer der Fackel wirkte wie die Säuberung einer verdorbenen Atmosphäre durch eine ozonreiche Brise. Leider hat er es kaum in einer Nummer fertiggebracht, seinen Drang zum Antisemitismus zu unterdrücken.“ Einmal hielt er Berg einen langen Vortrag über abtrünnige und getaufte Juden, dem der Freund mit großem Interesse lauschte. Die wichtigsten Thesen dieses Vortrags sind in Morgensterns Erinnerungen überliefert. In New York machte ihn ein ebenfalls aus Wien stammender Dichter — Morgenstern nennt ihn nicht beim Namen, aber der Herausgeber vermutet, daß es sich um Ernst Waldinger gehandelt haben könnte — auf ein Zitat aus Karl Kraus’ Worte in Versen aufmerksam, das ihn furchtbar empörte: „Der Diener ist schon alt, als hätt’ er viele Jahre/schon Gott gedient, so sieht er in die fremde Zeit./Zehntausend Juden sind nicht wert dies eine wahre,/einfältige Gesicht voll Dienst und Dankbarkeit.“ Morgenstern schreibt dazu, wie froh er ist, daß Berg dieses Bekenntnis in Versen erspart geblieben sei, und daß Himmler, hätte er diesen Vierzeiler gekannt, ihn vielleicht ,,am letzten Eingang zu den Gaskammern anbringen lassen‘ hätte können. ‚Er wäre da nicht fehl am Platz gewesen.“ „Ein Judenjunge aus Frankfurt am Main“ betitelt sich ein kurzes Kapitel, in dem Morgenstern von dem Besuch des jungen Theodor W. Adorno bei Berg in Wien erzählt. Adorno nahm 1925 ein halbes Jahr lang Kompositionsunterricht bei Berg nahm, Das Kapitel ist schr amüsant zu lesen. Helene Berg bittet nämlich den Freund um Hilfe, da ,,ein Judenjunge aus Frankfurt am Main“ seit dem Nachmittag bei ihnen eingeladen und nicht mehr loszuwerden sei. Die folgende Schilderung von Morgensterns Eindruck nach den ersten längeren Gesprächen mit dem damals 21jährigen Dr. Wiesengrund hätte diesen wahrscheinlich sehr erstaunt: ,,Auf den ersten Blick erinnerte er mich ... in seinem ganzen Gebaren an fromme, zarte und linkische Judenjungen aus einer Jeschiwa im Osten ... Für die ganze Gestalt sprachen am besten die Hände: schmal, mit langen Fingern, geradezu delikat, von einnehmender Sensibilität. Solche Hände sah ich nicht selten bei jungen Talmudschülern im Osten.“ Morgenstern stellte bald fest, daß Adorno ein wohlgebildeter und wohlgelehrter junger Mann war, von dem er nur bedauerte, daß er sich eine hegelianisch-marxistische Sprache, ein philosophisches ‚Volapük“ zugelegt hatte. Die intensiven Gespräche in Wien wurden später kaum mehr fortgesetzt, was Morgenstern Adornos rücksichtslos wucherndem Ehrgeiz, der ihn auch den Namen Wiesengrund aufgeben ließ, zuschreibt. 1926 suchte Berg nach dem Erfolg seines Wozzeck den Stoff für eine neue Oper und erwog damals eine Vertonung des jiddischen Stückes Dibbuk, das damals erfolgreich von der berühmten Wilnaer Truppe aufgeführt wurde. Morgenstern sollte für Berg das Stück übersetzen und einrichten. Berg wollte sich die Rechte der Vertonung sichern, mußte aber feststellen, daß ihm der Wiener Pianist Wilhelm Grosz zuvorgekommen war, der die Oper dann nie geschrieben hat. So ließ Berg den Plan fallen, weil er in keinen Streit verwickelt werden wollte, und war „lange Zeit sehr unglücklich darüber‘, bis er später die Oper „Lulu“ schrieb. Der Mittelteil des Buches enthält die Korrespondenz zwischen Berg und Morgenstern, die allerdings bis auf wenige Stellen bei weitem nicht so aufschlußreich ist wie die später niedergeschriebenen Erinnerungen. Interessant ist die Debatte der beiden Briefschreiber darüber, ob Franz Werfel das Vorbild für den Schriftsteller war, der in Morgensterns 1930 in Berlin erschienenen Roman ‚Der Sohn des verlorenen Sohnes“ auf dem Kongreß der Agudath Israel einen Vortrag zum Thema ‚‚Kann der Jude ohne Gottesglauben existieren?“ hält. Außerdem enthält das Buch Exkurse über die Literatur und über die Bibel, über die fragwürdigen Blüten der Assimilation jüdischer Sozialdemokraten, über Thomas Mann und Arnold Schönberg. Das vorletzte Kapitel schildert Morgensterns Besuch bei Helene Berg nach 1945 in Wien. Im Nachwort des Herausgebers heißt es: ‚Wie Morgenstern wohl niemals gebeten worden ist, nach Wien zurückzukehren - aber er wäre auch dann nicht zurückgekehrt , so hat wohl niemand dort und anderswo in Europa ein sonderliches Interesse an seiner Arbeit und seinen Erinnerungen gezeigt. Man hat ihn nicht gebraucht. All dies zusammen hat ihm über Jahrzehnte hin das Schreiben schwergemacht.“ Über viele seiner Freunde konnte Morgenstern daher in seiner nicht mehr vollendeten Autobiographie nicht mehr berichten. Die Schilderung seiner Jugend in Ostgalizien konnte er jedoch zum Glück noch vollenden. Er hat damit ein besonders schönes und berührendes Buch geschaffen. Anfangs schildert er seine vaterliche Familie ,,von Frommen und Gelehr“ ten“ und seine mütterlichen Vorfahren von durchaus irdischen und praktischen Menschen. Der Weg zum Cheder, zur traditionellen jüdischen Knabenschule, war für ihn, wie er genau analysiert, auch der erste Schritt zur Schriftstellerei. Morgenstern verbrachte seine Kindheit in vier galizischen Dörfern, in denen sein Vater jeweils als Toraleser fungierte. In Galizien galt die Beherrschung des Deutschen für Juden als Kennzeichen von Bildung. Besonders lesenswert sind Morgensterns Bemerkungen über Martin Buber und tiber die jiddischen Schriftsteller Leib Perez, Abraham Reisen und vor allem Schalom Asch, zu dessen Biographie er eine interessante, jedoch wenig schmeichelhafte Ergänzung überliefert. Später versandete Morgensterns Interesse an jiddischer Literatur. Die vielen jüdischen Ausdrücke machen das Glossar in diesem Band besonders wichtig. Für das Nachwort sammelte der Herausgeber alle mühsam zusammengetragenen Informationen über Morgensterns Familie, obwohl sich kaum Dokumente erhalten haben. Evelyn Adunka Soma Morgenstern: Alban Berg und seine Idole. Erinnerungen und Briefe. Hg. von Ingolf Schulte. Lüneburg: Verlag zu Klampen 1995. 411 S. DM 74,Soma Morgenstern: In einer anderen Zeit. Jugendjahre in Ostgalizien. Hg. von Ingolf Schulte. Lüneburg: Verlag zu Klampen 1995. 419 S. DM 76,ran) Ida Lucas gestorben Wir trauern um Ida Lucas, die Witwe von Robert Lucas-Ehrenzweig, die am 26. Dezember 1995 nach langer schwerer Krankheit in London gestorben ist. Zur Präsentation der von Uwe Naumann neu herausgegebenen Briefe des Gefreiten Hirnschal war sie zuletzt 1994 auf Einladung des Vereins zur Förderung und Erforschung der antifaschtischen Literatur mit ihrem Sohn David in Wien. 41