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Der „Anschluß“ Österreichs ans Deutsche Reich am 13. März 1938 bedeutete den Beginn der Anwendung der „‚Nürnberger Gesetze“ in Österreich, bedeutete Flucht, Verfolgung, Exil in bisher nicht gekanntem Ausmaß. Das einzige Land, das in Folge einer engagierten Außenpolitik im Zeichen internationaler Solidarität in schriftlicher Form beim Völkerbund protestierte, war Mexiko. Schon aus diesem Grund war ein Anlaß für das vorliegende Schwerpunktheft gegeben. Doch es gab noch einen weiteren: Am 25. November 1985 wurde am Mexikoplatz in Wien ein Gedenkstein enthüllt, der an diesen Protest erinnert. Anwesend war auch der bedeutendste politische Emigrant Österreichs - Bruno Kreisky. Wie alle Autoren und Freunde der MdZ wissen, ist unsere Redaktion nur einen Katzensprung von diesem Gedenkstein entfernt in der Engerthstraße beheimatet. Vor etlichen Jahren hat Christian Kloyber im Auftrag des Dokumentationsarchivs des österreichischen Widerstandes (DÖW) begonnen, in mexikanischen und österreichischen Archiven die Geschichte des Protestes und des österreichischen Exils in Mexiko aufzuarbeiten. Kloybers Grundlagenforschung verdankte ich unzählige Detailinformationen und zahlreiche der hier abgebildeten Fotos. Ende 1998 wird als weiteres Ergebnis dieser Zusammenarbeit der von uns beiden herausgegebene Länderband „‚Mexiko“ der DÖW-Reihe „Österreicher im Exil 1938 — 1945“ erscheinen. Für diese Ausgabe der MdZ konnten zahlreiche AutorInnen aus Österreich, Deutschland und Mexiko gewonnen werden, welche die akute Situation der „Anschluß“ -Tage vergegenwärtigen sowie ein breites und buntes Mosaik von Politik und Kultur Mexikos und den Bedingungen des politischen und jüdischen Exils gestalten. Hinzu kommen zahlreiche Einzelstudien. An Exil-LiteratInnen sind Lenka Reinerovä, Bruno Schwebel, Marie Frischauf-Pappenheim und Bruno Frei vertreten, letztereru. a. miteinem Anna Seghers-Portrait und ihren Briefen an ihn — jene Anna Seghers, die, bevor es sie nach Mexiko verschlug, in ihren Büchern Der letzte Weg des Kolomann Wallisch und Der Weg durch den Februar den Opfern des Bürgerkriegs von 1934 ein literarisches Denkmal gesetzt hatte. Allen Autoren und Leihgebern sei an dieser Stelle gedankt, ebenso dem Jüdischen Museum der Stadt Wien, wo dieses Heft am 18. März 1998 im Zuge einer Gedenkfeier präsentiert wird. Und da wir schon beim Danken sind, soll Frauke Binder bedacht werden, die etliche Beiträge redigiert hat; und auch Siglinde Bolbecher und Konstantin Kaiser, die ich diesmal hier vertrete. Bei den aus Archiv- und Nachlaßbeständen, bzw. aus den Erstdrucken in den Exilzeitschriften übernommenen Texten wurden offenkundige Schreibfehler und orthographische Irrtümer stillschweigend korrigiert. Marcus G. Patka INHALT Doron Rabinovici: Anmerkungen eines eingesprungenen Lesers S.3 Wolfgang Neugebauer: ‚‚ Anschluß“ 1938 - Einschätzungen und Auswirkungen S.5 Gloria Sultano: ’Darr Jud muB weg und sein Gerschtl bleibt da!‘ S.8 Kleine Chronik: Einige kulturelle Ereignisse des Exils in Mexiko S.8 Lenka Reinerova: Was immer ich über Mexiko höre, berührt mich S.11 Christian Kloyber: Mexiko - Exilland 1938 S.12 Gerhard Drekonja-Kornat: Wie Mexiko nach Wien kommt 5.20 Hector Orestes Aguilar: Österreich aus der Sicht Mexikos §.25 Friedrich Katz im Gespräch S.28 Wolfgang Kießling: Leo Katz — ein Kommunist im Zwiespalt S.32 Anton Pelinka: Wien - Mexiko, und nicht retour $.37 Marta Markova: Wer war Alice Rühle-Gerstel? S.38 Renata von Hanffstengel: Aspekte jüdischer Erfahrung im 20. Jahrhundert 5.41 Gerhard Scheit: Uber die Schwierigkeiten, Osterreich in der Musik zu retten S.45 Marcus G. Patka: Ubi Musica, ibi Austria? S.49 Thomas B. Schumann: Paul Mayer — Lyriker und Literaturvermittler im mexikanischen Exil S.53 Bruno Frei: Porträt einer Dichterin (Anna Seghers) S.55 Bruno Schwebel: Der Herr Vorleser S.56 Beppo Beyerl: Wein aus Welschlandfrüchtchen 5.58 Gedichte von Alice Rühle-Gerstel (S.41), Theodor Kramer (S.58) und Else Keren (S.60) Rezensionen iiber Biicher von Peter Katz (E. Blaschitz, 8.26), Theodor Kramer (B. Beyerl, S.58), Else Keren (H. Blitzer,S.61), Jakov Lind (P.-H. Kucher, 5.61), Hertha Kräftner (S. Gruber, 5.63), ‚Mittelweg 36“ (K. Kaiser, 5.64), Albert Ehrenstein (M. Chobot, 5.64), Christiane Grautoff (M. Chobot, 5.65) Berichte, Notizen: Ehrentafeln in Bad Radkersburg (5.6), Kontroverse um Karl Kraus in der Exilzeitschrift ‚Demokratische Post“ (S.11), Ferdinand Bruckner-Aufführung (M. Frischauf-Pappenheim, 5.14), Klassische und moderne Musik (M. FrischaufPappenheim, 5.18), Österreichische Musik in Mexiko (M. Frischauf-Pappenheim, $S.20), Romane von Leo Katz (M. Frischauf-Pappenheim, S.23), Institut für deutsch-mexikanische Forschungen (S.44) Buchzugänge S.66 Briefe, Rückspiegel S.67 Titelbild: Sin Titulo. Foto von Juan Rulfo. (Vgl. die Notiz auf S. 68). Die Fotos vom Wiener Mexikoplatz, 5.3 und 4, stammen von Nina Jakl.