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Presse-Vereinigung (AIB), Herbert Moses, dessen Vater wie Marica Horvat-Frischauer aus Zagreb stammte. Neben den Kontakten zu Emigranten waren für Paul Frischauer die Beziehungen zu brasilianischen Journalisten, Schriftstellern und Politikern, die durch die Protektion von Vargas erleichtert wurden, von besonderer Bedeutung - sowie auch jene zu Proponenten der Kultur- und Joint-venture-Programme der USA, die ab 1942 in Brasilien massiv einsetzten. Aufdiese Verbindungen hoffte Paul Frischauer in den USA bauen zu können. Der amerikanische Buchmarkt sollte ebenfalls bessere Absatzchancen bieten. Ende 1944 war Vargas’ Abtreten von der politischen Bühne absehbar geworden. Frischauer hätte als Freund der Familie Vargas unter dem Nachfolger General Gaspar Dutra im brasilianischen System des ,,coronelismo“ und der „Gefolgschaftstreue“ gewiß nicht mehr mit einer Vorzugsstellung rechnen können. Ende 1944 ging Paul Frischauer in die USA (Ankunft am 28. Dezember). 1953 — im dritten Jahr nach der Wiederwahl von Getulio Vargas — kehrte Paul Frischauer nochmals nach Brasilien zurück, diesmal im Auftrag des amerikanischen Senators Estes Kefauver, der für das State Departement Kulturpropagandafilme verkaufen und Wirtschaftskontakte anknüpfen sollte. In der regierungstreuen, nationalistischen Zeitung Ultima Hora von Samuel Wainer hatte Frischauer ein Jahr zuvor einige pro-amerikanische Artikel plaziert. Die politische Strategie der USA der fünfziger Jahre zielte in dieser Zeit des Kalten Krieges auf Erhaltung und Kontrolle von Macht in der westlichen Hemisphäre, um mit dieser Art der ,,Marshall-Hilfe“ für Lateinamerika kommunistische Einflüsse zu unterbinden und Brasilien für den Eintritt in den Korea-Krieg zu gewinnen.?° Mit der Förderung der basilianisch-US-amerikanischen Beziehungen war Frischauer nachweislich bis mindestens 1956 befaßt, als er mit Green Gold eine Geschichte des Kaffees publizierte, die vom ‚‚Instituto Brasileiro de Cafe“ in Auftrag gegeben worden war — der Public Relations Manager des Brasilianischen Kaffeeinstitutes für die Vereinigten Staates, Herbert Cerwin, war gleichzeitig Vizesekretär des State Departments. Zahlreiche berufliche Einstiegsversuche, zum Beispiel beim Werbe-Imperium McCann Erickson oder bei der Verlagsgruppe Ziff & Davis, zeitigten keine Erfolge. Trotz großteils sehr guter Kritiken seiner in den 30er Jahren und zwischen 1949 und 1951 verfaßten Romane konnte er nicht mehr an die literarischen Erfolge anknüpfen. Am 22. Juli 1934 hatte das New York Times Book Review beispielsweise über den Prince Eugen enthusiastisch geschrieben: ‚‚It is just such speculations, everywhere latently suggested by Paul Frischauer’s pages, which makes the book fascinating.“ Der Literaten- und Künstlerkreis um Hertha Pauli, seine Kollegin aus Wiener Zeiten, — zu ihm zählten u.a. Franz Molnar und George Grosz — vermochte Paul Frischauer nicht zu helfen, seine Schreibhemmung zu überwinden. Erst die Rückkehr nach Österreich im Jahre 1958 und die Heirat mit der Schauspielerin Ingeborg Philipp (als Schriftstellerin Gaby von Schönthan) ermöglichte wieder die literarische Arbeit. Engen Anschluß an den österreichischen Literaturbetrieb aber fand Paul Frischauer nicht mehr, u.a. auch weil seine Texte nicht in die traditionalistische Scheune des den Platz beherrschenden P.E.N.-Club eingefahren wurden, und schon gar nicht in der immer stärker rezipierten Avantgarde zu Hause waren. Als Bertelsmann- und Droemer-Autor erschrieb er sich einen Platz unter den auflagenstärksten Autoren von populärwissenschaftlichen Büchern und von Belletristik am deutschsprachigen Buchmarkt der 60er Jahre. Sein Freund, der Regisseur Michael Kehlmann, gestaltete zudem Die Welt der Bühne als Bühne der Welt als Fernsehspiel für den Bayrischen Rundfunk.?? Die „historische“ Bedeutung Paul Frischauers wird aus dem hier Skizzierten ersichtlich: seine exponierten Positionen in der Emigration, die Einflußnahme in mehreren Ländern, besonders in Brasilien, die internationalen Beziehungen, die sich in seiner Geschichte spiegeln ... Seine literarische Bedeutung kann an diesem Rahmen anhand eines Beispiels angedeutet werden: Zwischen 1934 und 1951 hatte Paul Frischauer für seine ins Englische übersetzten Romane im einflußreichen New York Times Book Review 7 — positive — Kritiken, im selben Zeitraum erscheinen von Publikationen von Bert Brecht 10, Hermann Broch 6, Alfred Döblin 4, Ödön von Horvath 3, Joseph Roth 6, Ernst Toller 4 — um nur einige bekannte Emigranten zu nennen, denen hier nicht mehr Beachtung geschenkt wurde als Paul Frischauer (auf die meisten Rezensionen kam Thomas Mann: 43, Emil Ludwig: 35, Stefan Zweig: 29, Franz Werfel: 27). Die ,,vélkischen“ Autoren und Autorinnen fanden — aus einsichtigen politischen und marktpolitischen, wohl aber auch aus ästhetischen Gründen - kaum Resonanz: über Grete von Urbanitzkys Werk wurden 4 Kritiken publiziert, je eine über stungen im Raum, verbrannt von Verzweiflung, ...“ -Nun, ich denke, das ist deutliche Antwort genug auf jede Art von Wirklichkeitsverweigerung. Denn hier sind Verzweiflung und Trauer. Und ihnen glaube ich mehr als dem überheblichen, kunstvollen, sei es auch literarischen Wort. Denn das Leben ist der letzte Beweis; und nicht die Literatur. Referat bei der Regionalkonferenz des Tschechischen P.E.N.-Zentrums in Prag, vom 29. Februar bis 2. März 1996, mit dem Thema ‚PRISON (or EXILE) IN LITERATURE — LITERATURE IN PRISON (or EXILE)“. Erich Hackl Im Heimwehland Vor vier Jahren hat Gerd Eisenbiirger in ‘ila’, der Zeitschrift der Bonner Informationsstelle Lateinamerika, die Reihe ‘Lebenswege’ gestartet. Abseits der aktuellen Berichterstattung ist Raum fiir biografische Skizzen, in denen die Erinnerungen deutschsprachiger Linker in Lateinamerika und lateinamerikanischer Oppositioneller in Deutschland bewahrt werden. Knapp dreißig Interviews sind bisher erschienen; fünfzehn von ihnen hat Eisenbürger für einen Sammelband ausgewählt und mit historischen Studien, Aufsätzen und literarischen Texten seiner Gesprächspartner ergänzt. Alle Gespräche kreisen um Probleme des Exils und des Widerstands, um das Erleben von Fremde und Nähe, um Weggehen und Wiederkehren, um Verlust der einen und Gewinn einer zweiten Heimat, um die Sehnsucht auch nach dem verlorenen Exil — dem „Heimwehland“ , wie Nelly Mefffert, Witwe des Malers und Graphikers Clément Moreau, ihr Exilland Argentinien nennt. Die Erfahrung des antifaschistischen Exils läuft gegenwärtig — nach über einem halben Jahrhundert — Gefahr, zum akademischen Forschungsobjekt zu verkommen. Ohne die Bedeutung der wissenschaftlichen Beschäftigung zu leugnen, meine ich, daß diese nicht losgelöst von einem vitalen Interesse, von einer Zuneigung, die aus Zuwendung erwächst, erfolgen sollte. Aber oft beschleicht mich das Gefühl, den AutorInnnen einschlägiger Untersuchungen gehe es primär ums publizistische Renomee, oder um das pedantische Verlangen, Lücken zu füllen, Plätze abzustecken, sich revolutionärer Entwürfe nicht zugunsten eigener Lebensentwürfe zu vergewissern, sondern sie zu sammeln, in Spiritus einzulegen oder aufzuspießen wie exoti25