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Jugend voran 1944. 39 S. Vierzig Jahre, die die Welt veränderten — Der Siegeszug des Sozialismus. Broschüre. Wien 1957. Antisemitismus in Österreich. Wurzeln, Erscheinungen, Träger. Sonderheft von „Weg und Ziel“. Wien 1965. Ein gescheiterter Versuch — Der Austro-Eurokommunismus. Wien/Miinchen: Jugend und Volk 1979. Feindbild Jud. Wien: Licker 1981. Kommunismus adieu. Eine ideologische Biographie. Mit einem Nachwort von Zdenék Mlyndf. Wien/Ziirich: Europaverlag 1992. harald maria höfinger schmida 38 in jener nacht, als unsere heimat im braunen schleim versank und die scheinwerfer der eisernen kolonnen nach den eingeweiden griffen, lernten meine alten eltern das fürchten. es war der angstschweiß, der ihre seelen ein kurzes leben lang frösteln ließ. Marie Langer von der äußeren Erscheinung blenden. Eitelkeit wie Demut waren ihm fremd, Bescheidenheit nah, den trockenen Humor, den er besaß, galt es aufzuspüren, Sinn für Komik und Selbstironie (so, wenn er die eigenen Jugendgedichte kommentiert) findet sich in seinen Büchern ebenso wie die Kraft des Staunens. Er war froh über seine Töchter, die Schwiegersöhne und die Enkelkinder. Über seine Frau Eva hat er, für meinen Geschmack, zu wenige Worte verloren. Ihre Liebe gehörte zur Privatsphäre, die keinem was anging. Für seine Freunde aber war und ist der eine ohne die andere nicht denkbar; deshalb will ich Evas Mut und Gabe rühmen, der schweren Krankheit zutrotz das Leben als lebenswert verteidigt zu haben. Von der bedrückenden Krankenhausatmosphäre war im Hause Spira bis zuletzt nichts zu spüren, auch nichts von der aufgekratzten Euphorie, die der Depression folgt und vorangeht. Wenn ich an Lepold Spira als an einen Abwesenden erinnere, dann will ich auch an ein Gedicht erinnern, dessen Autorin Karin Kiwus an den Fortschritt erinnert. So heißt das Gedicht auch, „Kleine Erinnerung an den Fortschritt“: Ja, damals, als wir Kinder waren, nach der Revolution, haben wir in Baschkirien noch den Großvater gesehen, wie er mit hellen lachenden Augen die erste Glühbirne verfolgt hat, die blitzend nackt durch unser Dorfschulzimmer gependelt ist, hin und her und hin und her. Aber nun? Der letzte Vers reimt sich auf den Titel einer Lenin-Schrift, die damals, in Poldis Sturmjahren, viel gelesen wurde: ,,Was tun?“ Über die Fallhöhe zwischen dem gleichklingenden Wortpaar, von Anfang bis Ende seines Lebens, hat er sich keine Illusionen gemacht. ,,Man muB als Linker auch damit fertig werden, allein zu sein“, meinte er vor ein paar Jahren. Lieber Poldi, du bist mit dem Alleinsein fertiggeworden; du hattest ja uns. Aber wen haben jetzt wir? Renate Göllner „Weder auf Freud noch auf Marx verzichten“ Zum zehnten Todestag der Psychoanalytikerin Marie Langer Ich glaube keineswegs, daß man die äußere Welı, ihren Einfluß auf uns und unseren auf sie außer acht lassen darf. Jemand hat einmal gesagt, daß wir auf der Welt sind, um sie zu verändern. Wenn das stimmt, sollten wir die Welt und uns genau kennen. Der Internationale Psychoanalytische Kongreß, der im Sommer 1971 in Wien tagt, ist ein besonderes Ereignis: die alte Anna Freud, die seit ihrer Flucht vor den Nazis im Jahre 1938 nie wieder heimatlichen Boden betreten hatte, ist aus London angereist. Mit dabei: ebenfalls eine Vertriebene und alte Bekannte Anna Freuds; die damals in Argentinien lebende Analytikerin Marie Langer. Sie freut sich, in Wien zu sein, logiert als Tagungsmitglied in der Hofburg und tanzt mit ihren argentinischen Freunden einen Scher, einen jüdischen Hochzeitstanz, den das Orchester zum Abschluß der Veranstaltung zu Ehren Freuds intoniert. Für Marie Langer ist es der letzte Internationale Psychoanalytische Kongreß; Mit ihrem Vortrag „‚Psychoanalyse - in wessen Dienst?“ brüskiert sie die versammelte Gemeinde. Wenige Monate später tritt sie aus der Vereinigung aus. Dabei war Marie Langer eigentlich eine treue Gefolgschafterin Sigmund Freuds: Was fiir den Vater der Psychoanalyse noch ein Wunschtraum war — auch Menschen, die nicht über ausreichende finanzielle Mittel verfügten, mit analytischen Kennt