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Maria Kramer „Ich fühl’ in mir den Drang zu großen Taten...“ Zum Gedenken an Hans Just In den letzten Jahren erinnerte man sich im zunehmenden Ausmaße wieder der vielen literarischen Talente der Zeit der Jahrhundertwende und der Endphase der Donaumonarchie und würdigte die oft vergessenen, indem man ihre Werke durch Neuauflagen belebte. Anders verhält es sich mit den Arbeiten ebenso zahlreicher Dichter, die der unbarmherzigen Diktatur des Nationalsozialismus physisch und geistig zum Opfer fielen. Selbst wenn sie der gezielten Ausrottung in den Vernichtungslagern entgingen und mit dem Leben davonkamen, so war doch ihre gesamte künstlerische Entfaltung, ihr sprachliches Umfeld und zugleich die geistige Heimat zerstört. Nur wenigen, die schon vor ihrer Vertreibung oder Inhaftierung ‚‚große Namen“ trugen, wurde im Nachkriegs-Österreich Würdigung und Wiedergutmachung zuteil. Die meisten von jenen Dichtern, deren Präsenz in der literarischen Öffentlichkeit sich vor dem Einmarsch Hitlers gerade erst zu entfalten begonnen hatte, gingen leer aus. Zu der großen Zahl der heute Vergessenen gehört auch Hans Just. Er ist einer jener, die, zerbrochen an Kraft und Gesundheit, auch im Frieden nicht mehr die Möglichkeit fanden, sich künstlerisch durchzusetzen. Ihre Wiederentdeckung scheint dem Zufall anheimgestellt, denn ‚‚überlebt“ haben sie nur durch die Erinnerung derer, die sie liebten und die an ihre Werke glaubten. So Hans Just, der für mich durch die Erinnerungen seiner Frau Klara zur Entdeckung wurde. An diesem Beispiel ist mir bewußt geworden, daß hier nicht nur ein gegen das Naziregime aufbegehrender Mensch, der politischen Widerstand geleistet hat, seine Lebenskraft einbüßte, sondern daß auch der künstlerische Lebensweg eines österreichischen Lyrikers zerstört wurde. Hans (eigentlich: Johann) Just, geboren am 22. August 1907 in Wien, wuchs in sehr bescheidenen Verhältnissen bei seinen Großeltern auf. Sein Vater, Angestellter bei der Fa. Maggi, war ab 1914 an der Front und anschließend in russischer Gefangenschaft, seine Mutter arbeitete zu dieser Zeit als militärische Schreibkraft in Rumänien. Ab dem Jahr 1920 verbrachte Hans Just die Sommermonate immer wieder in Holland bei Pflegeeltern, und er hielt zeitlebens Kontakt mit diesem Land. Ein guter Schüler besuchte er das Realgymnasium in Wien und maturierte mit Auszeichnung. Seinen Wunsch, Chemie zu studieren, mußte er allerdings aus finanziellen Gründen bald aufgeben. Auf Empfehlung des sozialdemokratischen Schulreformers und Vizepräsidenten des Wiener Stadtschulrats Otto Glöckel erhielt er 1927 eine Anstellung bei der Wiener Städtischen Versicherung, bei der er bis zu seiner Pensionierung blieb. Daneben, von 1929-31, studierte er an der Technischen Hochschule Finanzwissenschaften, Mathematik und Physik. Schon früh zeigte sich seine literarische Begabung, und bereits 1927 konnte er seine ersten Gedichte (,,Seelenkrebs“, ,, H-Moll“) veröffentlichen. Sein literarisches Interesse galt vor allem Karl Kraus, dessen Vorlesungen er regelmäßig besuchte, und er gehörte auch der Karl Kraus-Vereinigung an, die sich im Cafe Parzifal in der Mahlerstraße, Wien I., traf. Als Mitglied der Sozialdemokratischen Arbeiter-Partei (SDAP) nahm er auch an den Zusammenkünften der sozialdemokratischen Karl Kraus-Freunde im Cafe Palffy teil, einem Kaffeehaus im 17. Bezirk, Ecke Hernalser Hauptstraße/PalffyGasse. Durch seine Tätigkeit als Vortragender und Chorleiter bei der Sozialistischen Arbeiter-Jugend (SAJ), die sich vorwiegend als ‚„Erziehungsorganisation“ (Bildung und Aufklärung) verstand, lernte er seine spätere Frau Klara Reiter (* 1914 in Wien), kennen. Klara Just ist die einzige, die uns heute noch über das Leben von Hans Just Aufschluß geben kann. 1935 Seelenkrebs Prometheusqualen fressen meine Kraft. Der Selbstqual Geier nagt an meinem Leib. Verzehrend loht die Sehnsucht nach dem Weib aus dürrem Holz abstrakter Leidenschaft. In eigner Glut verdurstet mir der Geist, Schal schmeckt die Frucht, aus der kein Saft mehr quillt. Der Born, der mir so oft den Durst gestillt und mich gelabt — ach, nun versiegt er meist. Mit Greifenfängen krallt es um mein Heız. Der andern eitel Spiel und leichte Lust erfreu’n mich nicht. Der Greifengriff verwehrt’s. Verröchelnd schluchzt die todeswunde Brust. 1927 Jahreskreis Schon hat der Frühling erstes Grün der Welt verliehn. Bald wird der Flieder wieder blühn und der Jasmin. Dann wird der Sommer üppig glühn mit Korn und Mohn und dann der Herst sich rüstig mühn um Frucht und Lohn, bis schließlich Winter über Nacht gelangt zur Macht und, eh’ gedacht, die bunte Pracht zunichte macht. Bald aber wagt sich wieder kühn durch Schnee und Eis ein junges Reis mit seinem Grün und schließt den Kreis. 1940