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Fürstenfeld im Jahr 1923 geschrieben Lied wurde danach massenhaft im ganzen Land verbreitet. Die Nazis verwiesen stets auf die Autorenschaft des Priesterdichters, um in der katholischen Basis neue Anhänger zu gewinnen. Das ging ja wohl wirklich zu weit. Zum einen empörten sich viele aufrechte Katholiken und treue Leser seiner Bücher in Briefen an den Priesterdichter über seine Anbiederung an die Nazis, zum anderen hätte ja auch die Kirchenhierarchie — sei es im Stift Vorau, sei es in der Diözese Graz — darauf reagieren müssen, wenn der Pfarrer von Festenburg offen für den Beitritt zu den Nazis wirbt. Also wehrte sich Ottokar Kernstock entschieden dagegen, daß die Nazis mit seinem Text für ihre Partei warben. Im Jägerndorfer Tagblatt „Das Volk‘ schrieb er am 2. Februar 1924: „Wenn diese Beziehung (zur nationalsozialistischen Partei) zu Zwecken ausgenützt wird, die mit jenen idealen Bestrebungen nichts zu tun.haben, so bedaure ich das lebhaft.“ Und er schrieb sogar über Adolf Hitler: „Er hätte für das deutsche Volk ein großer Segen werden können, wenn in ihm nicht unchristliches Gedankengut hochgekommen wäre“. Ob die ohnehin nur vorsichtige Distanzierung von den Nazis nur taktisch oder auch weltanschaulich erfolgte, läßt sich wahrscheinlich nicht mehr eruieren. Gesichert ist nur, daß sich Ottokar Kernstock von seinem Hakenkreuzlied und seinem Inhalt nicht distanzierte. In die Vitrine gehört natürlich eine Biographie. Ottokar Kernstock — eigentlich hieß er Otto, doch dem flotten preußischen Namen fehlte wohl das markige Kar- also Ottokar Kernstock war „Grenzlanddeutscher“ und dadurch anfällig für Rassismus und Ausländerhaß. Er wurde am 25. Juli 1848 in Maribor/Marburg, der heutigen Hauptstadt der ,,Stajerska‘*, geboren. Nach einem abgebrochenen Jus-Studium in Graz trat er 1867 — also mit 19 Jahren — in das Augustiner-Chorherrenstift Vorau ein und absolvierte in Graz das Theologiestudium. Nach der 1871 erfolgten Priesterweihe arbeitete er bis 1877 in Vorau in der Stiftsbibliothek, wo er sich vor allem mit der Handschriften- und Urkundensammlung beschäftigte; dort entdeckte er etwa den als Buchumschlag verwendeten „Heiratsbrief‘“ von Johannes Kepler, der von 1594 bis 1600 in Graz gelehrt hatte. Bis 1877 warer dann „im Außendienst“ mit der Seelsorge beschäftigt. 1889 wurde er als Pfarrvikar auf die Festenburg versetzt, einen versteckten Nest etwa fünfzehn Kilometer nördlich von Vorau. Dort verblieb er bis zu seinem Tod am 5. November 1928. Schon als Gymnasiast und als Student schrieb Kernstock erste ,,Gedichte“ , die vor allem seinen Eltern und Lehrern gewidmet waren. Ab 1878 veröffentlichte er in der in Österreich sehr beliebten Münchner Zeitschrift „Fliegende Blätter“. 1901 erschien sein erster Lyrikband „Aus dem Zwingergärtlein“. Mit den folgenden Bänden ‚‚Unter der Linde“ (1905) und „lurmschwalben“ (1908) erreichte er hohe Auflagen. Vor allem in der Oststeiermark, aber auch in Kärnten, wurde er vielgelesener Hei60. matdichter, den man nicht nur lesen, sondern in trauter Runde auch singen konnte, da viele seiner Texte vertont wurden. 1915 erschienen die ,,Schwertlilien aus dem Zwingergärtlein“,, im nächsten Jahr der zusammen mit Peter Rosegger verabreichte ,,Steirische Waffensegen“ . Beide Kriegsbücher überschwemmten mit vielen Auflagen den Markt, die Soldaten zogen mit ihnen im Tornister in den Krieg. Sein letzter Band, ,,Der redende Born“, wurde 1922 veröffentlicht. Allerdings erschienen im Jahre 1968 mehrere seiner Texte, zusammengestellt von einem gewissen Karl Bosek-Kienast. Natürlich sollen in der Vitrine auch einige Texte — von Gedichten kann man beim besten Willen nicht sprechen — ausgestellt sein, um nachkommende Generationen mit schlechten Beispielen abzuschrecken. Auf jeden Fall müßte das Hakenkreuzlied vorkommen, das Ottokar Kernstock der nationalsozialistischen Parteigruppe von Fürstenfeld gewidmet hatte. „Das Hakenkreuz im weißen Feld / Auf feuerrotem Grunde /...Wir fürchten Tod und Teufel nicht / Mit uns ist Gott im Bunde!“ Und weil wir schon bei Gott sind, darf nicht fehlen: ‚‚Seid bereit, euch bis aufs Blut zu wehren / Begehrt ein fremdes Volk, was unser ist / Denn hilft auch der Teufel der welschen Brut / Der Herrgott hält mit den Deutschen!“ Wenn - selten, aber doch — ein weibliches Wesen vorkommt, dann heißt sie mit Sicherheit „Sieghilde“. Und die wird davor gewarnt, ja „keine welsche Mondäne“ zu werden. Denn sonst gilt für sie: „Das war ein bräunlich Wendenweib / gleich einem Speer langschiftig / Doch stak voll List der dürre Leib / Und ihre Faust schlug kräftig...“. Und so geht es fort und fort. ,,Soviel uns Deutschen auch Leids geschah / Von Hassern bedroht und Gefährden / Es bleibt doch der Name Germania / Der herrlichste Name auf Erden.“ Nein, nicht die Gefährten verabreichten Leids, sondern die Gefährden. Für die Gefährten gilt hingegen, ‚„‚Wenn sie die Not zwingt, Hiebe auszuteilen, ists rasch an Feindesschädeln blank gefegt“. Ottokar Kernstock meidet konsequent alle Lehnwörter, also „‚harrensvoll“ statt „„konsequent“, und rekrutiert nur stramme deutsche Wörter. Natürlich rekrutiert er sie nicht, weil das machen nur die Welschen, Kernstock sammelt sie zusammen oder zieht sie auf oder macht sonst etwas in der deutschen Art. Ich habe mir die Mühe gemacht, einige zufällig ausgewählte Texte nach den am meisten vorkommenden Wörtern zu untersuchen. Einen ersten Platz gab es leider nicht, dafür fünf zweite Platze: ,, Maren“, ,, Born“, ,, Bronnen“ (nein, nicht der Arnolt, obwohl der sich zum strammen Nazi entwickelte; der ,, Bronnen“ ist nichts anderes als ein Born mit r-Metathese), ,,Sonnenwende“ und Feuerspruch. Weiters wurden oft gesichtet: ‚‚Rhein“, „Deutscher Schwur“ sowie „Deutsches Graz“. Weiters könnte in einem Animationsspiel das Publikum zum Weiterdichten aufgefordert werden, um die Sicherheit des Stils zu testen. „Stattlich prangt im Edelforste“ —ja was prangt denn dort? Der morsche Welsch? Oder der deutsche Tann? Oder gar die falsche Slawenbrut? Überflüssig ist eine ästhetische Wertung der Texte in der Vitrine — es genügt, die schlimmen Verse zu zitieren: „Wenn sie die Not zwingt,/ Hiebe auszuteilen,/ Ist’s rasch an Feindes-/ Schädeln blankgefegt.“ Ein zweites Beispiel: ‚Tritt uns ein Gegner an/ Bayer und Ostermann/ Werden beisammenstan“. Wernnoch immer Wertungen möchte, dem sei in einer Seitenvitrine mit Karl Kraus und mit Thomas Mann geholfen. Für Karl Kraus war der kriegsgeile Pfarrer der „‚blutigste Dilettant der Weltkriegslyrik“ . Welch treffsichere Beurteilung, in der auch der „‚blutigste Anfänger“ versteckt ist. Und bei Thomas Mann läßt sich nachlesen: „Man rümpft die Nase über die Nazis, aber mit Kernstock ist lange vorher das gleiche geschehen. Er sprach so wie sie, er war so undichterisch wie sie.“ Und sollte meine Idee verloren gehen und in keinem Museum und in keiner Ausstellung eine Ottockar-Kernstock-Vitrine eingerichtet werden, dann bleiben noch immer „Die letzten Tage der Menschheit“, in denen Karl Kraus den kriegsgeilen Pfarrer für die Nachkommenden bloßstellt. In seiner ‚stillen Poetenklause im steirischen Wald“ murmelt Ottokar Kernstock versunken und andächtig vor sich hin. Die Verehrer rätseln: Ist’s ein Gebet oder ein Gedicht? ‚‚Steirische Winzer, preßt mir fein / Aus Welschlandfrüchtchen blutroten Wein!“ Else Keren Meine Exile Lebenslänglich bleiben meine Exile für mich hinter Gittern Der Wächter schläft kalte Stillen warten auf den Laut des neuen Morgens Vergebens Die Engel haben keine Flügel mehr Und wenn der Wind in den Bäumen wühlt und die Wolken ihr Grau sammeln begleiten die Melodien meiner Exile den Hall meiner Schritte Entnommen dem im Alekto Verlag, Klagenfurt, erschienenen Gedichtband Else Kerens „Im Sand deiner Gedanken“.