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Erste Ehrentafel am Rathausturm von Bad Radkersburg (Steiermark). Inschrift: „In den Reihen der Freischaren, die am 4. Februar 1919 um die Befreiung der Stadt rangen, sind gefallen ... [folgen die Namen] In wirrer Brandung Gleiten / Da rammtet ihr ein kühn Geschlecht / Fest in die neuen Zeiten / Ein ewig-altes Menschenrecht. / Das steht im Flutentreiben / Als Markstein kündend klar und stark, / Daß Steirer Steirer bleiben / Und Steiermark des Reiches Mark." Am Rathausturm von Bad Radkersburg (an der österreichisch-slowenischen Grenze) sind zwei marmorne Ehrentafeln für die, die in „den Reihen der Freischaren am 4. Februar 1919 um die Befreiung der Stadt rangen“ ‚angebracht. Dies bezieht sich auf die Besetzung von Teilen der Südsteiermark durch Truppen des Königreichs der Serben, Kroaten und Slowenen (Jugoslawien) nach Ende des Ersten Weltkrieges. Auf den letzten Stand gebracht wurden die Tafeln, den Inschriften nach zu schlieBen, 1938 oder 1939 (nach der Annexion Österreichs durch Hitlerdeutschland und vor Ausbruch des Zweiten Weltkrieges). — Feiert Bad Radkersburg im Jahre 1997 immer noch den „Anschluß“ und Adolf Hitler? Ist es ein Spuk, eine Verwechslung? Einer Stellungnahme der Stadt Radkersburg zufolge, wurden die Ehrentafeln schon 1929 zur Erinnerung an einen großdeutsch gesinnten Bürgermeister angebracht. Er und nicht Hitler sei der ,,Fiihrer“ , der auf der zweiten Ehrentafel gefeiert werde. Wird’s dadurch besser? 6 ausgerichtet. Presse, Rundfunk, Fi'm und selbst weite Bereiche von Kunst und Kultur wurden zu Werkzeugen einer in der Geschichte Österreichs beispiellosen Propagandakampagne, in der sich nicht zuletzt bekannte Literaten und Schauspieler hervortaten. Die 99% Ja-Stimmen bei der Volksabstimmung am 10. April 1938, die den verfassungs- und völkerrechtswidrigen Gewaltakt nachträglich legalisieren sollte, waren nicht nur das Ergebnis von Manipulation, Fälschung und Terror, sondern auch Ausdruck der rauschhaften Jubelstimmung vom März und April 1938, der Hoffnungen und Erwartungen von sozial deklassierten und politischen desorientierten Menschen. Zumindest 1938 bis 1940, als der Nationalsozialismus mit der Überwindung der Massenarbeitslosigkeit, in der Außenpolitik und in den „Blitzkriegen“ gewisse Erfolge aufwies, gab es eine weit über die Parteimitglieder hinausgehende Identifizierung mit dem System. Wirtschaftliche Ausbeutung und Unterjochung Der Griff nach den wirtschaftlichen Schätzen Österreichs war eine der Hauptursachen für die hitlerdeutsche Aggression. „Angesichts der gespannten zahlungsbilanzpolitischen Lage Deutschlands“ erwiesen sich die bedeutenden Gold- und Devisenreserven Österreichs „als die wertvollste Beute“ (Eduard März). Norbert Schausberger berechnete, daß mit diesen sofort nach Berlin transferierten Werten das ins Stocken geratene Aufrüstungsprogramm Hitlerdeutschlands für einige Monate fortgesetzt werden konnte — bis zur nächsten Aggression. Der „Anschluß“ bedeutete auch den Übergang des gesamten österreichischen Staatsvermögens an das Deutsche Reich. Selbst vor Kunstschätzen machte die Ausplünderung nicht halt. Die Reichsinsignien aus der Schatzkammer in der Wiener Hofburg wurden wie viele andere Wertgegenstände in das „Altreich“ gebracht. Reichsdeutsche Konzerne und Unternehmen eigneten sich nach dem März 1938 weite Bereiche der österreichischen Wirtschaft an. Neben der ‚„Arisierung“, dem Zwangsverkauf jüdischen Vermögens weit unter dem tatsächlichen Wert an staatliche Stellen, nationalsozialistische Organisationen oder Private, erfaßte die unter Druck und zu niedrigen Preisen erfolgende ‚„Germanisierung“ große Industriebetriebe, Banken und Versicherungen. Dies und der Aufbau neuer großer Industriekomplexe im Westen Österreichs veränderte die Wirtschaftsstruktur und schuf die Problematik des „Deutschen Eigentums“ nach 1945. NS-Sozialdemagogie Auf dem Gebiet der Wirtschafts- und Sozialpolitik versuchen heutige NS-Apologeten, die Verdienste des NS-Regimes hervorzukehren, indem von „positiven Leistungen“ wie dem Autobahnbau oder von der „ordentlichen Beschäftigungspolitik“ geredet wird. Alle arbeitsbeschaffenden oder sozialen Maßnahmen waren jedoch keineswegs Ausfluß einer besonderen sozial-fortschrittlichen Grundeinstellung, sondern dienten, wie Gerhard Botz herausarbeitete, ,,entweder direkt oder indirekt der staatlichen Kraftentfaltung in der imperialistischen Expansion und der partiellen Absicherung vor den vorauskalkulierten Kriegsfolgen; oder sie entsprangen rassepolitischen Vorstellungen und der Volksgemeinschaftsideologie des Nationalsozialismus“. Dem bescheidenen sozialen Fortschritt, der freilich die durch die Propaganda hochgeschraubten Erwartungen enttäuschte, sind jedoch gewaltige soziale Verschlechterungen gegenüberzustellen. Die von der Arbeiterbewegung in jahrzehntelangen Kämpfen errungenen Grundrechte wie etwa Streik-, Koalitions- und Versammlungsrecht wurden restlos beseitigt, jede gewerkschaftliche Organisation und Tätigkeit war verboten, und die Deutsche Arbeitsfront (DAF) war ein zur wirksamen Interessenvertretung völlig ungeeigneter Gewerkschafts- und Betriebsräteersatz. Das faschistische Führerprinzip galt auch in der Wirtschaft, und in Arbeitskonflikte wurde von seiten der Unternehmer skrupellos die Gestapo eingeschaltet. Der Krieg brachte weitere soziale Verschlechterungen, wie die Beschränkung des Arbeitsplatzwechsels, „‚Dienstverpflichtungen“, Arbeitszeitverlängerungen, die Rationierung der meisten Konsumgüter und Schwarzhandel. Der Nationalsozialismus bedeutete letztlich die Entrechtung der ArbeitnehmerInnen und deren totale Unterwerfung unter die Interessen deutscher Konzerne, die sich durch Zwangsarbeit von Kriegsgefangenen, ,,Fremdarbeitern“ und KZ-Häftlingen enorm bereichern konnten.