OCR
Illustration von Robert Rottensteiner in dem Kinderbuch von Thomas Brezina ,, Wer spukt im schwarzen Schloß?“, S. 37. Die Szene zeigt Dr. Spinntus mit Mario Monedas. Illustration von Robert Rottensteiner in dem Kinderbuch von Thomas Brezina ‚Wer spukt im schwarzen Schloß?“, $S. 39. Dr. Spinntus freut sich nach dem Weggang Monedas über das abgeschlossene Geschäft Unten: Dr. Spinntus hat Karo und Klaro gepackt. 10 Vladimir Vertlib „Jud Süss“ für Kinder Die Illustrationen des Zeichners Robert Rottensteiner zu einem Kinderbuch von Thomas Brezina erinnern an antisemitische Hetzbilder. Die Kinder Karo und Klaro und das allmächtige Fahrrad Tom Turbo haben in der Geschichte ‚Wer spukt im schwarzen Schloß?“ scheinbar unglaubliche Abenteuer zu bestehen, bevor — wie immer — das Gute über das Böse siegt. Der Bösewicht — und er ist so durch und durch schlecht, daß jegliches Nachdenken über die Hintergründe seiner Gemeinheiten, ja über seine Person, sofort im Keim erstickt wird - ist ein verrückter Wissenschaftler namens Doktor Spinntus. Der nicht gerade geistreich gewählte Name wird durch eine Kapitelüberschrift (‚‚Doktor Spinntus spinnt!“) zusätzlich auf den Punkt gebracht, was unter anderem zeigt, wie Thomas Brezina, der Autor, die Intelligenz seiner jungen Leser einschätzt. Der Wissenschaftler bewohnt ein schwarzes Schloß, wohin er mit Hilfe einer Spezialpfeife alle Tiere der Stadt lockt und wo er an seinen Opfern Experimente durchzuführen plant. Er hat einen Superbrei entwickelt, der Babys im Rekordtempo wachsen lassen soll. Da seine Tests noch nicht abgeschlossen sind, möchte er an den Tieren seinen Brei erproben. Doch da dringen die drei Helden der Geschichte in das düstere Gemäuer ein, wo sie (wie könnte es anders sein) auf Gespenster stoßen und wo es selbstverständlich auch ein dunkles Verlies gibt, in das sie vom Bösewicht eingesperrt werden und das sich als mörderische Falle entpuppt. Doch letztlich gelingt es ihnen, sich zu befreien und dem Tierquäler das Handwerk zu legen. Soweit in groben Zügen die nicht besonders originelle und in den Beschreibungen, besonders aber in den Dialogen eher peinlich wirkende Geschichte. Fast jeder Satz enthält ein Klischee oder eine abgegriffene Formulierung. Weitaus schlimmer als der Text sind jedoch die Zeichnungen von Robert Rottensteiner, der die banale Vorstellung, das Böse zeige sich im Äußeren eines Menschen, durch den Rückgriff auf altgediente (und wie sich ° zeigt leider noch nicht ausgediente) Stereotype illustriert. Doktor Spinntus ist ein „„grauhaariger Mann, dessen Gesicht an einen Raubvogel erinnert“, wie es im Text heißt. Darüber hinaus hat er eine Hakennase, große Ohren, einen gierigen und lüsternen Blick, scharfe Zähne, ein durchtriebenes Lächeln, gekraustes, dunkles Haar; er hat einen Buckel und einen kurzen Hals; auf einem der Bilder reibt er sich die Hinde. ,,Der Kopf des Mannes schnellte nach vorn“, liest man, ,,und seine Augen wurden groß und gierig. Er riß die Geldscheine an sich ... Freudig rieb er sich die Hände ...“ Solche Darstellungen sind nicht neu. Sie tauchten und tauchen immer wieder auf. Im Nazi-Hetzblatt ,,Stiirmer“ zum Beispiel, wo das Bild des Juden durch ähnlich geartete Zeichnungen wiedergegeben wurde. Oder in einem anderen Kinderbuch, 1938 unter dem Titel ,, Der Giftpilz“ im Dritten Reich erschienen, wo es heißt: „‚Die Judennase ist an ihrer Spitze gebogen. Sie sieht aus wie ein Sechser...‘“ Robert Rottensteiners Zeichnungen wirken auf mich, als hätte da einer auf diese Vorlagen zurückgegriffen. Schon im 19. Jahrhundert wurde vielfach die Ansicht vertreten, daß der (angeblich bösartige) Charakter der Juden ihren Gesichtszügen und ihrer Körperhaltung abzulesen sei. Die Nazis übernahmen nur allzu willig diese abstruse Vorstellung, setzten „‚häßlich“ (oder bestimmte Köpermerkmale, die bei ihnen als häßlich galten) mit „‚schlecht“ gleich, was an sich schon menschenverachtend und rassistisch ist, und unterstellten zudem Personen jüdischer Herkunft ein Aussehen, das in den Nazikarikaturen immer eine ins Irreale übertriebene Darstellung dessen war, was als ,,rassisch minderwertig“ angesehen wurde: Hakennase, dicke Lippen, enge Stirn, Buckel, etc. Die solcherart entstandenen Karikaturen hatten mit realen Menschen nichts zu tun. Oft wurden Juden auch als Mädchenhändler und -schänder, Kraken, Spinnen (Doktor Spinntus?!) und „„Geldsäcke“ dargestellt. Die Attribute, mit denen Doktor Spinntus versehen worden ist, gehörten jedenfalls immer