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(Gemeinsam mit Josef Aichholzer) Wien retour. 1924 — 1934. Franz West. Dokumentarfilm. Österreich 1983. Die Mazzesinsel. Juden in der Wiener Leopoldstadt 1918-38. Wien: Löcker 1984. „Erdbeeren in Czernowitz“. In: Christoph Ransmayr (Hg.): Im blinden Winkel. Nachrichten aus Mitteleuropa. Wien 1987, 79-100. Die papierene Brücke. Filmessay. Österreich 1987. Unzugehörig. Österreicher und Juden nach 1945. Wien: Löcker 1989. Nach Jerusalem. Filmessay. 1991. »Unter der Bank gelesen. Jean Amery und Österreich“. In: Das jüdische Echo (Wien) Nr. 42 (1993), 190-199. Jenseits des Krieges. Film zur Austellung ‚,Verbrechen der Wehrmacht“. Österreich 1996. (Hg. gemeinsam mit Christa Blümlinger) Ohne Untertitel. Zur Geschichte des Kinos in Österreich. Wien: Sonderzahl 1996. Literatur zu Reiter/Beckermann Adorno, Theodor, W.: ‚Essay als Form“. Noten zur Literatur. Frankfurt/M.: Suhrkamp 1981. Baumgart, Reinhart: „Die Jünger des Interessanten“. Merkur, Nr. 11. 1957. S. 599-604. Bretschneider, Jürgen: ‚‚Heimatsuche auf jüdisch. Die österreichische Regisseurin Ruth Beckermann“. Film und Fernsehen. Mai 1988. S. 34-37. Broder, Henryk M.: Der ewige Antisemit. Über Sinn und Funktion eines beständigen Gefühls. Frankfurt/M.: Fischer 1986. Cooper, Howard: ,, The Second Generation Syndrome“. Journal of Holocaust Education, Nr. 4/2, 1995, S. 131-146. Embacher, Helga: Neubeginn ohne Illusionen. Juden in Österreich nach 1945. Wien: Picus 1995. Fischer, Erica: „Ein Dialog fand nie statt. Unzugehörig — Ruth Beckermann über das Verhältnis von Juden und Österreichern nach 1945“. Deutsche Volkszeitung/die tat. Nr. 48, 24. November 1989. Fleischmann, Lea: Dies ist nicht mein Land. Eine Jüdin verläßt die Bundesrepublik. Miinchen: Heyne 1980. Giordano, Ralph: ,,Ich bin angenagelt an dieses Land“. Reden und Aufsätze über die deutsche Vergangenheit und Gegenwart. Hamburg: Rasch und Röhring 1992. Haslinger, Josef: Politik der Gefühle. Ein Essay über Österreich. Darmstadt: Luchterhand 1987. Heenen-Wolff, Susann, Norddeutscher Rundfunk. 28. Juli 1990. Matejka, Viktor: Widerstand ist alles. Notizen eines Unorthodoxen. Wien: Löcker 1984. Muschg, Adolf: Literatur als Therapie? Ein Exkurs über das Heilsame und das Unheilbare. Frankfurter Vorlesungen. Frankfurt/M.: Suhrkamp 1981. Niederland, William G.: Folgen der Verfolgung. Das Überlebenden-Syndrom Seelenmord. Frankfurt/M.: Suhrkamp 1989. Nolden, Thomas: Junge jüdische Literatur. Konzentrisches Schreiben in der Gegenwart. Würzburg: Königshausen und Neumann 1995. Noll, Chaim: Leben ohne Deutschland. Essay. Reinbeck: Rowohlt 1995. 24 dische junge Generation zur Auseinandersetzung mit der nationalsozialistischen Vergangenheit Österreichs veranlaßt (z.B. Haslinger 1987). Nach Jerusalem (1991) schließlich arbeitet Material auf, das in Die papierene Brücke anklingt. Beckermanns jüdisches Selbstbewußtsein ist nun so weit gefestigt, daß sie sich Kritik auch an ihrer zweiten Heimat leisten kann. Das ungetrübte Bild der Kindheit wird hinterfragt. Die Solidarität, namentlich die mit dem Staat Israel, die Jean Amery noch jede Kritik aus Pietät gegenüber den ermordeten Kameraden verbat (Schultz 1986, S. 75), läßt sich im Zeitalter der Intifada nicht mehr kommentarlos aufrechterhalten. Wer in den Palästinensern die Juden der Juden zu erkennen glauben, entgegnet sie, daß ein modus vivendi besteht zwischen den Juden als Besatzungsmacht und der moslemischen Minderheit, der nicht nur Konfrontation heißt. Im Gegensatz zu den herkömmlichen Berichten zeigt Beckermanns Film gerade diese Seite der Beziehung. Exemplarisch und mitunter explizit führen Beckermanns bisherige Arbeiten das Problem der Identität der zweiten Generation vor. Als eine der ersten warf Helen Epstein in ihrem Buch Children of the Holocaust (1979) anhand von Interviews mit Kindern von Überlebenden die Frage nach der sekundären Traumatisierung auf. Beckermann selbst beweist, daß es nicht nur die unmittelbaren Erfahrungen der Eltern sein müssen, die die Reaktionsmuster der Kinder prägen. Als sie in Czernowitz von der Miliz festgenommen und, wahrscheinlich weil sie photographiert hatte, verhört wurde, fühlte sie sich zwanghaft an die „Erlebnisse der Elterngeneration“ erinnert. (1985, S. 85) Die Traumatisierung betrifft also die jüdische Nachkriegsgeneration generell, auch wenn die Eltern, wie Beckermanns eigene, nicht im Lager waren. Allein der Umstand, Jude oder Jüdin zu sein, machte bereits die Kriegsgeneration zu einem Teil der durch den Holocaust geprägten Schicksalsgemeinschaft, die nun in ihre Kinder als Kompensation für das Verlorene nicht nur hohe Erwartungen setzten (Beckermann 1989, S. 10), sondern die ihnen auch durch die Erziehung ihre Einstellung zur jüngsten jüdischen Vergangenheit mitgaben. Ob die Kinder sich diese aneignen oder dagegen revoltieren, um eine Auseinandersetzung mit ihr kommen sie nicht herum. Ob man allerdings dabei in Anlehnung an viele Überlebende der Lager von einem Verhaltens-»Syndrom“ der zweiten Generation sprechen kann, das sei dahingestellt (Niederland 1989). Jüngste Beiträge der Psychotherapie zum Thema scheinen dies aufgrund von Fallstudien eher zu verneinen. Von den vielen Faktoren, die die psychische Entwicklung beeinflussen, ist die Holocaust-Erfahrung doch wohl eine der prägendsten (Cooper 1995). Auch Beckermann sieht das so: „‚Das ist wirklich sehr individuell. Es kommt immer auf die Konstellation an, wo die Eltern waren, ob sie beide die gleichen Erfahrungen machten, wie sie zueinander stehen, wann sie sich kennengelernt haben.“ (Anm. 3) In jedem Fall hat Beckermann als Intellektuelle den Vorteil, daß sie ihre Gefühle artikulieren kann, zuerst mit Hilfe von Photographien vom ausgelöschten jüdischen Wien (Die Mazzesinsel) und später schriftlich und im Film. Im Unterschied zur Meinung, die in der Rezension von Unzugehörig im profil (26, 26.6. 1989) vertreten wird, ist deshalb auch das Autobiographische an diesem Essay gerade das Wesentliche. Er gehört damit in eine Gruppe ähnlicher Werke, wie Dies ist nicht mein Land von Lea Fleischmann, oder die Essay-Bände Chaim Nolls Nachtgedanken über Deutschland und Leben ohne Deutschland. Sowohl Fleischmann als auch Noll äußern Gedanken wie Beckermann in bezug auf Deutschland, die letztendlich doch immer wieder zum Holocaust zurückführen. Beide ziehen sie allerdings, im Gegensatz zu Beckermann, die Konsequenz aus ihrer Kritik und verlassen das Land; Fleischmann übersiedelt direkt und Noll über Italien nach Israel. Dennoch kommt Noll, so weiter auch flüchtet, aus seinem Deutsch-Sein nicht heraus. Aber: „,Man muß ja nicht heraus“ , stellt Beckermann fiir sich fest: ,, Das Angenehme, wenn man nicht hier lebt, ist, daß man sich das mitnehmen kann, was einem gefällt, seine Literatur, seine Musik ... Ich liebe Wien, und ich werde nie im Leben eine andere Literatur so verstehen, wie ich einen Schnitzler verstehe. Das ist ganz klar ...‘“ (Anm. 3) Ruth Beckermann will nicht flüchten. Nachdem sie sich literarisch und filmisch zu einem jüdisch-österreichischen Selbstbewußtsein durchgerungen hat, scheint sie die Auseinandersetzung sogar zu genießen. Dieser Aufsatz beruht auf einem bei der Tagung Post-1945 Austrian Women’s Writing (Nottingham 18.-20. April 1996) gehaltenen Vortrag. Ende 1997 erscheint er auch in dem Sammelband: Allyson Fiddler (Hg.): ‘Other’ Austrians: Post-war Austrian Women’s Writing, Peter Lang 1997. — Andrea Reiter ist Universitätslehrerin in Southampton (England). 1995 erschien im Löcker Verlag, Wien, ihr Buch über die literarische Bewältigung von KZ-Erfahrung: ‚Auf daß sie entsteigen der Dunkelheit“.