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Rom teil. Offizielle Ehrungen, wie den Titel der Vizepräsidentin der internationalen Vereinigung, weist sie nun dankend zurück. ‚Erst jetzt“ bemerkte sie später in der Diskussion mit ihrem Schwiegersohn Enrique Guinsberg, „konnte ich eine mehr kämpferische Position in der Gesellschaft beziehen. Vorher war es traurig. Ich hätte gerne, daß wir irgendwann einmal über die psychologischen Folgen des Exils reden könnten; Ich war Staatsbürgerin zweiten Ranges. Ich mußte über meinen Marxismus schweigen, ich verschwieg auch meine Kritik an einem bestimmten hypomanischen, verschwenderischen und exibitionistischen Lebensstil gewisser Mitglieder der Vereinigung; Ich schwieg auch über den Mißbrauch der Übertragung, den Leute dort trieben ..“? Nach einem Generalstreik in Buenos Aires, dem sich der Präsident und die Mitglieder des psychoanalytischen Instituts angeschlossen hatten, erfolgt dann auch - kurz nach ihrer Rückkehr aus Wien - der entgültige Bruch mit der Institution: Gemeinsam mit anderen linken Analytikern tritt Marie Langer aus der nationalen und internationalen Psychoanalytischen Vereinigung aus und richtet im Rahmen der neugründeten ‚Plataforma“ mit anderen „Abtrünnigen“ ein unabhängiges Lehr- und Forschungsinstitut ein. Das war freilich auch ein Akt persönlicher Befreiung und für kurze Zeit schien es, als gelänge es, all die Spannungen und Rivalitäten, die Intrigen und die Machtkämpfe, die das Leben unter den Analytikern so schwer machten, aus der Welt zu schaffen. Vor allem, so berichtet sie später, ging es uns darum, ‚den Elite-Charakter der psychoanalytischen Ausbildung“, die viel zu hohen Honorare und Ausbildungskosten, kurzum das Spezialistentum zu bekämpfen. Nicht ausschließlich Ärzte wie bisher, sondern ebenso Psychologen, Psychopädagogen, Psychiater und Fürsorger, ein interdisziplinäres Team wurde in dem neuen Institut unterrichtet und ausgebildet. Tatsächlich entstehen innerhalb kurzer Zeit in Buenos Aires vorbildliche psychiatrische und psychotherapeutische Dienste. Die „Intellektuelle“, die jahrelang nur analysierend ,,im Fauteuil hinter ihren Patienten“ gesessen hatte, engagiert sich nun in der Gewerkschaftsbewegung, unterzeichnet Petionen, besucht politische Häftlinge im Gefängnis, und erhält schließlich eine Professur für Medizinische Psychologie an der Universität in Buenos Aires. 1974 ist sie erneut zur Flucht gezwungen. Obwohl sie weiß, daß die argentischen Todeschwadrone hinter ihr her sind, kann sich die vierundsechzigjährige Marie Langer nur schwer dazu entschließen ihre Patienten, darunter viele Gegner des Regimes, die dringend ihrer therapeutischen Hilfe bedürfen, zurückzulassen und ins Exil nach Mexico zu gehen. Und als nur wenige Jahre später die Sandinisten in Nicaragua an die Regierung kommen, entsteht das wahrscheinlich wichtigste und größte Projekt Marie Langers; In Zusammenarbeit mit den nicaraguanischen Gesundheitsbehörden und einem internationalen Team entwickelt sie ein Konzept zur sozialpsychologischen, psychiatrischen und medizinischen Versorgung, um die seelischen und körperlichen Wunden, die der Bürgerkrieg hinterlassen hat, lindern zu helfen. Gegen Ende ihres Lebens gelingt ihr zu vereinen, was ihr stets am wichtigsten war: soziales und politisches Engagement mit ihrem Beruf als Analytikerin. Schien es noch zu Beginn der siebziger Jahre, als würde der Vertriebenen nun endlich auch von einer breiteren Öffentlichkeit, insbesondere von kritischen Psychologen jene Anerkennung zuteil, die ihr längst gebührte, so beschränkte sich die Homage anläßlich ihres zehnten Todestages ausschließlich auf KP-Kreise. Und das ist ein Jammer: Denn weder am Symposion, noch in der 77 Seiten umfassenden Broschüre — die im November von der Zeitschrift ,,Schnittstellen‘ !° publiziert wurde — setzte man sich mit den konkreten theoretischen Implikationen der analytischen Arbeit Marie Langers auseinander. Der Mangel fallt um so mehr ins Auge, als eine im Anhang der Broschüre veröffentlichte Werkbibliographie von insgesamt 98 Titel besonders neugierig macht! Vor allem müßte Marie Langers Vorstellungen über den genauen Zusammenhang zwischen Psychoanalyse und Marxismus — sie bleiben in ihrer Biographie jamerkwürdig nebulos - endlich nachgegangen werden, ebenso wie ihren Ausführungen zur Neutralität des Analytikers. Doch das Desinteresse an einer kritischen Aufarbeitung ihrer Positionen beschränkt sich nicht allein auf die Genossinnen und Genossen. Es scheint, als ob man selbst in liberalen Analytikerkreisen noch immer beleidigt ist, daß Marie Langer einst die eigene Zunft verlassen hatte und aus der Vereinigung ausgetreten war. Wie hatte doch ein Analytiker einmal gesagt: „‚She is a pain in the neck.“ !! ausgegeben Austellungskatalog: Die Bilder von Alice Mavrogordato sind ähnlich der Musik und sie sind am besten erfaßt in der Art wie Musik gefühlt wird — als Modulationsfolgen in einem Fluß, mit intensiver, unmittelbarer Gefühlswirkung. |...] Diese Bilder sind manchmal Fugen, manchmal Symphonien, ,,nocturnes“, Capriccios. Gelegentlich genügen ein paar Noten, während andere lyrisch funkeln. Aber alle sind sie wie Musik, leben in einer ausgesetzten Zeitlosigkeit, als wären sie nicht in Ubereinstimmung mit einer historischen Phase der zeitgenössischen Kunst, aber in sich dauerhaft, von unerwarteter Schönheit. [...] Alice Mavrogordato ist eine von den älteren, mehr gesuchten Washingtoner MeisterInnen. Und ihre Bilder sind noch immer lebendig, noch immer sehr, sehr neu. Nach dem Dichter Czeslaw Milosz ist eines der bestgehüteten Geheimnisse des Älterwerdens die Quintessenz, daß in der Wirklichkeit hinter jedem Sinn ein neuer Sinn wartet. Alice Mavrogordatos Bilder sind reichlich erfüllt von diesem seltenen Versprechen. In einer ständigen Ausstellung sind jetzt fünf Bilder von Alice Mavrogordato im Atrium der Österreichischen Botschaft in Washington zu sehen. S.B. Anmerkungen zu Göllner/Langer 1 Marie Langer: Psychoanalyse in wessen Dienst? (Deutsche Übersetzung des Vortrages ‘psycoanälisis y/o revoluciön social’, gehalten am 27. Internationalen Psychoanalytischen Kongreß in Wien 1971. In: Neues Forum, Sept./Okt. 1971. 2 M. Langer: Von Wien bis Mangua. Wege einer Psychoanalytikerin. Freiburg i. Breisgau 1991, 87. 3 Johannes Reichmayr: Spurensuche in der Geschichte der Psychoanalyse. Basel, Frankfurt/M. 1990, 122. 4 Sigmund Freud: Der Mann Moses und die monotheistische Religion, Frankfurt/M. 1980, 67. 5 Otto Fenichel: 119 Rundbriefe (1934-1945). Hg. von J. Reichmayr und Elke Miihlleitner. Bd.I. (1934-1938). Frankfurt/M. 1998. 6 M. Langer, wie Anm.2, 92. 7 Mz. Langer, wie Anm.1. 8 M. Langer: (Vorwort zur zweiten spanischen Ausgabe von Maternidad y Sexo, 1972), zit. nach: J. Reichmayr: Mutterschaft und Sexus. In: Konkret Nr.11/1988. 9 M. Langer, wie Anm.2, 118. 10 Marie Langer 1910 - 1987. Österreich-Spanien-Argentinien-Mexico-Nicaragua. In: AG Literatur (Hg.): Schnittstellen. Zeitschrift für Wisssenschaft, Kunst und Politik (Wien) 1 (1997) H.l. 11 Zit. nach: J. Reichmayr, wie Anm.8, 60.