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Hector Orestes Aguilar Österreich aus der Sicht Mexikos Im Gedenken an Miguel Cabrera Macid Die Gemeinplätze, anhand derer im Laufe des 19. und des 20. Jahrhunderts in Mexiko ein Bild von Österreich geschaffen wurde, unterscheiden sich prinzipiell nicht sehr von jenen, die in anderen Teilen der Welt verbreitet sind. Was allerdings bei der Schaffung dieses Bildes eines ‚Anderen‘ besonders interessant ist, ist - aus europäischer Sicht — die Umkehr der Begriffe: Die Exzentriker (also jene, die außerhalb des Zentrums, in den Randbezirken der Großstädte, leben) und Exoten sind nun die Österreicher selbst. Die Entstehung dieses Bildes von Österreich in Mexiko zeugt von einem faszinierenden Prozeß kultureller Auseinandersetzung, der 1938 seinen Höhepunkt erreichte, als Mexiko gegen den Anschluß protestierte. Auf den folgenden Seiten werden einige der Gemeinplätze und Klischeevorstellungen von Österreich erläutert, die sich in Mexiko herausgebildet haben und eine Reihe, wesentlicher Bezugspunkte darstellen, mit denen wir die Alpenrepublik,- ihre Geschichte und Kultur verbinden. Dieser Aufsatz ist ein erster Versuch, Ordnung in das mexikanische,,collective imaginaire“ zu bringen. Mexiko und der Anschluß Das Vorgehen der Regierung auf dem Gebiet internationaler Solidarität gibt dem historischen Gedächtnis Mexikos schon seit langer Zeit allen Grund, stolz zu sein. Gerade was die Hilfeleistungen gegenüber Flüchtlingen und Immigranten betrifft, hat die mexikanische Außenpolitik eine beispielhafte Konsequenz — natürlich mit einigen Ausnahmen — gezeigt. Aber im Unterschied dazu, wie man die Unterstützungsaktionen für die spanischen Exilrepublikaner gefeiert hat (unsere Regierung erinnert sich daran als an einen der großartigsten und tapfersten Augenblicke der Geschichte; in Büchern und Dokumentarfilmen wird dieses Geschehnis untersucht, in Parks und anhand von Denkmälern gefeiert), könnte man das Vorgehen Mexikos im Fall des Anschlusses als geheim gehaltene Tatsache bezeichnen, die nur einer Expertengruppe bekannt ist und sich dem kollektiven Gedächtnis nicht öffnet. Die Kulturgeschichte kann, wie in so vielen anderen Fällen, diesen Mangel nur teilweise verdecken. Das vorbildliche und überzeugende Verhalten Mexikos bei der Annexion Österreichs durch das Dritte Reich ist den Bemühungen der mexikanischen Diplomaten zu verdanken, die ihren Protest inmitten der durch den Aufstieg des Nazismus entfesselten Wirren hörbar machen wollten. In unserem Land hat es bis jetzt nur einen Versuch gegeben, die ausdauernde und unermüdliche Arbeit derjenigen systematisch zu erläutern, die in Kenntnis der historischen und sozialen Realität Österreichs dafür kämpften, sich der nationalsozialistischen Invasion auf internationaler Ebene zu widersetzen. Das angesprochene Buch — México frente al Anschluss („Mexiko und der Anschluß“) -wurde von Luis Ignacio Säinz herausgegeben ; die Einleitung stammt von Marcos Kaplan. In diesem Werk isteine wertvolle Auswahl an Briefen enthalten, die verschiedene mexikanische Diplomaten und Beobachter aufgrund jener Ereignisse verfaßt hatten, die im Zuge der militärischen Okkupation und der politischen Eingliederung Österreichs und seiner Bewohner abgelaufen waren. Aus all diesen Unterlagen stechen jene Briefe hervor, die Isidro Fabela und Francisco A. de Icaza, beides Schriftsteller und Internationalisten, von Europa aus an verschiedene offizielle Berichterstatter gesandt hatten, sowohl an das Auslandsministerium, als auch direkt an das Präsidentenpalais der Republik Mexiko. In beiden Fällen handelt es sich um mehr als um bloße Diplomatenberichte, vielmehr sind es richtige politische Abhandlungen über Themen wie z.B. den deutschen Imperialismus, den Totalitarismus, die Souveränität der Nationen, die Ideologie und die Propaganda der Nationalsozialisten oder den passiven Widerstand der österreichischen Gesellschaft. In ihrer Eigenschaft als historische Quellen stellen diese Schriften ein wertvolles Erbe darum zu zeigen, daß der Protest Mexikos gegen den Anschluß nicht nur ein Beweis der Solidarität war, der die Einhaltung der international gültigen Rechte verteidigen sollte, sondern vor allem die Identifizierung mit einer Nation repräsentierte, welche durch die Intervention ausländischer Truppen ihrer Unabhängigkeit beraubt wurde. Der ARAM-Mitgliedsausweis von Leo Katz, unterzeichnet vom ARAMPräsidenten Rudolf Neuhaus Foto: DÖW zählers ein zugleich satirisches wie liebevolles, unterhaltendes und ersthaftes Bild der franzisco-josephinischen Epoche. In zwei fast fertiggestellten Romanen, deren Handlung zwischen 1907 und 1940 abrollt, wird Leo Katz diese Romanchronik aus der ersten Hälfte unseres Jahrhunderts vervollständigen. Er hat mit dem letzten Band der Serie begonnen und greift zurück in die Vergangenheit. Leo Katz Ruf als Romanschriftsteller ist jungen Datums. „Die Totenjäger“ war sein erstes reifes Romanwerk. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte sich der Autor als Journalist und historischer Schriftsteller einen guten Namen gemacht. Sein literarischer Weg führt über die Kurzgeschichte. Leo Katz hatte in dieser auf eine alte österreichische Tradition zurückblickende Kunstform eine Meisterschaft entwikkelt, ehe er sich an den Roman heranwagte. Es waren scharf pointierte, herz- und humorvolle, oft nur anekdotische Beobachtungen, gesehen mit den Augen des Realisten und geschrieben mit dem Talent des geborenen Erzählers. Aus dieser Saat ist nun eine reife Frucht aufgegangen. Es ist zu hoffen, daß die Romane von Leo Katz bald auch dem österreichischen Leser zugänglich gemacht werden. Österreichisches Tagebuch, 7.11. 1947, 14. 25