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Käthe Ephraim Marcus 1892 — 1970 Thr Leben in ihren Bildern Im Herbst 1997 fand im Kunstmuseum Tel-Aviv eine retrospektive Ausstellung der Bilder und Skulpturen von Kathe Ephraim Marcus statt. Die Ausstellung war sinnvoll in zwei Räume geteilt, gewidmet ihrer Zeit in Europa und in Palästina/Israel. Um die Verschiedenheit ihrer Bilder zu verstehen, muß man ihren Lebensweg kennen. Käthe Ephraim Marcus ist 1892 in Breslau in einer wohlhabenden kultivierten jüdischen Familie geboren. Schon frühzeitig begann sie zu zeichnen. Sie lernte bei dem realistischen Landschaftsmaler Hans Thoma in Karlsruhe, später an der Kunstschule in Breslau. Danach studierte sie sowohl bei Lovis Corinth in Berlin als auch bei dessen Schüler Max Beckmann, dessen Einfluß auf ihre Arbeiten ersichtlich ist. Während des Ersten Weltkrieges malte sie unter anderen die zwei Bilder „Kriegswaisen“ und ‚Eine deutsche Kleinstadt im Krieg“ , die in düsteren Farben kommentarlos die Ablehnung des Krieges ausdrücken. 1917 heiratete sie ihren langjährigen Freund, den Juristen Joseph Marcus, eine führende Persönlichkeit der zionistischen Bewegung. In den Jahren 1918-26 wurden ihre drei Kinder geboren. Viele Selbstportraits mit den Kindern entstehen in dieser Zeit, Bilder, die Wärme und Liebe ausstrahlen. Mutter- und Kind-Bilder wurden ein zentrales Thema für sie. Mitte der 20er Jahre fuhr sie öfters für längere Aufenthalte nach Paris. Die Atmosphäre von Paris gab ihren Bildern einen leichteren Stil, voll von 12 Literaturwissenschaftler Egon Schwarz, der mit seinen Eltern als 16jähriger nach Bolivien gekommen war, die Erfahrung der Immigranten zusammen. Trotz der widrigen äußeren Umstände, vielleicht aber gerade wegen der isolierten Situation der relativ zahlreichen Immigranten entwickelte sich unter ihnen ein reges Kulturleben. Der erste Anstoß für kulturelle Aktivitäten war eine Radiostunde, die von österreichischen Emigranten, darunter auch Terramare und Kalmar, ab August 1939 beim bolivianischen Nationalradio gestaltet wurde. Georg Terramare gründete 1939 die ,,Kleine Casino-Bühne“ und etwas später die ,,Biihne der freien Österreicher“. Kalmar: Wir haben viel Theater gemacht. Unsere ‘Bunten Abende’ haben das Publikum umgeworfen — nicht nur das österreichische, alle, die deutsch gesprochen haben. Wir schrieben alle Texte selbst, Terramare, ich und gelegentlich auch Erna, die u.a. ein sehr hübsches Chanson über Wien komponiert hat. Es drehte sich alles um Wien, teils heiter, teils wehmütig, mit viel Heimweh drin. Der größte Wermutstropfen im Leben des 86jährigen Exilösterreichers ist die Vorstellung, daß die reichhaltige künstlerische Produktion dieser Jahre verloren geht: Es tut mir so leid, daß von den Couplets und Chansons dieser Zeit nie etwas in Österreich aufgeführt wurde. Wir haben einen sehr guten Komponisten und Pianisten gehabt, der entzückende Melodien dazu geschrieben hat. Das ganze Material ist noch da, ich habe die Texte und die Noten. Schon vor vielen Jahren habe ich geschaut, wer hier Interesse daran haben könnte, doch ergebnislos. Es ist wirklich schade, daß das mit meinem Tod alles untergehen wird. 1948 stirbt Georg Terramare an einem Herzleiden. Fritz Kalmar übernimmt seine Theaterarbeit und leitet daneben ein angloamerikanisches Ensemble, an dessen Aufführungen Erna Terrel ebenfalls mitwirkt. Fünf Jahre später heiraten die beiden und ziehen nach Montevideo, da die Ärzte der Sängerin von einem Verbleib in der hochgelegenen bolivianischen Hauptstadt abrieten, ihres hohen Blutdrucks wegen. Schon 1951 war die Theatergruppe erstmals nach Uruguay gekommen und hatte dort einen der populären Bunten Abende aufgeführt, ein Programm mit dem Titel ‘Revue zu zweit“, eine künstlerische Verarbeitung der Emigrantenexistenz. Der Abend war ein derartiger Erfolg, daß wir ihn wiederholen mußten, und ein Jahr später kamen wir noch einmal mit diesem Programm. Das war wohl der Grund, daß sich meine Frau so sehr in Montevideo verliebt hat. Die „Jüdische Wochenschau‘ in Montevideo schrieb damals über Erna Terrel: ,,Die Künstlerin überrascht durch die Vielgestaltigkeit ihrer Darstellung und beglückt durch ihre feine abgefeilte Kultur der Kleinkunst.“ Mit dem Ehepaar Kalmar übersiedeln auch andere Mitglieder der österreichischen Theatergruppe nach Uruguay und setzen dort ihre Bühnenarbeit fort. Doch zuerst gilt es, sich wieder eine materielle Existenzgrundlage zu schaffen. Erna versucht es mit handgemalten Weihnachtskarten, Fritz Kalmar arbeitet als kleiner Angestellter, beginnt dann als Journalist und Korrespondent deutschsprachiger Zeitungen, engagiert sich in der diplomatischen Vertretung seines Heimatlandes. Insgesamt 37 Jahre ist er als Vertreter österreichischer Interessen in Uruguay tätig, zuerst als Vizekonsul, dann als Honorarkonsul und schließlich als Leiter des Amtes. Die Tatsache, daß das Ehepaar 1953 nach Uruguay und nicht nach Wien übersiedelte, bereut Fritz Kalmar noch heute: „Das war der größte Fehler unseres Lebens, daß wir damals nicht nach Wien gegangen sind. Aber meine Frau hatte ein Zwölffingerdarmgeschwür, Wien war damals noch besetzt, und man hat gelegentlich gelesen, daß Leute entführt wurden. Sie hatte zu diesem Zeitpunkt einfach Angst vor der Rückkehr. Hätten wir gewußt, daß zwei Jahre später die Besatzungstruppen abziehen, hätten wir wohl zwei Jahre des Lebens in Angst in Kauf genommen.“ Als Kalmar im Dezember 1976 65 Jahre alt wurde und eine Pension in Aussicht hatte, wäre eine Ubersiedlung wieder aktuell gewesen, doch das Schicksal wollte es anders: ,,Im Februar 1977 erhielt ich meine erste Pensionsauszahlung — und im März hatte meine Frau einen Schlaganfall. Damit war der Gedanke einer Rückkehr nach Wien erledigt.“ Über achteinhalb Jahre ist Erna krank, doch ‚immer heiter und ohne einzige Klage, gestützt auf ihren tiefen Glauben“. Im Dezember 1985 stirbt Erna Terrel, sie ist auf dem britischen Friedhof in Montevideo bestattet. In den Jahren in Uruguay ist Fritz Kalmar auch literarisch aktiv. 1977 wirdein Schauspiel von ihm — unter dem Pseudonym Harald Hauser - am Wiener Volkstheater aufgeführt, „Im Schatten des l'urmes‘ . Und langsam entstehen auch die „Heimwehgeschichten“ , die 1997 endlich in Buchform erschienen. Durch seine regen kulturellen Aktivitäten und die Tätigkeit im „Verband freier Österreicher“ in Bolivien war Kalmar mit vielen Landsleuten in Kontakt gekommen und hatte viele Schicksale kennengelernt. Bernhard Springer etwa aus